Gutachten:Billigere Immobilien in München

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Das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen lässt Wohnungssuchende in Großstädten hoffen: Jahrelang wurde Wohnen teurer, nun könnte sich das ändern, sagen die Experten. Den Anfang sollen München und Berlin machen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Für viele Investoren ist der Immobilienboom wie eine Lizenz zum Geldverdienen. Für Wohnungssuchende ist es hingegen oft schwer, eine bezahlbare Bleibe zu finden. Seit 2009 steigen in Deutschland die Kaufpreise für Wohnungen. Zugleich werden Mieten immer teurer. Doch wie lange hält dieser Trend noch an? In einigen besonders gefragten Großstädten könnte sich die Lage beruhigen, und Mieter könnten zumindest ein bisschen auf bessere Zeiten hoffen. Dies geht aus dem Frühjahrsgutachten der sogenannten Immobilienweisen hervor, das am Dienstag vorgestellt und der Bundesregierung überreicht wurde. "Die Party ist vorbei. 2017 hingen nur noch ein paar Leute in der Küche rum", sagt Harald Simons, einer der Studienautoren und Vorstandsmitglied des Forschungsinstituts Empirica.

Das Gutachten der Immobilienweisen, das im Auftrag für den Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) erstellt wird, dem Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, ist mehr als 300 Seiten dick. Brisant in dem Wälzer ist vor allem, was Empirica zum Markt für Wohnimmobilien aufgeschrieben hat. Die Experten rechnen darin nämlich mit einem "Rückgang der Kaufpreise insbesondere in München und Berlin und möglicherweise in Stuttgart um real ein Viertel bis ein Drittel" innerhalb der kommenden vier Jahre.

2017 stiegen die Angebotspreise für Eigentumswohnungen (60 bis 80 Quadratmeter, höherwertige Ausstattung) im Durchschnitt noch um 7,9 Prozent, während die Wohnungsmieten bundesweit um 4,3 Prozent zulegten. Seit 2009 haben sich die Immobilienpreise sogar um 61 Prozent erhöht. Deutlich niedriger war der Anstieg bei den Mieten mit einem Plus von 26 Prozent. Diese Unterschiede sind in den sieben Top-Großstädten Berlin, München, Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart, Hamburg und Köln besonders stark. In München lag das Plus bei den Kaufpreisen seit 2004 bei 139 Prozent, im Vergleich zu 53 Prozent bei den Mieten. Daraus leiten die Ökonomen von Empirica ab, dass die Preise ökonomisch nicht mehr zu rechtfertigen sind. "Wir haben in den Top-7-Städten eine Übertreibung bei den Preisen", sagt Simons. Auch die Bundesbank warnte bereits mehrfach vor solchen Preisblasen.

Die Kaufpreise steigen schneller als die Mieten - die Kluft sei nun nicht mehr zu rechtfertigen

Simons ist deshalb überzeugt, dass es so nicht weitergeht. "Die Zeiten der stürmischen Entwicklung der Wohnungsnachfrage sind in München, Berlin und Stuttgart zu Ende gegangen. In Hamburg, Frankfurt, Köln und Düsseldorf ist dies bislang nicht der Fall, aber ein zukünftiges Abflauen ist auch hier gut möglich", heißt es in dem Gutachten. Diese liege nicht nur daran, dass die Zuwanderung zurückgehe. Teilweise schrumpfe dort sogar die Zahl der Einwohner wieder, während Mittelstädte wie Konstanz, Fulda, Flensburg oder Speyer stärker wachsen könnten. "Die Jungen bleiben weg, denen ist München und Berlin schlicht zu teuer geworden", sagt Simons. Gleichzeitig erhöhe sich das Angebot an Wohnungen kräftig. Der Experte rechnet deshalb damit, dass "die Kaufpreisübertreibungen von um die 30 Prozent zurückgenommen werden".

Nur: Was würde das für die Mieten bedeuten? Im Gutachten schreiben die Experten von Empirica dazu: Der Wohnungsmarkt nähere sich endlich wieder "einer gleichgewichtigen Entwicklung, sodass der Druck auf die Mieten geringer wird". Deshalb könnten die Mieten für Neuverträge in Städten wie Berlin, München, Stuttgart zukünftig auf dem hohem Niveau zumindest stabil bleiben. Die Frage sei, wie lange es dauert, bis Vermieter von Neubauten wieder Zugeständnisse machten. Mieter müssten wohl weiter um Wohnungen rangeln, "aber vielleicht zieht der Satz: ,Ich habe da noch ein anderes Angebot' hier und da wieder in den deutschen Sprachgebrauch ein", heißt es in dem Gutachten.

Simons Prognose wird jedoch nicht von allen anderen Immobilienweisen geteilt. Wirtschaftsprofessor Lars Feld spricht vorsichtiger von der "Gefahr einer Überhitzung". Und der Auftraggeber des Gutachtens, ZIA-Präsident Andreas Mattner, hat sogar die Sorge, dass solche Äußerungen Investoren eher vertreiben. Er sagt: "Die Party geht weiter."

© SZ vom 21.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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