Globalisierung:Schöne, neue Bananenrepublik

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Europas Kunden verlangen nicht mehr nur normgebogene und billige Ware, sondern auch einen Einkauf mit gutem Gewissen. Der Bananenkonzern Chiquita will endlich von seiner dunklen Vergangenheit loskommen - und bemüht um ein grünes Image.

Sebastian Schoepp, Sarapiquí

In der Nacht ist ein dichter Regen heruntergegangen über Sarapiquí, und die Luft ist noch feucht, als Mauricio Salas frühmorgens aufbricht. Der Biologe zertifiziert Bananenplantagen in Costa Rica und anderen lateinamerikanischen Ländern. Damit hat er gut zu tun, seit europäische Supermarktkunden nicht mehr nur normgebogene und billige Ware verlangen, sondern auch mit gutem Gewissen einkaufen wollen. Die Bananen, die Ananas, der Kaffee sollen umweltschonend und zu fairen Löhnen erzeugt werden.

Chiquita: Um ein neues Image bemüht (Foto: Foto: dpa)

Dafür gibt es Menschen wie Mauricio Salas. Sie untersuchen Abwasserkanäle, inspizieren Arbeiterbaracken, checken Pestizid-Listen. Salas arbeitet für "Rainforest Alliance", einen US-Umweltverband, der Kriterien aufgestellt hat, die erfüllt sein müssen, damit die Ware das Siegel mit einem blauen Frosch erhält. Das soll zumindest einen Mindeststandard garantieren.

Ein Kunde der Rainforest Alliance ist Chiquita, der bekannteste Bananenkonzern der Welt. Er ist aus der United Fruit Company hervorgegangen, und diese installierte und stürzte nach Belieben Regierungen in Mittelamerika und scherte sich nicht um den Schutz der Arbeiter oder der Umwelt. Das Treiben des Konzerns begründete dann auch den Begriff "Bananenrepublik". Noch 2007 wurde Chiquita von einem US-Gericht zu einer Strafe in Millionenhöhe verurteilt, weil das Unternehmen in Kolumbien Schutzgeld an Paramilitärs bezahlt hatte.

Chiquita hat also ein Imageproblem, und einer wie Mauricio Salas soll dabei helfen, dies zu ändern. Der 33-Jährige sagt, er habe kein Problem damit, dass die Konzerne für die Zertifizierung der Ware bezahlten. Es gebe ja den Kriterienkatalog. "Sind die Kriterien nicht erfüllt, gibt es kein Siegel, Bezahlung hin oder her." Kommt das oft vor? "Es kommt vor."

Die Chiquita-Plantage von Sarapiquí liegt in einer sumpfigen Tiefebene nahe der Karibikküste. Bananenpflanzen bis zum Horizont, die Früchte sind für das Land das wichtigste Exportgut und die zweitwichtigste Einnahmequelle nach dem Tourismus. Es ist heiß und feucht in der Plantage, in der man die Arbeiter vor lauter grünen Blättern kaum sehen kann. Sie pflanzen neue Stauden oder klettern auf Leitern zu den Kronen hoch, um ihnen blaue Säcke überzustülpen. Diese sind mit Cloropyriphos getränkt, ein Mittel, das verhindern soll, dass Insekten schwarze Flecken auf der Frucht hinterlassen. Doch das Pestizid kann bei Menschen auch Koliken, Durchfälle, Erbrechen und Sehstörungen auslösen.

Mächtiger als Regierungen

Einer der Arbeiter trägt zwar ein Hemd und Handschuhe, aber keine Maske. Er steigt von der Leiter herab und stellt sich als Miguel vor. "Wer wäscht deine Sachen, Miguel?", fragt Mauricio Salas. "Ich gebe sie abends im Duschraum ab", sagt der Arbeiter, "dort kommen sie in die Maschine." Für den Zertifizierer ist das die richtige Antwort. "Es ist wichtig, dass die Arbeiter die Kleidung nicht mit nach Hause nehmen", sagt Salas, "und sie nicht von den Frauen gewaschen wird, dadurch kämen sie mit dem Gift in Berührung." Salas fragt Miguel noch nach der Gesundheitsprüfung, und als dieser sagt, "Blutwerte in Ordnung", geht es weiter durchs grüne Dickicht.

Erst seit kurzem dürfen auf der Plantage auch andere Pflanzen als Bananen wachsen. Oreja de Ratón etwa wird ausgesät, ein Unkraut, das andere Unkräuter verdrängt, der Banane aber keine Konkurrenz macht. Das gefällt den Zertifizierern, denn es stoppt die Erosion und erspart den Einsatz von Herbiziden. In einem Kanal am Rande der Plantage jagt ein Vogel Fische. Auch sauberes Wasser ist ein Pluspunkt bei der Prüfung.

Bei der Ernte werden die Stauden der Reihe nach an den "Zug" gehängt, ein Drahtseil, das durch die ganze Plantage läuft. Ein Arbeiter schiebt die aufgehängten Fruchtbündel an, er schwitzt und keucht. Mauricio Salas zählt sie: 25. Mehr sollen es nicht sein, dann würde das Schieben zu beschwerlich.

In der Packstation gibt es dann etwas zu kritisieren. Eine Arbeiterin steht zu nah an einem Kanister mit Fungiziden, mit denen die Bananen vor der Verschiffung gegen Fäulnis behandelt werden. Die Arbeiter haben nicht viel Zeit zum Reden mit Salas, sie werden nach bearbeiteter Fläche bezahlt. Einer von ihnen heißt Reynaldo, er pflanzt Stämme. Auf die Frage, was er für seine schwere Arbeit bekommt, lacht er: "Das ist die leichte Arbeit. Das Ernten, das ist die schwere." Mit 31 Jahren wird er nun zu alt dafür, die Stauden mit bis zu 150 Früchten auf der Schulter zum "Zug" zu schleppen. 10000 Colones, ungefähr 20 Dollar, verdient er am Tag, das ist für Mittelamerika ein ordentliches Einkommen. Seine Frau arbeitet als Packerin, ebenfalls bei Chiquita.

Früher zahlte die 1899 gegründete United Fruit Company Hungerlöhne, Gesundheitsfürsorge und Gewerkschaften gab es nicht, und Regierungen betrachtete sie nur als Werkzeug. Als in Guatemala 1954 Präsident Jacobo Arbenz eine Landreform ankündigte, ließ der Konzern in den Nachbarländern eine Invasionsarmee ausbilden, die Arbenz aus dem Amt putschte. Als die CIA 1961 Exilkubaner ausrüstete, um Fidel Castro zu stürzen, half sie mit Bananendampfern als Truppentransporter. Dann aber ging es mit dem Konzern bergab. Erst zerschlug ein US-Gericht das Monopol, dann kam heraus, dass er

in Honduras Regierungsvertreter geschmiert hatte. Die Aktien brachen ein. 1990 gab man sich den Namen "Chiquita Brands International". Alles sollte anders werden. Man beschloss einen Verhaltenskodex und holte Zertifizierer.

"Wir sind uns der schwarzen Geschichte des Unternehmens bewusst", sagt der für Lateinamerika zuständige Manager Jorge Solergibert. "Wir sind nicht mehr so, aber die Leute sehen uns weiter so." Er sitzt in seinem Büro in San José, von der Armuts-Welt der kleinen Hauptstadt Costa Ricas ist die Chiquita-Konzernzentrale abgeschirmt durch Wachdienst und Schnellstraße. "Es gibt bei uns keine Kinderarbeit", sagt er, "wir setzen nur zugelassene Chemikalien ein, jeder unserer Arbeiter verdient mehr als den Mindestlohn." Das koste viel Geld, zahle sich aber aus. Die Chemiekosten seien gesunken durch die Zertifizierung, die Arbeiter gesünder und leistungsfähiger, die Käufer zufriedener. Gewerkschaftsarbeit sei erlaubt. Natürlich sei die Arbeit immer noch hart, aber kein Vergleich zu früher.

Ramón Barrantes ist anderer Meinung. Der Bananengewerkschaftler logiert in einem Betonblock im Zentrum der Hauptstadt. Es habe sich nichts geändert auf den Plantagen, die Arbeitsbedingungen seien unmenschlich, die Umwelt sei verseucht, Gewerkschaftsarbeit werde behindert. "Und diese ganzen Zertifizierungen sind nichts anderes als ein Vollwaschgang fürs Firmenimage", sagt er. Was man erwarte, wenn sich Organisationen wie Rainforest Alliance für ihre Dienste von den Konzernen entlohnen ließen? "Wer die Musik zahlt, bestimmt, was getanzt wird." Wenn die Zertifizierer kämen, würden die Arbeiter "ausstaffiert wie Astronauten". Das alles sei ein großes Geschäft, auch für die Zertifizierer.

"Ich wünschte, es wäre so", sagt Chris Wille, Mitbegründer von Rainforest und einer der Chefs in Costa Rica. 2007 habe die Organisation 21 Millionen Dollar eingenommen. Ein Drittel davon stammt aus der Zertifizierung, der Rest aus Spenden und einer Stiftung. Rainforest ist in 61 Ländern tätig und hat 228 Angestellte, dazu Hunderte freie Auditoren wie Mauricio Salas. Wille erzählt, wie er Anfang der neunziger Jahre aus New York nach Costa Rica kam. In jahrelanger Arbeit habe man die Konzerne überzeugt, dass es ihnen nütze, wenn sie Standards einhielten. Die Abholzung von Wald für Plantagen etwa sei gestoppt. Um seine Unabhängigkeit macht er sich keine Sorgen. "Die Kunden wissen, dass wir es ernst meinen."

Doch Wille stellt auch etwas anderes klar. Wie in Costa Rica Früchte angebaut würden, bestimme letztlich der Markt. Was Aldi zum Beispiel bezahlt, gilt in Deutschland für die meisten Supermarktketten als Maßstab. "Das Rennen nach unten ist offen." Was ein Arbeiter in Mittelamerika verdient, bestimmten somit die Supermärkte. Und ökologischer Landbau sei in Costa Rica nicht möglich, wegen des feuchtheißen Klimas, in dem die Schwarze Sigatoka gedeiht, ein Pilz, der die Wärme liebt.

Die Lösung liegt vielleicht in Guapiles, unweit der Plantage von Sarapiquí. Dort, im Versuchsgut der Bananen-Erzeugergemeinschaft Corbana, forschen Biologen, Chemiker, Ingenieure, wie man die Schwarze Sigatoka und andere Bananenseuchen ohne großen Chemieeinsatz und trotzdem billig bekämpfen kann. In den Baracken stehen Zentrifugen, Brutkästen, Kühlgeräte, Mikroskope. Auf Reisbetten wachsen Pilzkulturen heran. Das Team hat ein Ziel: 50 Prozent weniger Chemie-Einsatz in zehn Jahren.

Auf dem Freigelände in Guapiles gibt es ein Versuchsgut, wo mehr als hundert Sorten Bananen wachsen: Der Agraringenieur Henry Valle Ruíz zeigt auf kleine, große, dicke, dünne, rote, gelbe und grüne Bananen. Manche muss man kochen, andere schmecken nach Apfel, manche haben Kerne, manche taugen nur als Zierpflanzen. "Ihr Europäer müsst eure Essgewohnheiten ändern", sagt er, es gebe so viele schmackhafte Bananen, aber gehandelt werde nur die Cavendish-Sorte, weil sie gut aussehe. Dabei sei die nicht nur hochempfindlich gegen Schädlinge, sagt Valle Ruíz, "sie schmeckt doch auch noch furchtbar fade."

© SZ vom 21.07.2008/lala - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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