Hans-Peter Wild:Herr der Saftsäcke und Kraftprotze

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Der Milliardär baut zu seinem 76. Geburtstag sein Capri-Sonne-Imperium um: Eine Stiftung soll sein Lebenswerk fortführen. Er selbst will nun "Spaß": Deshalb kauft er sich einen Rugby-Klub aus Paris.

Von Stefan Mayr, Paris

Hans-Peter Wild hat extra einen Capri-Sun-Beutel mitgebracht. Kaum hat er auf dem Podium im Presseraum des Stadions Jean Bouin in Paris Platz genommen, steckt er feierlich einen Strohhalm in die Tüte und nimmt einen kräftigen Schluck. Dann macht er mit dem Handy Erinnerungsfotos in dem vollbesetzten Saal mit seinen zwei riesigen Kronleuchtern. So viele Kameras hatte der 76-jährige Milliardär aus Heidelberg wohl noch nie auf sich gerichtet gesehen. In der Regel verwaltet er sein Vermögen im Verborgenen, von seinem Schweizer Wohnort Baar aus. Wild ist der Chef der Capri Sun Holding AG, in deren Namen weltweit etwa sechs Milliarden Trinkbeutel pro Jahr verkauft werden. Mit einem geschätzten Vermögen von drei Milliarden Euro gilt er als einer der reichsten Menschen Europas. Und jetzt macht er noch einmal etwas ganz anderes.

"Ich hab' jetzt ein Alter erreicht", sagt der als fleißig und hart bekannte Geschäftsmann, "dass ich jetzt auch einfach mal Spaß haben darf." Deshalb hat sich der Rugby-Fan eine namhafte Profi-Mannschaft gekauft - Stade Français Paris. Dem Herren der Saftsäcke gehören jetzt also auch zwei Dutzend Muskelprotze.

Mit dem Rugby-Club will der Unternehmer nichts verdienen

Stade Français ist nicht irgendein Verein. Davon zeugen die Kronleuchter und die 14 Meistertitel, die er in der besten Liga der Welt errungen hat - zuletzt 2015. Man stelle sich vor, ein reicher Mensch aus dem Fußball-Entwicklungsland Finnland würde Borussia Mönchengladbach kaufen. Nur so kann man ermessen, welche Schlagzeilen Wild mit seinem Kauf in der Rugby-Nation Frankreich auslöst.

Hans-Peter Wild, jugendlich-blaues Sakko und weit geöffnetes Hemd, legt seinen Capri-Sun-Beutel zur Seite und stellt in fließendem Englisch eines klar: Zum Geldverdienen kaufe er diesen Klub nicht. "Es gibt aussichtsreichere Projekte, um Rendite zu machen." Nein, das hier sei für ihn kein Geschäft, sondern eine Herzensangelegenheit. Die Chance, ein international namhaftes Topteam zu übernehmen, und dann auch noch in dieser Stadt, sei einfach einmalig. "Ich liebe Paris", sagt der ehemalige Sorbonne-Student. Solche Sätze hören die Fans und Journalisten gerne.

Spaß und Ruhm statt Umsatz und Rendite. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Es sind bemerkenswerte Töne für einen, der seinen Mitarbeitern stets das Motto "Business First" gepredigt und vorgelebt hat. Er kündigt damit auch eine neue Ära im bunten und süßen Kosmos unter der Capri-Sun an: Nachdem er sein ganzes Berufsleben lang einen Weltkonzern aufgebaut hat, setzt er nun andere Prioritäten: Er verabschiedet sich langsam aus dem operativen Geschäft und vertraut die Geschäfte einem familien-externen Manager an. Zudem bereitet er sein weit verzweigtes Imperium auch auf die Zeit nach seinem Tod vor.

Herzstück des Konzerns sind die SiSi-Werke in Eppelheim bei Heidelberg, wo 700 Mitarbeiter den Saft in seinen unzähligen Geschmacksrichtungen abfüllen. Wild besitzt aber auch das Maschinenbau-Unternehmen Indag, eine Immobilienfirma, ein Hotel und mehrere Stiftungen und Holdings. Und jetzt auch noch Stade Français Paris. Der Kaufpreis betrug: einen Euro. Zudem musste der Vorbesitzer die aufgehäuften sieben Millionen Euro Schulden tilgen. Das war Bedingung für Wilds Einstieg.

Den Grundstein für seinen Reichtum legte Hans-Peter Wilds Vater Rudolf. Der Chemiker gründete 1931 in Heidelberg das "Zick-Zack Werk Rudolf Wild" und stellte zunächst Fruchtzusätze und Aromastoffe für die Lebensmittelindustrie her. 1969 brachte er die Capri-Sun in ihrem neuartigen silberfarbenen "Standbodenbeutel" aus Kunststoff und Alu auf den Markt.

Die Beutel glänzen und sehen cool aus, gehen in den Sporttaschen der Kinder nicht kaputt. Zwar geht oft jede Menge Saft daneben, wenn die Kids den Strohhalm in die Tüte stecken. Doch das schmälert den Absatz kein bisschen. Wohl auch, weil die aufgeblasenen Verpackungen beim Drauftreten einen Mordsknall von sich geben. 1974 stieg Hans-Peter Wild in die Firma seines Vaters ein. Der Diplom-Kaufmann und promovierte Jurist, der zuvor unter anderem in Cambridge und in Paris studiert hatte, machte aus dem badischen Mittelständler einen Global Player. Er flog um die Welt und baute ein Franchise-Netz auf. Das Geschäftsmodell funktioniert so: Wild produziert und liefert die Aromen, seine Maschinenbau-Tochter stellt die Abfüllanlage hin, den Aufwand und das Risiko des Vertriebs trägt der Franchise-Partner. Zum Erfolgskonzept gehört auch, dass die Aromen auf das jeweilige Land abgestimmt sind. So brachte er sie alle auf den Geschmack. In England, Iran, Israel, Nigeria, USA, Japan.

1979 gelang Wild ein Coup: Er gewann Box-Weltmeister Muhammad Ali als Werbefigur. "Ich bin der Größte", tönte der starke Mann, "aber wenn ich nicht mehr boxe, ist Capri-Sun das Größte." Damit waren Wilds Box-Beutel auf einen Schlag weltbekannt. "Das hat uns in vielen Ländern geholfen", erzählt Wild. "Die dachten alle, wenn wir uns den Ali leisten können, dann kann das keine kleine Quetsche sein." Dabei habe er Ali gar nicht viel zahlen müssen, beteuert Wild. Nur jede Woche ein Paket Capri-Sun schicken und Honorar für einige Auftritte. Heute ist Capri Sun in mehr als 110 Ländern erhältlich.

Am liebsten würde Wild an seine Söhne übergeben - aber die haben kein Interesse

Parallel zum System Capri-Sun baute Wild das Schwester-Unternehmen Wild Flavors aus. Er erweiterte das Angebot von Getränkezusätzen auf alle möglichen Lebensmittel; Farben, Gewürzmischungen, Konzentrate für Fertiggerichte. Die Produkte werden in Milchprodukte, Eis, Süß- und Backwaren, Müsli und in Fleisch gemischt. Auch in Zahnpastas und Duschgels ist Wild drin - mit Minz-Aromen.

2014 verkaufte Wild das Aromen-Unternehmen an den US-Agrarkonzern Archer Daniels Midland (ADM). Kaufpreis: 2,3 Milliarden Euro. Davon flossen etwa 1,4 Milliarden an Wild, der aus steuerlichen Gründen seit vielen Jahren in der Schweiz lebt und selbst Schweizer geworden ist.

Auch die Capri Sun Holding AG sitzt im Kanton Zug. Sie gab er nicht aus der Hand, er ist bis heute Eigentümer und Verwaltungsratschef. Aber im Februar 2016 installierte er einen neuen Vorstandsvorsitzenden. Der Niederländer Roland Weening, 46, ist ähnlich verschwiegen wie Wild. Immerhin bestätigt Weening einen "Außenumsatz" von 1,5 Milliarden Euro. Ein Teil des Gewinns gehe aber an die Franchise-Nehmer. Weitere Details nennt er nicht.

Mit Säften in Beuteln hat Hans-Peter Wild ein Milliardenvermögen angehäuft. (Foto: Axel Heiter)

Aus dem Unternehmen hört man, Wild vertraue seinem Geschäftsführer und lasse ihm zunehmend mehr Freiheiten. Selbst als Capri-Sonne Anfang 2017 seinen deutschen Namen in Capri-Sun änderte und damit einen Internet-Shitstorm auslöste, blieb Wild gelassen. Die ganze Diskussion habe der Marke doch viel Aufmerksamkeit eingebracht, fasst er zufrieden zusammen. Wild dementiert Spekulationen, wonach der neue Name dazu diene, das Unternehmen für internationale Investoren hübsch zu machen.

Am liebsten würde Wild den Konzern ja an seine zwei Söhne weiterreichen. Aber die haben kein Interesse daran, sein Lebenswerk weiterzuführen. So baut Wild derzeit in Liechtenstein eine Stiftung auf, die alle Aktien bekommen und nach seinem Tod die Geschäfte fortsetzen soll. "Wir üben das gerade", sagt Wild.

Bald scheint sein Erbe geordnet zu sein, damit kann sich Wild auf seine Leidenschaft Rugby stürzen. Schon seit Jahren bastelt er an seinem Traum, ein Weltklasse-Team aufzubauen. Er sponsert den Heidelberger Bundesliga-Klub und das Nationalteam, seit 2007 hat er etwa zehn Millionen in die starken Männer investiert. Aber der Durchbruch steht noch aus: In der Qualifikation für Olympia 2016 scheiterte Deutschland an Samoa.

Mit dem Kauf von Stade Français ist Wild jetzt der Weltspitze sehr nahe gekommen. Wie viel er in sein Team investieren wird? "Der Verband limitiert den Etat auf zehn Millionen pro Jahr", sagt er. Man hört ihm an, dass er sehr gerne viel mehr in seine neue Leidenschaft stecken würde.

© SZ vom 16.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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