Gewerkschaften:Ziel verfehlt

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Werbung in Los Angeles: T-Mobile überzeugt Kunden und verärgert Gewerkschaften. (Foto: Patrick T. Fallon/Bloomberg)

Die Arbeitnehmervertreter haben in den USA immer weniger Einfluss. Deshalb hoffen sie auf Unterstützung von ausländischen Betrieben wie T-Mobile und Siemens - meistens aber vergebens. Statt Hilfe kommt Konkurrenz.

Von Caspar Dohmen, Washington

Unzufriedene Arbeiter beeinflussen maßgeblich das politische Geschehen in den USA, nicht nur, weil viele Präsident Donald Trump unterstützen. Vielerorts kämpft ein breites Bündnis mit der Kampagne "Fight for 15" für einen höheren gesetzlichen Mindestlohn von 15 Dollar, derzeit 7,25 Dollar. An vorderster Front sind Gewerkschafter dabei, die in Betrieben massiv an Einfluss eingebüßt haben; der gewerkschaftliche Organisationsgrad in der Privatwirtschaft beträgt gerade noch 6,4 Prozent, ein Drittel von 1979. Große Hoffnungen hegen Gewerkschaften deshalb, wenn Konzerne aus Ländern mit einer gewerkschaftsfreundlichen Kultur in den USA Fuß fassen, so wie bei den deutschen Schwergewichten VW, Siemens oder Deutsche Telekom. Als letztere 2001 die US-Mobilfunk-Firma Voicestream übernahm und in T-Mobile US umbenannte, sah die Gewerkschaft Communications Workers of America (CWA) eine Chance, endlich im Unternehmen Fuß zu fassen.

94 Prozent der Mitarbeiter seien "stolz", für die Firma zu arbeiten, heißt es bei Telekom

"Unsere Hoffnung hat sich nicht erfüllt", sagt CWA-Chef Chris Shelton, es gebe bis heute doppelte Standards diesseits und jenseits des Atlantiks. "In Deutschland pflegt man den sozialen Dialog, in den USA gibt es wirklich im wahrsten Sinne des Wortes Klassenkampf", bedauert auch Telekom-Konzernbetriebsratschef Josef Bednarski. Seit Jahren gibt es Vorwürfe unabhängiger Organisationen, T-Mobile US behindere Gewerkschaftsaktivitäten. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch beschrieb Fälle von Mitarbeitern, die von Sicherheitsleuten erfasst wurden, weil sie auf der Straße von Gewerkschaftern Flugblätter annahmen oder von Managern, die Belegschaften mit der Schließung des Standorts drohten, wenn sie sich gewerkschaftlich organisierten.

Gewerkschaftsfeindliches Verhalten von Unternehmen ist in den USA weit verbreitet. In Relation zur Mitarbeiterzahl gab es gegen T-Mobile US seit 2009 mehr Klagen wegen Arbeitsrechtsverstößen als beispielsweise gegen Amazon oder Walmart. Im April stufte die US-Arbeitsbehörde National Labor Relations Bord die von T-Mobil geschaffene Organisation T-Voice sogar als "gelbe Gewerkschaft" ein. Darunter versteht man von Unternehmen selbst gegründete oder kontrollierte Arbeitnehmervertretungen, die in den USA verboten sind. Richterin Sharon Levinson Steckler forderte deren unverzügliche Auflösung. Per Twitter reagierte T-Mobile-Chef John Legere: "Das sei aberwitzig", und fügte hinzu: "Lang lebe T-Voice". Mittlerweile hat das Unternehmen Widerspruch eingelegt. T-Mobile wollte sich dazu nicht näher äußern, beim Mutterkonzern Telekom heißt es: T-Voice sei gar keine Gewerkschaft, sondern eine "Sammelstelle für rein kundenbezogenes Feedback"; die dort engagierten Mitarbeiter "vertreten nicht die Interessen anderer Kolleginnen und Kolleginnen in Personalangelegenheiten - das war so auch nie beabsichtigt". Aber selbstverständlich respektiere man die Gerichtsentscheidung.

Das Gericht in Wichita im US-Bundesstaat Kansas war nach sechs Verhandlungstagen zu einem anderen Schluss gekommen. Manager hatten demnach T-Voice als einen "weiteren großen Schritt" präsentiert, mit denen Beschäftigten Gehör verschafft werde, was mehr nach Gewerkschaft als nach Kundenorganisation klingt. Ziele, Aufbau und Mitglieder von T-Voice habe das Management bestimmt. Zudem habe T-Mobile Mitarbeiter aufgefordert, ihren Kummer kundzutun und damit Beschäftigten implizit versprochen, ihre Problem zu lösen. Was diese davon abgehalten habe, sich an einen unabhängigen Verband zu wenden, heißt es in der 45-seitigen Urteilsbegründung.

Mit dem Thema der betrieblichen Mitbestimmung gehen deutsche Unternehmen in den USA unterschiedlich um: Hoch her geht es beim VW-Konzern, der ursprünglich Plänen für eine Arbeitnehmervertretung im Werk Chattanooga aufgeschlossen gegenüberstand. Nach erheblichem Gegenwind, insbesondere der lokalen Politik, hatte die Automobilgewerkschaft UAW die Abstimmung in dem Werk verloren, später votierten die Mitarbeiter einer technischen Einheit mehrheitlich für die Gewerkschaft, was VW jedoch nicht anerkannte und klagte. Allerdings ist aus Gewerkschaftskreisen zu hören, es könnte bald einen weiteren Anlauf geben.

Siemens hatte Ende 2016 einer Neutralitätsvereinbarung zugestimmt, was es den Gewerkschaften wesentlich erleichtert, in einem Unternehmen Fuß zu fassen, weil es nicht mit Gegenmaßnahmen des Unternehmens konfrontiert ist. Ein solches Neutralitätsabkommen wünscht sich die CWA auch für T-Mobile US, wo sie allerdings nicht in Sicht ist. Was da helfen könnte, zeigt ein Blick zu AT&T, dem führenden US-Telekommunikationskonzern. Hier ist der größte Teil der Belegschaft gewerkschaftlich organisiert ist. Nur wenn die Hälfte der Belegschaft einer Unternehmenseinheit für eine Gewerkschaft votiert, wird diese als Tarifpartner anerkannt. Gerade zwei Mal ist dies der CWA bei T-Mobile gelungen, und dies auch nur in sehr kleinen Einheiten ̶ 16 Jahre nach der Übernahme durch die Telekom vertritt sie gerade einmal 30 der 50 000 Beschäftigten von T-Mobile. Das liege, so die Telekom, auch an der hohen Zufriedenheit der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber, 94 Prozent seien laut einer Befragung "stolz", für die Firma zu arbeiten. Die Gewerkschaft CWA widerspricht - die Mitarbeiter hätten Angst, ihre Meinung zu sagen. Weiter verschlechtern könnte sich die Lage, sollte die Telekom den Konkurrenten Sprint übernehmen, bei dem es eine sehr gewerkschaftsfeindliche Kultur gibt.

Die Telekom ist mit der US-Tochter derzeit sehr zufrieden: T-Mobile US steigerte den Nettogewinn im zweiten Quartal um 160 Prozent auf 581 Millionen Dollar. Der Umsatz erhöhte sich um zehn Prozent auf 10,2 Milliarden. Bei einem Treffen haben Telekom-Chef Timotheus Höttges und John Legere vor Kurzem auch über das Arbeitnehmerthema gesprochen, laut Telekom aber keine Notwendigkeit gesehen, etwas zu ändern. Das Verbot von T-Voice ist für die Gewerkschaften noch keine Hilfe. Denn der Weg durch die juristischen Instanzen dürfte Jahre dauern. Solange darf die gelbe Gewerkschaft weiter agieren.

© SZ vom 21.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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