Großer Aufwand:Die Zweifel der Versicherer

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Hohe Kosten, kleine Summen und Garantien verursachen Probleme, doch die Versicherer machen weiter.

Von Herbert Fromme, Köln

Nicht nur Verbraucherschützer und Politiker kritisieren die Riester-Rente. Inzwischen sind auch viele Versicherer unzufrieden. Das liegt an dem hohen Aufwand und den rigiden Regeln. Viele Gesellschaften haben mittlerweile mehr oder weniger offen ihrem Vertrieb mitgeteilt, möglichst wenig Riester-Verträge zu verkaufen.

Nur wenige sagen das auch öffentlich. Eine Ausnahme ist der große Lebensversicherer Swiss Life, früher die Schweizerische Rentenanstalt. Schon Ende 2014 stellte das Unternehmen den Vertrieb der eigenen Riester-Verträge ein. Die Verkäufer bieten seither Policen des Rivalen Hannoversche Leben an. Ähnlich die Schweizer Anbieter Basler und Helvetia.

Dass die Assekuranzen noch mitmachen, hat politische Gründe

Andere Versicherer äußern sich nur hinter vorgehaltener Hand. Das System hatte von Anfang an schwere Geburtsfehler, vor allem den komplexen Zulagenprozess. Zwar liegt die Kostenbelastung der Verträge bei stolzen zehn bis 15 Prozent - aber die echten Kosten für die Riester-Policen sind oft noch höher.

Da sind einmal die niedrigen Beitragssummen der meisten Verträge. Neben suboptimalen IT-Systemen bei vielen Versicherern sind sie verantwortlich für die Kosten. Fünf Euro monatliche Verwaltungskosten für einen Vertrag erscheinen nicht viel. Aber wenn der Beitrag nur zehn Euro beträgt, wird es schwierig.

Die Kosten stammen auch aus dem hohen Aufwand bei der Zulagenverwaltung. Denn der Staat zahlt nur dann die volle Zulage, wenn der Kunde exakt sein Jahreseinkommen des Vorjahres gemeldet hat und mindestens vier Prozent davon für die Riester-Rente einzahlt. Andernfalls wird die Zulage gekürzt. Für diesen bürokratischen Monsterprozess brauchen die Versicherer Spezialisten, die sich nur bei einer hohen Stückzahl lohnen. Die haben die meisten Anbieter aber nicht, deshalb lassen sie das Neugeschäft lieber einschlafen.

Das alles wirkt in der gegenwärtigen Phase von Niedrigzinsen besonders belastend. Laut Gesetz müssen die Lebensversicherer ihren Riester-Kunden den Kapitalerhalt garantieren. Wenn der Vertrag aus der Anspar- in die Rentenzahlungsphase übergeht, muss mindestens so viel Geld im Topf sein, wie der Kunde eingezahlt hat.

Allerdings verzinsen sich von dem Guthaben des Kunden nur die Summen, die nicht für die Kosten draufgehen, der so genannte Sparanteil. Zu Beginn des Sparprozesses klafft also eine Lücke zwischen Kapitalerhalt und vorhandenem Guthaben. Um sie in Zeiten der Niedrigzinsen zu schließen, müssen die meisten Versicherer mit den heute möglichen Höchstsätzen für Zinsgarantien mehr als 20 Jahre einrechnen, ehe der Vertrag zumindest den Kapitalerhalt geschafft hat. Dann hat der Kunde noch keinen Cent Rendite gesehen. Das heißt: Für Kunden über 40 oder 45 Jahre können diese Anbieter überhaupt keine Riester-Verträge mehr anbieten.

Dazu kommt das seit Anfang 2016 geltende Aufsichtsrecht Solvency II. Es sorgt dafür, dass die Versicherer Riester-Verträge mit viel Kapital unterlegen müssen, weil die Kunden eine Garantie haben und jederzeit unter Mitnahme des gesamten Topfes den Anbieter wechseln können.

Dass dennoch so wenige Versicherer öffentlich Riester ade sagen, hat politische Gründe. Wenn die Branche die geförderten Angebote nicht mehr bedient, schießt sie sich selbst aus der politischen Diskussion über die Zukunft der Altersvorsorge, befürchten viele.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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