Große Image-Kampagne:Eine echte Rewelution

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Beim Rewe-Konzern vollzieht sich gerade eine Kulturrevolution. Kommenden Montag werden über Nacht 3000 MiniMal-, HL-, Toom- und Stüssgen-Filialen in Rewe umbenannt.

Klaus Wieking

Monate lang hat sich die Rewe auf die gern als "Big Bang" bezeichnete Kampagne vorbereitet. Die Bombe indes ging früher hoch: Am 1. September entließ der Aufsichtsrat des Handels- und Touristikkonzerns (Umsatz 2005: 41,7 Milliarden Euro) den erst 15 Monate amtierenden Vorstandsvorsitzenden Achim Egner und bestellte den Franzosen Alain Caparros zu seinem Nachfolger.

Rewe startet eine große Image-Kampagne und benennt gleichzeitig 3000 MiniMal-, HL-, Toom- und Stüssgen-Filialen in Rewe um. (Foto: Quelle: W&V)

Machtkämpfe gehören zur Unternehmenskultur

Mit Egner ging der sechste Rewe-Chef innerhalb von knapp zwei Jahren. Vorausgegangen war ein interner Machtkampf, der seit dem Abgang des fast drei Jahrzehnte amtierenden Ex-Rewe-Chefs Hans Reischl offenbar zur Unternehmenskultur der Firmengruppe gehört. Der Machtwechsel wirft einen Schatten auf die kommende Woche startende Image-Kampagne, wird sie aber, allein schon wegen ihrer Media-Wucht, nicht verdunkeln können.

Gleichsam über Nacht werden ab kommenden Montag Supermarkt-Ketten wie MiniMal, HL, Toom oder Stüssgen unter dem frisch relaunchten Label der Rewe firmieren. Gewiss wird erst dann mancher Kunde realisieren, dass "sein" MiniMal oder "sein" HL zur großen Rewe-Familie gehört.Rund 3000 Supermärkte werden auf einen Schlag unter die Dachmarke Rewe gesteckt. Sollte die Branding-Aktion - wie von Marketingdirektor Manfred Mandel geplant - klappen, wäre das eine logistische Meisterleistung.

Am Montag erscheinen die neuen Logos

Monatelang wurde sie von einem Team unter Bereichsleiter Patrick Bacher vorbereitet: "Heimlich" hatten dessen Helfer das Corporate Design von MiniMal, HL oder Petz entfernt, durch das neue Rewe-Branding ersetzt und dies wiederum mit Folien der alten Markenwelten überklebt. Kommenden Montag müssen die Supermarktbetreiber jetzt nur noch die Folien abziehen und schon leuchten von Flensburg bis Garmisch die Märkte im neuen Rewe-Rot.

Die Unternehmensgruppe aus Köln beschränkt ihren Erneuerungswillen aber keineswegs nur auf den PoS. Mit einer gigantischen Werbekampagne lässt Rewe die gesamte Repubik erröten. Ob Presse, Funk, Fernsehen, Riesenposter, Handzettel, Guerilla-Aktionen oder Deckenhänger - von überall schallt dem Verbraucher der neue Claim "Guten Morgen Deutschland, die neue Rewe ist da" entgegen.

Zum Start werden nicht nur DIN-A3-Handzettel an zwölf Millionen Haushalte verteilt, auch die Seite eins der Bild--Zeitung wird zu einem Viertel mit einer Rewe-Anzeige bedeckt sein, was in der Historie des Boulevardblatts eine Premiere bedeutet. "Davon mussten wir sogar den Springer-Vorstand überzeugen", berichtet Mandel.Spektakulär auch eine Anzeige in der kommenden Ausgabe der Bild am Sonntag: Geformt aus den Namen der 60.000 Rewe-Angestellten prangt das Wort "Danke" auf einer Doppelseite.

In Wochenendschichten wurde der neue Auftritt erarbeitet

Entworfen wurde das neue Markenbild von der Agentur Gramm. In Nacht- und Wochenendschichten habe man den Auftritt erarbeitet, berichtet François Hartz, Geschäftsführer Beratung der Düsseldorfer Agentur: "Mit der Rewe zusammen zu arbeiten heißt, rund um die Uhr verfügbar zu sein und blitzschnell Lösungen zu produzieren. In dieser Schärfe habe ich das bisher noch nicht erlebt." Bis zu 30 Mitarbeiter haben unter Kreativ-Chef Uwe Köbbel an dem Auftritt gewerkelt.

Das Ergebnis bedeutet für die Rewe, unter den Lebensmittelhändlern in Europa die Nummer drei, eine Kulturrevolution. Eine richtige Struktur im Marketing hat es vor Antritt von Marketingdirektor Mandel, der 2004 von der Metro Group zur Rewe wechselte, in dem riesigen, verschachtelten Konzern nicht gegeben. Geworben wurde vorzugsweise mit Handzetteln und Schweinebauch-Anzeigen. An Retail Branding, der Profilierung der Marke Rewe, wurde kaum ein Gedanke verschwendet.

Unter Reischl kaufte Rewe ständig neue Unternehmensmarken

In der Ära des legendären Vorstandschefs Reischl kaufte die Rewe stattdessen ständig neue Unternehmensmarken zu, die innerhalb der riesigen Organisation ihr Eigenleben fortführten. Ihren größten Coup landete die genossenschaftlich organisierte Rewe Ende der achtziger Jahre mit der vollständigen Übernahme des Filialunternehmens Leibbrand, zu dem die Vertriebsketten HL, MiniMal, Toom und Penny gehörten.

Doch statt die Filialbetriebe und die von selbstständigen Kaufleute geführten Rewe-Läden unter einer Marke zu bündeln und die Strukturen zu verschmelzen, blieben die Bereiche getrennt - mit eigener Logistik, eigenem Vertriebs-, Rechnungs- und Personalwesen.

Nach Reischls ruhmlosen Abgang und den Regentschaften wechselnder Rewe-Chefs begann Achim Egner 2005 das Konglomerat aus hunderten von Gesellschaften zu entflechten. Mittelfristig soll die Rewe-Rendite von rund 1,5 Prozent verdoppelt werden, um irgendwann zu Größen wie Wal-Mart und Tesco aufschließen zu können, die renditemäßig als Benchmarks gelten.

Markentechnisch bedeutet das Effizienz-Programm die Implementierung einer neuen Unternehmensidentität ("Rewe Group") und die Zusammenfassung der Lebensmittelsparte unter der Marke Rewe, die dem Publikum jetzt in Megaphonstärke verkündet wird. Nach der Announcement-Phase wird die Rewe-Kampagne die Tonlage wechseln und verstärkt Markenwerte kommunizieren. Dazu hat Gramm zwei TV-Spots produziert (Regie: Nicolai Karo; Produktion: Laterna Magica, Frankfurt/Düsseldorf).

Keine Preissenkung

Unter dem Claim "Jeden Tag ein bisschen besser. Rewe." wollen die Kölner in Abgrenzung zum Discount ihre Vorzüge als Vollsortimenter herausstellen. "Wir wollen mit Kompetenz und Qualität das Vertrauen der Kunden gewinnen", so Mandel. Bezeichnender Weise wird die Kampagne durch keine Preissenkungsaktion begleitet.

Gramm hat für das Markenversprechen eine überzeugende Übersetzung gefunden, das in Rot gehaltene Design wirkt modern, die Bildmotive sind sorgfältig ausgesucht, die Copies oft witzig, dabei informativ. Das Qualitätsversprechen muss allerdings in jedem der neu gestalteten Outlets gelebt werden. Gerade daran scheitern kompliziert organisierte und verschachtelte Unternehmen wie Rewe oft.

Die Durchsetzung der Kampagne könnte schwierig werden

Während Discounter wie Aldi und Lidl ihre schlank aufgestellten, durchformatierten Filialbetriebe zentral steuern, müssen sich Vollsortimenter wie Rewe und Edeka mit selbstständigen Kaufleuten und Regionalleitern herumschlagen. Jede Markenkampagne bekommt Risse, sobald die Marktleiter die schönen neuen Werbematerialien nicht aufstellen, sondern in die Altpapiertonne treten.

Manfred Mandel zeigt sich jedoch zum "Durchregieren" entschlossen: "Das gesamte Kommunikationskonzept ist mit den Kaufleuten abgestimmt. Wir haben hier Durchgriff." Muss er auch, sonst könnte der Big Bang nach hinten losgehen.

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