Günther Fielmann wird 70:Der König der Bebrillten

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Günther Fielmann hat Europas größte Optikerkette aufgebaut. Jetzt wird er 70 und denkt nun auch laut über seine Nachfolge nach - nicht ganz freiwillig.

Meite Thiede

Als Günther Fielmann vor fünf Jahren das Rentenalter erreichte, war sein einziger Sohn Marc gerade ein Teenager. Jetzt wird Fielmann 70, und der 20 Jahre alte Marc studiert an der London School of Economics. Doch das zarte Alter des Filius kann Deutschlands Brillenkönig nicht davon abhalten, ihn gedanklich schon mal als seinen Nachfolger zu positionieren. Das sei sein Traum, und das traue er dem Junior auch zu, verkündete der Unternehmer jetzt. Marc sei intelligent und kommunikativ und kenne im Hause Fielmann ohnehin schon jeden Vorstand. Vor allem aber: Marc interessiere sich für das Optiker-Geschäft.

Eigentlich wollte er Fotograf werden: Günther Fielmann (Foto: Foto: dpa)

Späte Korrektur

Das sind ganz neue Töne aus dem Hause Fielmann - auch wenn es bis zur tatsächlichen Stabübergabe mit Blick auf Marcs Alter wohl noch eine Weile dauern wird. Fragen zu seiner Nachfolge hat der Unternehmer bisher stets weit von sich gewiesen. Es hätte ja auch einen merkwürdigen Eindruck gemacht, wenn er dafür seine Teenager präsentiert hätte: Marc hat noch eine kleine Schwester, Sophie ist jetzt 15 Jahre alt.

Doch in Fielmanns erfolgsgekrönter Unternehmerkarriere wurde diese offene Frage immer mehr zur Schwachstelle. Für Familienfirmen gilt der Übergang von einer Generation zur nächsten stets als heikel und unfallträchtig, und bahnt sich keine Lösung an, wie bisher bei Fielmann, wächst irgendwann die Skepsis. Offenbar setzt Fielmann da jetzt zur späten Korrektur an. Auf die Frage, ob er in seinem Leben alles noch mal genauso machen würde, sagte Fielmann der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nun sogar, er hätte besser schon in jüngeren Jahren einen Sohn zeugen sollen.

Günther Fielmann, der im schleswig-holsteinischen Stafstedt nahe Rendsburg als Sohn eines Lehrers aufgewachsen ist, wollte eigentlich Fotograf werden. Dann aber gab er dem Drängen des Vaters nach und ging bei einem Augenoptiker in die Lehre. 1972 eröffnete er in Cuxhaven sein erstes eigenes Fachgeschäft. Die Branche lebte damals im Schlaraffenland und strich Gewinne von bis zu 300 Prozent ein, doch für die Kunden war das nicht lustig.

Schöne Brillen gab es für Privatkunden, Kassenpatienten bekamen die hässliche "Kassenbrille" auf die Nase gedrückt, die Fielmann bald schon "die Patsche der Diskriminierung" nannte. Er war mit kleineren Gewinnmargen zufrieden, denn er hatte seine Chancen entdeckt, auch den nicht so gut Verdienenden, den Rentnern, Studenten, Sozialhilfeempfängern hübsche Brillen zu kleinen Preisen anzubieten.

Anonyme Schmähbriefe

Damit legte er sich von Anfang an mit seiner Zunft an, die ihm Dumping unterstellte und die immer wieder Prozesse gegen den margendrückenden Neuling anstrengte - stets ohne Erfolg. Im Kampf gegen den rasch entstandenen Marktführer machte die Branche selbst vor anonymen Schmähbriefen und Detektiveinsätzen nicht Halt.

Doch Fielmann expandierte weiter, eröffnete eine Filiale nach der anderen und schloss 1981 einen Vertrag mit der AOK, der den dort Versicherten schicke Brillen zum "Nulltarif", also ohne eigene Zuzahlung, versprach. Die Kunden strömten nun erst recht zu ihm, und die Medien verpassten dem Unternehmer so hübsche Spitznamen wie "Rächer der Bebrillten" oder "Robin Hood".

Der Unternehmensgründer, der am Donnerstag 70 Jahre alt wird, ist nach wie vor der Vorstandschef und fährt auch nach wie vor täglich in seine Firma, die in unscheinbaren Bauten im wenig attraktiven Stadtteil Barmbek residiert. In den Archiven finden sich Beschreibungen, dass der Chef, wenn verärgert, auch schon mal eine Schreibmaschine aus dem Fenster wirft. Inzwischen leugnet Fielmann solche Wutausbrüche auch nicht mehr. Das sei aber Vergangenheit.

Längst hat der öffentlichkeitsscheue Unternehmer sich neben der Firma ein zweites Leben aufgebaut. Ihn interessieren Natur- und Umweltschutz, ökologische Landwirtschaft und vom Aussterben bedrohte Haustiere. Fielmann betreibt vier biologische Höfe und verkauft seine Bio-Produkte unter der Marke "Hof Lütjensee".

1998 übernahm er das Kulturdenkmal Gut Schierensee und züchtet dort das fast ausgestorbene Kärntner Brillenschaf. 2002 kaufte er dem Land Schleswig-Holstein das Schloss Plön ab, auf dem nun Augenoptiker ausgebildet werden. Dorthin lädt Fielmann auch einmal im Jahr Politiker, Wissenschaftler und Manager ein, am beschaulichen Plöner See die Probleme der Welt zu diskutieren - eine Art Mini-Davos in Küstennähe.

Trotz der Hinwendung zur Natur hat Fielmann seine Leidenschaft für schnelle Autos nicht abgelegt. Gleich mehrere Ferraris schmücken seinen Fuhrpark. Für Fototermine lässt sich der Unternehmer aber lieber in Gummistiefeln und umgeben von seinen Brillenschafen ablichten, oder mit Schlips und Kragen in den gediegenen Räumen seiner Anwesen. Familienfotos gibt es praktisch nicht für die Öffentlichkeit.

In der Ehe hat es Fielmann auch nicht lange gehalten: Nach langer Junggesellenzeit hatte er 1988 die 29 Jahre jüngere Studentin Heike Eggert geheiratet, die sich bei ihm eigentlich nur vorgestellt hatte, um im Nebenjob Fotomodell für seine Brillen zu werden. Zwölf Jahre später trennte sich das Paar, die Kinder blieben bei der Mutter. Sollte sich der Traum des Seniors erfüllen, Marc in die Firma zu holen, dürfte es demnächst vielleicht ein paar frische Vater-Sohn-Fotos geben.

© SZ vom 16.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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