Hauptversammlung:Chaos bei Constantin

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Die Aktionäre treffen sich in aufgeheizter Atmosphäre. Es geht um juristische Fragen, die Sitzordnung und die Strategie.

Von Caspar Busse, München

"Versammlungsleiter" stand auf dem Schild vor dem noch freien Platz auf der Tribüne. Wer den Vorsitz beim Aktionärstreffen der Constantin Medien AG in München übernehmen würde, stand bis kurz vor Beginn nicht fest. Dann die Überraschung: Werner Klatten kam auf die Bühne und nahm neben Dieter Hahn, dem Aufsichtsratsvorsitzenden, Platz. Ihm liege das Wohl der Firma am Herzen, sagte der 71-jährige Ex-Sat 1-Chef. Klatten war sieben Jahre Vorstandsvorsitzender der Medienfirma, die damals noch EM.TV hieß. Nach dem Ausscheiden 2008 war er sechs Jahre lang im Aufsichtsrat. Er werde die Sitzung in "dieser delikaten Situation" führen, so Klatten.

Delikat? Constantin Medien ist in seiner bisher wohl tiefsten Krise. Zwei rivalisierende, etwa gleichgroße Aktionärsgruppen ringen hart mit allen Mitteln um den Kurs. Hahn und der Vorstandsvorsitzende Fred Kogel wollen die Firma auf Sport und Eventmarketing konzentrieren und das Film- und Fernsehproduktionsgeschäft (Constantin Film) verkaufen. Eine zweite Gruppe um den Ex-Konzernchef Bernhard Burgener will das verhindern. Auf der Hauptversammlung kam es zum offenen Schlagabtausch, am Abend wurde das Treffen auf diesen Donnerstag vertagt. Aufsichtsratschef Hahn teilte zuvor schwer gegen Burgener aus. Dieser habe in seiner siebenjährigen Amtszeit als Vorstandschef vieles sabotiert und nichts zustande gebracht. "Burgener und seine Freunde" bedienten sich aus dem Vermögen des Unternehmens: "Sie zahlen sich unanständig hohe Gehälter, schanzen sich teure Darlehen auf unser aller Kosten zu und fahren die größten Dienstwagen, die sie sich vorstellen können." Es gehe "diesen Herren um eine Kuh, die sie nach ihrem Gutdünken und ohne Rücksicht auf die Interessen der Aktionäre für sich melken können". Dann kündigte er, der lange Vertrauter von Leo Kirch war, den Showdown an: "Lieber Bernhard, am Ende wird die Entscheidung zwischen uns beiden liegen müssen." Einer solle an den anderen verkaufen. Burgener wehrte sich vehement. Er hält mit anderen Aktionären knapp 30 Prozent - wie das Hahn-Lager. Der Schweizer sprach engagiert und argumentierte, es sei für ein Medienunternehmen besser, auf mehreren Beinen zu stehen. Deshalb dürfe das Filmgeschäft, der Umsatz- und Ergebnislieferant, nicht verkauft werden. Constantin Film ("Das Parfum", "Fack ju Göhte", "Der Untergang", "Der Name der Rose") ist die bekannteste deutsche Filmfirma und ist nach Schätzungen rund 200 Millionen Euro wert. Angeblich gibt es Interessenten.

"Constantin Medien muss wieder zur Ruhe kommen", forderte Vorstandschef Kogel. Der Aktienkurs war zuletzt abgerutscht, die Unsicherheit über die weitere Entwicklung groß. Constantin Medien ist hoch verschuldet, 2018 wird eine Anleihe fällig. Zudem gibt es eine Reihe juristischer Streitigkeiten.

Die Firma ist mit einem Jahresumsatz von knapp einer halben Milliarde Euro einer der kleineren Spieler in der Branche. Zudem ist das Unternehmen verschachtelt und unübersichtlich. Kogel, der ebenfalls lange für Kirch gearbeitet hatte, warb intensiv für einen neuen Kurs. Er wolle die Struktur bereinigen und Kosten sparen. Nur so entstehe eine "überzeugende Story auch für den Aktienmarkt". Er gab auch eine Kooperation mit dem indischen Konzern Tata bekannt.

Bevor die Strategie diskutiert werden konnte, ging es bei der Hauptversammlung vor etwa 200 Anteilseignern aber erst lange um juristische Formalien - und um die Sitzordnung. Klatten hatte gerade mit seinen Ausführungen begonnen, da standen bereits Aktionäre auf, die als professionelle Hauptversammlungsstörer gelten können, und beschwerten sich lautstark. Ihnen passte vor allem die Versammlungsleitung nicht. Klatten sei für den Job nicht geeignet und lediglich "Erfüllungsgehilfe" der Gesellschaft. Neutralität sei "nicht zu erkennen", kritisierte Aktionär Manfred Klein. Mehrere Aktionäre forderten die Wahl eines neuen Versammlungsleiters. Außerdem sitze der Notar unerreichbar hinten in der zweiten Reihe.

Nach einer Unterbrechung teilte Klatten dann mit, dass er über den Antrag auf eine neue Versammlungsleitung nicht abstimmen lassen werde. Schon im Vorfeld gab es darüber erhebliche Diskussionen. Burgener hatte öffentlich eine "neutrale Leitung" gefordert. Im Juli war eine Hauptversammlung im Chaos geendet und musste vertagt werden. Damals leitete Franz Enderle das Treffen, der Rechtsanwalt arbeitet für Bub, Gauweiler und Partner, der Hauskanzlei von Dieter Hahn. Enderle, der damals Aktionäre von der Abstimmung ausgeschlossen hatte, saß am Mittwoch auf der Bühne direkt neben Klatten und gab ihm rechtliche Hilfestellung.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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