Hauptversammlung live - II:Ferdinand Piëch: "Ich habe den Falschen gewählt"

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Die mit Spannung erwartete Hauptversammlung der VW-Aktionäre brachte eine mittlere Sensation. Die Beichte von Aufsichtsratschef Piëch - die Wahl von Bernd Pischetsrieder zum VW-Chef sei ein Fehler gewesen. Thorsten Denkler war vor Ort.

18:01 Uhr Die Börse zumindest scheint die Hauptversammlung von Volkswagen nicht inspiriert zu haben. Um gut 0,5 Prozent gab die VW-Aktie im Dax nach. Sie notiert um 17:21 Uhr bei 114,80 Euro. Die letzte spannende Frage wird jetzt sein, ob Ferdinand Piech heute nach der Abstimmung noch Aufsichtsratschef der Volkswagen AG sein wird. So viel sei verraten: Unwahrscheinlich ist das nicht. Damit beenden wir die Live-Berichterstattung aus dem Congress Center Hamburg und bedanken uns für Ihre Aufmerksamkeit. Die Abstimmungsergebnisse in Kürze hier auf sueddeutsche.de.

16:45 Uhr Nach der Piech-Beichte kann so schnell nichts Bewegendes mehr kommen. Die Vorstände beherrschen die Kunst, mit vielen Worten wenig zu sagen. Zeit, mal die CO2-Werte einiger Fahrzeuge aus der vielfältigen Modellpalette des Volkswagen-Konzerns zu begutachten. Also auf in die Fahrzeughalle. Hier stehen die wichtigsten Modelle aller Marken. Für die Autobauer kommt von der Europäischen Union bekanntlich eine Zielvorgabe: Ab 2012 sollen alle Neuwagen höchstens 130 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen. Gemessen daran hat der Konzern noch einiges zu tun.

Von den ausgestellten Wagen ist es allein der Polo Blue Motion, der mit 99 Gramm den genannten EU-Richtwert unterschreitet. Alle andere Mittelklasseautos liegen bei 170 bis 200 Gramm. Nach oben gibt es heftige Außreißer. So kommt zum Beispiel der Touareg auf 333 Gramm. Der VW Phaeton stößt üppige 348 Gramm Kohlendioxid aus. Das ist keineswegs die Obergrenze der Umweltsünder bei VW: Bentley bläst pro Kilometer 465 Gramm Kohlendioxid aus dem Rohr. Doch ein anderes Modell schießt hier den Vogel ab: Der Bugatti Veyron mit 591 Gramm. Diese Rennschüssel hat auch 1001 PS. Na dann.

15:35 Uhr Tag der Beichte für Ferdinand Piëch. Martin Winterkorn ist offenbar nur aus einem Grund nicht schon früher Vorstandschef der Volkswagen AG geworden. Bezüglich der Berufung des ehemaligen VW-Vorstandsvorsitzenden Bernd Pischetsrieder sagt Piëch: "Ich hatte Hemmungen, jemanden, der mir fachlich und menschlich nahesteht, als meinen Nachfolger vorzuschlagen. Zu spät habe ich erkannt, den Falschen gewählt zu haben. Ich habe die Entscheidung im November mit Mühe korrigiert."

Der frühere BMW-Chef Pischetsrieder wurde 2002 Nachfolger von Piëch im VW-Vorstand. Im November 2006 musste Pischetsrieder bei VW seinen Hut nehmen. An seine Stelle trat Martin Winterkorn, der zuvor im Vorstand von Audi tätig war.

15:25 Uhr Jetzt beginnt die Antwortrunde. Piëch ist dran. Als erstes wählt er eine zuvor gestellte Frage: Was wäre, wenn er, Piech, Schnupfen bekäme? Darauf antwortet Piëch wahrheitsgemäß: "Wenn ich Schnupfen bekomme, hätte das sicherlich keine Auswirkungen auf die Volkswagen AG."

14:53 Uhr Ein alter Mann tritt ans Mikrophon. Weißes Haupt, Altersflecken im Gesicht. Sein Name ist Adolf Harder. Der Mann spricht regelmäßig auf VW-Hauptversammlungen. Meist zu den Belangen von Behinderten, wie er sagt. Diesmal ist es anders. Die Ereignisse im vergangenen Jahr haben Adolf Harder mitgenommen. Mit gebrochener Stimme zählt er noch einmal auf: Die Sexpartys, die Schmiergeldzahlungen, die Vertuschungen. "Und Sie, Herr Piëch, wollen davon nichts gewusst haben?", fragt er mit gebrochener Stimme. "Ich kann mir das nicht vorstellen. Sie haben Dinge gemacht, die können wir alle nicht begreifen." Als Harder mit diesen Worten endet, wird es still im Saal.

14:25 Uhr Die Dame von der Mobbing-Initiative will einen Grabstein für Volkswagen in Wolfsburg aufstellen. Ein Grabstein im Namen der vielen Mobbing-Opfer bei Volkswagen. Ihre Hauptgegner: Ferdinand Piëch, der nicht mit ihr reden will, und Peter Hartz, in ihren Augen der Ober-Mobber von VW. Beide will sie verklagen. Und der Prozess gegen Peter Hartz soll am besten so lange gehen, "bis er kein Geld mehr hat. Wir werden ihn solange verklagen bis er Hartz IV beantragen muss."

14:14 Uhr Michael Mayer aus der Schweiz hat ein Problem: Glühbirnenwechel. Erst kürzlich wieder eine längere Fahrt mit seinem VW Passat. Und was passierte? Die Glühbirne brannte durch. Dafür brauchte Michael Mayer eine Werkstatt. Seine Frage an die Entwickler: "Könnte man das nicht mal optimieren?" Nach diesen Worten outet sich Mayer als "großer Volkswagen-Fan". Dieser Anhänger des Autobauers beschreibt sich als jemand, der "bedingt durch die berufliche Situation sehr viel fernsieht." Doch im Fall von Michael Mayer ist das noch nicht alles. Er hätte außerdem gerne noch ein paar Werbegeschenke für Freunde mitgenommen, bekam allerdings nur zwei Kugelschreiber. Und ob nicht VW in Zukunft seine Hotelrechnung übernehmen könnte. Danach kommt noch eine Aktivistin gegen Mobbing zu Wort. Von ihrer Initiative habe man "lange nichts gehört", wie sie selbst sagt. Es wird immer spannender.

14:01 Uhr Auf großen Hauptversammlungen wie bei VW gibt es viele Redner, die als Einzelkämpfer auftreten. Hans-Christoph Hürth ist da ein ganz anderes Kaliber. Er vertritt die britische Fondsgesellschaft Hermes Investment, die weltweit Kapital in Höhe von 400 Milliarden Euro verwaltet. Da geht ein Raunen durch den Saal. Seine Kritik an VW ist eindeutig. "Wir begrüßen die guten Geschäftszahlen", holt er aus. Aber: "Wir sind als Pensionsfonds an nachhaltiger Wertsteigerung interessiert." Dann schlägt Hürth zu: "Davon ist Volkswagen im Automobilgeschäft weit entfernt." Die Verzinsung des eingesetzen Kapitals übersteige die Kosten. Da werde Kapital "vernichtet".

Kritik hat Hürth auch an der Personalpolitik: Wenn sich ein Konkurrent wie Porsche in der bekannten Größenordnung bei VW engagiere, dann müsse die aktienrechtlich vorgesehene Gewaltenteilung und Kontrolle besonders berücksichtigt werden. Hürth warnt: "Passiert das nicht, ziehen die Aktionäre die Reißleine." Bis heute etwa habe der Aufsichtsrat nicht erklärt, weshalb der Ex-Vorstandschef Pischetsrieder entlassen wurde. Die fehlende Kommunikation werfe "erhebliche Fragen nach dem Einfluss des Aufsichtsratsvorsitzenden Piëch auf". Deshalb: "Wir werden gegen die Wiederwahl von Ferdinand Piëch stimmen. Der Verbleib ist nicht im Interesse des Unternehmens." Wenn das nicht gesessen hat.

13:40 Uhr Man hätte schon fast glauben können, der Name Peter Hartz taucht hier gar nicht mehr auf. Ein Aktionär hat in seinem Beitrag nun aber nur eine Sache im Sinn - die Rolle von Ex-Personalvorstand Peter Hartz nochmal aufzurollen. Hartz sei unter anderem für "sexuelle Untreuetaten auf Kosten des Unternehmens" verantwortlich. Er habe der Firma "schwersten Schaden zugefügt". Warum, fragt der Aktionär, verliere Hartz nicht seine Ansprüche auf Altersverorgung? Warum stelle VW keinen Strafantrag gegen Hartz wegen Selbstbereicherung? Interessante Fragen. Antworten - so der Vorstand will - später.

13:05 Uhr Mit der Strafanzeige gegen Piëch ist es aber noch nicht genug. Bei einem Besuch im VW-Werk Leipzig will Selenz festgestellt haben, dass dort glatter Betrug am Kunden täglich praktiziert werde. VW baut dort für Porsche den Cayenne - dachte man. Auf der Homepage von Porsche ist zu lesen: "Der Cayenne ist ein besonderes Automobil. Gebaut an einem ungewöhnlichen Standort: Leipzig." Tatsächlich aber komme die Karosse komplett aus dem VW-Werk Bratislava, sagt Selenz. Er habe sich an Ort und Stelle selbst davon überzeugt. Der Moter kommt aus dem Porsche-Werk Zuffenhausen. In Leipzig werden beide Komponenten lediglich zusammengeführt. Selenz: "Leipzig sei eine Tarnfabrik", um das Label "Made in Germany" für Porsche aufrechtzuerhalten. Der Großteil des Luxusfahrzeuges werde in der Slowakei zu "Löhnen wie in der Dritten Welt" gebaut. Nutznießer sei Porsche, Verlierer VW. Volkswagen habe damit geholfen, ein "direktes Konkurrenzmodell" zum VW Touareg kostengünstig auf den Markt zu bringen.

12:47 Uhr Hans Joachim Selenz, Autor des Werks "Schwarzbuch VW" und ehemaliger Vorstandschef der Salzgitter AG, tritt ans Rednerpult. Das verspricht eine gewisse Brisanz. Selenz hat vor zwei Tagen Strafanzeige gegen Ferdinand Piëch wegen Untreue gestellt. Versteinerte Mienen im Aufsichtsrat. Es geht um Piëchs Rolle in der Rotlichtaffäre. Selenz wirft ihm vor, den über die VW-Sex-Affäre gestolperten Gesamtbetriebsrat Klaus Volkert wissentlich begünstigt zu haben.

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