Gruner + Jahr-Vorstand Buchholz::"Wir wollen nicht nur sparen"

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Zeitschriftenvorstand Bernd Buchholz über den Stellenabbau bei Gruner + Jahr, die Konzentration der Wirtschaftsredaktionen und die Zukunft des Lifestyle-Journalismus.

Christopher Keil

Das Hamburger Verlagshaus Gruner+Jahr ist auf einem drastischen Sparkurs. Konzernchef Bernd Kundrun hatte vor einigen Wochen eine Kürzung der Spesen und Reisekosten um 20 Prozent angekündigt. An diesem Mittwoch wurde die Einstellung des 2005 gestarteten Magazins Park Avenue bekannt. Zudem werden die Wirtschaftstitel Capital, Börse Online und Impulse von Köln und München nach Hamburg ziehen. Dort soll eine neue Zentralredaktion mit 250 Mitarbeitern die drei Titel, die Financial Times Deutschland sowie einen gemeinsamen Internetauftritt produzieren. Mindestens 60 Stellen sollen eingespart werde. Allen 110 Redaktionsmitgliedern in Köln und München wird betriebsbedingt gekündigt, sie sollen sich in Hamburg wieder bewerben. Hintergrund ist der drastische Rückgang der Werbeeinnahmen, auch andere Medienunternehmen leiden darunter Bernd Buchholz, 47, ist als G+J-Vorstandsmitglied seit 2004 für die Print- und Online-Marken des Verlages in Deutschland verantwortlich. Der Jurist war Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtags und Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, bevor er 1996 zu G+J ging. Im Jahr 2000 übernahm er als Verlagsgeschäftsführer die Stern/Geo-Gruppe.

Gruner + Jahr lässt vier Wirtschaftstitel künftig von einer Großredaktion produzieren. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Buchholz, warum musste Park Avenue eingestellt werden? Das Magazin war in seinen letzten Monaten verbessert. Kann man in Deutschland keinen anspruchsvollen Lifestyle-Journalismus mehr finanzieren?

Bernd Buchholz: Stimmt, wir haben mit Park Avenue zuletzt ein super Blatt gemacht, wir sind zitiert worden, es war ein publizistisch tolles Magazin aus dem Hause Gruner+Jahr.

SZ: Was in den Ohren der Entlassenen zynisch klingen wird.

Buchholz: Ich stand vor der Redaktion und habe gesagt: Ich kann euch das Thema nur schwer erklären, denn ihr macht wirklich gute journalistische Arbeit. Aber die verlegerische Aufgabe heißt: Wir müssen diese Form von Journalismus finanzierbar machen. Wir brauchen eine langfristige Perspektive, im Leser- und im Anzeigenmarkt. Die haben wir, verstärkt durch die aktuelle Wirtschaftskrise, bei Park Avenue nicht mehr darstellen können.

SZ: Also ist das Segment tot?

Buchholz: Das Segment des Premiummarktes halte ich nach wie vor für attraktiv, und ich schließe auch überhaupt nicht aus, dass wir, eine Verbesserung der Rahmenbedingungen vorausgesetzt, im nächsten Jahr daran arbeiten werden, dieses Segment wieder zu besetzen. Beauty und Fashion sind da wichtige affine Umfelder, die hat Park Avenue aus unterschiedlichen konzeptionellen Gründen nicht von Anfang an bespielt.

SZ: Ist Vanity Fair der Gewinner? Park Avenue entstand ja als Konkurrenz zu dem Condé-Nast-Blatt.

Buchholz: Da soll sich jeder sein eigenes Urteil bilden. Ich bin jedenfalls stolz auf das, was das Team geleistet hat.

SZ: Im März 2009 soll eine Großredaktion mit 250 Mitarbeitern die Wirtschaftsmedien des Hauses bedienen, also Financial Times Deutschland, Capital, Impulse und Börse Online. Verbunden ist die Konzentration mit massiven Kürzungen, 60 Stellen werden abgebaut, vielleicht noch mehr. Vorher legten schon Springer und die WAZ-Gruppe Redaktionen zusammen. Ist das der Dominoeffekt?

Buchholz: Springer war kein Vorbild und Mantelkonzepte bei Tageszeitungen wie das von der WAZ sind etwas anderes, als aus einer Redaktion Magazine, Online-Angebote und Tageszeitungen gemeinsam zu gestalten. Was wir hier tun, hat also einen anderen Ansatz, der, völlig klar, in erster Linie einer wirtschaftlichen Drucksituation geschuldet ist.

SZ: Wie wollen Sie denn die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer unterschiedlichen Medien so aus einer großen Gesamtredaktion befriedigen, dass die Titel ihre Identität behalten und somit die Vielfalt erhalten bleibt?

Buchholz: Die Identität soll und wird bleiben, deshalb haben wir ja ein Chefredakteurs-Kollegium, das vom Chefredakteur der Financial Times Deutschland, Steffen Klusmann, geleitet wird. Die Chefredakteure werden ihre eigenen Marken weiterführen, und die Marken werden ihre bisherigen Zielgruppen ansprechen. Dennoch ist es ja denkbar, dass künftig ein Journalist - und nicht mehr mehrere - als Experte für ein Thema eine Meldung für die Zeitung und ein großes Stück für ein Magazin verfassen kann.

SZ: Vorher haben das zwei Experten gemacht. Das nennt man Vielfalt.

Buchholz: Stimmt genau, aber man muss sich Vielfalt in dieser Form auch leisten können. Das ist schlicht nicht mehr der Fall. Unter den 250 künftigen Gruner+Jahr-Wirtschaftsredakteuren werden sich ja alle Arten von Journalisten befinden, die sich mit Wirtschaft bestens auskennen und die unterschiedlichen Medien auf hohem Niveau bedienen können.

SZ: Qualitätserhalt durch Stellenabbau bei gleichzeitiger Konzentration ist ein Controller-Modell, das sich erst noch beweisen muss.

Buchholz: Stimmt nicht, das ist keine Controller-Lösung, das ist eine Lösung von Journalisten. Gebaut hat das Modell im Wesentlichen Steffen Klusmann. Da lass ich jetzt auch nicht die Expertise unserer Chefredakteure von anderen Journalisten infrage stellen. Wir sagen: Jawohl, wir kriegen das Modell mit Erhalt von Qualität hin. Wir haben eine Menge guter Leute, und wir brauchen weitere gute Leute.

SZ: Wie hoch ist das Einsparpotential der Kürzungen, Streichungen und der Bündelung, also der Auflösung von Betriebsstandorten in München ( Börse online) und Köln ( Impulse, Capital)?

Buchholz: Es ist ein signifikanter siebenstelliger Betrag. Wir wollen ja nicht nur sparen, sondern eine Entwicklungsperspektive schaffen für die Wirtschaftsmedien. Die Alternative wäre vielleicht gewesen, einen Titel einzustellen oder einen anderen zu verkaufen. Da ist dieser Weg deutlich besser. Und ich glaube daran, dass man mit Wirtschaftsinformationen Qualität liefern und dabei Geld verdienen kann.

SZ: Übersteht Gruner + Jahr mit diesem Einschnitt die heranziehende Medienkrise?

Buchholz: Ich glaube ja, aber ich bin kein Prophet. Aktuell ist jedenfalls keine andere Maßnahme erforderlich. Klar ist, dass viele Titel, die in den vergangenen Wochen in fiktiven Streichlisten auftauchten, gesund sind. Also zum Beispiel View, Emotion, National Geographic oder Healthy Living. Die machen entweder ordentliche Gewinne oder sind in der Investitionsphase auf einem guten Weg nach oben.

© SZ vom 21.11.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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