Handel: Datenskandal:Lidl feuert Deutschland-Chef

Lesezeit: 2 min

Erst der Skandal, dann der Rausschmiss: Der Discounter Lidl trennt sich von Deutschland-Chef Mros - weil er systematisch Krankenakten von Mitarbeitern anfertigen ließ.

S. Liebrich

Nur einen Tag nach Bekanntwerden einer neuen Datenschutzaffäre hat der Discounter Lidl personelle Konsequenzen gezogen: Der bisherige Deutschland-Chef Frank-Michael Mros muss gehen, teilte das Unternehmen mit Hauptsitz in Neckarsulm am Montag mit.

Bringt Datenschützer in Rage: der Discounter Lidl. (Foto: Foto: dpa)

Für Lidl ist es der zweite Bespitzelungsskandal innerhalb eine Jahres. Das Unternehmen, das seit Jahren für seinen harschen Umgang mit Mitarbeitern bekannt ist, soll vertrauliche Krankheitsdaten von Beschäftigten systematisch erfasst und ausgewertet haben, lautet der neue Vorwurf, der auf Recherchen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zurückgeht. Im vergangenen Jahr war das Unternehmen wegen illegaler Bespitzelung von Angestellten in die Schlagzeilen geraten und wurde dafür von den Behörden mit Bußgeldern in Gesamthöhe von mehr als einer Million Euro belegt.

Nun musste das Unternehmen erneut Fehler einräumen, nachdem eine Frau in Bochum zufällig brisante Lidl-Personalunterlagen in einer Mülltonne entdeckt hatte. Das Erschreckende daran: die gefundenen Papiere im Umfang von mehren hundert Seiten stammen nicht aus der Zeit vor der Aufarbeitung der ersten Affäre, sondern sind aktuell und beziehen sich den Angaben zufolge auf den Zeitraum von 2008 bis Anfang 2009.

Notizen auf Grundlage vertraulicher Plaudereien

Penibel soll darin etwa notiert sein, dass eine Mitarbeiterin nach fehlgeschlagenen Befruchtungen privat Probleme hatte. Bei anderen wurden Rückenleiden, Tumor- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen detailliert erfasst. Grundlage für die Notizen waren offenbar unter anderem vertrauliche Plaudereien, die Mitarbeiter mit ihren Vorgesetzten bei Lidl führten - ohne zu ahnen, dass ihre Angaben in den Akten landeten. Anmerkungen auf den Blättern legen zumindest den Verdacht nahe, dass die Informationen auch genutzt wurden, um unliebsamen Mitarbeiter los zu werden, die beispielsweise häufiger krank waren.

Der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Joachim Jacob, der für Lidl nach der Bespitzelungsaffäre im vergangenen Jahr ein Datenschutzkonzept ausarbeitete und nun dessen Umsetzung überwacht, bestätigte am Montag, dass die Aufbewahrung von Krankenakten bei Lidl gängige Praxis gewesen sei. Ob die jetzt gefundenen Dokumentationen auf Anweisungen des Lidl-Managements zurückgehen und für jede der über 30 Regionalgesellschaften galten, könne er aber noch nicht sagen, weil seine Prüfung noch bis Mai oder Juni dauern werde.

"Wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen", sagte Jacob der Deutschen Presse-Agentur. Von den geheimen Krankenakten habe er im November erfahren. "Bis Anfang Dezember hätten eigentlich alle Unterlagen zerschreddert werden müssen". Er sei "angefressen, dass durch diese neuerliche Sache das Ganze jetzt wieder einen Knacks bekommt." Die neue Affäre beschäftigt auch die Datenschützer in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, die eine Überprüfung ankündigten.

Der entlassene Lidl-Deutschland-Chef Mros hatte zuvor auf Anfrage die Existenz der Krankenformulare nicht bestritten, jedoch versichert, dass sie seit Mitte Januar nicht mehr verwendet würden. Der 45-jährige wurde am Montag mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden. Damit ziehe der Vorstand die Konsequenzen "aus den jüngsten Vorwürfen zum Datenschutz", teilte das Unternehmen mit. Sein Nachfolger wird der Lidl-Manager Jürgen Kisseberth. Der 59-Jährige ist ein altgedienter Lidl-Mann und dort seit mehr als zwei Jahrzehnten in unterschiedlichen leitenden Funktionen tätig.

Klaus Gehrig, der Aufsichtsratschef des Discounters, der Teil der Schwarz-Gruppe ist, meldete sich bislang nicht zu Wort. Er hatte im vergangenen Jahr bei Fernsehauftritten nach dem Bespitzelungsskandal zugesagt, härter im Management durchzugreifen, um weitere Entgleisungen dieser Art zu vermeiden.

© SZ vom 07.04.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: