Gesundheitspolitik:Nicht gegen unsere Apotheken

Lesezeit: 2 min

Einige SPD-Abgeordnete wollen die Gesundheitsreform entschärfen und den Apotheken entgegenkommen. Dazu sollen die Pharmazeuten von kürzlich eingeführten Sparopfern befreit werden.

Von Andreas Hoffmann

(SZ vom 23.06.2003) — Der Satz klingt eindeutig: "Die Apotheken werden über Gebühr zur Konsolidierung der Arzneimittelausgaben herangezogen." Formuliert hat die Worte der SPD-Gesundheitsexperte Eike Hovermann in einem Antrag, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt und den mehrere SPD-Parlamentarier unterschrieben haben.

Ihr Ziel: Die Koalition soll Sparopfer der Apotheker wieder zurücknehmen, am Dienstag will die Fraktion darüber beraten. Anlass ist das "Beitragssatzsicherungsgesetz" vom Januar.

Damit will Schmidt bei den Arzneiausgaben sparen. Apotheker und Arzneigroßhändler sollen spezielle Rabatte an die Krankenkassen zahlen, die Apotheken 300 Millionen, Großhändler 600 Millionen Euro. Laut Hovermann würden die Apotheken aber stärker belastet, da der Großhandel den "zugedachten Einsparbeitrag weitestgehend auf die Apotheken überwälzt".

Statt 300 Millionen müssen die Apotheken so 900 Millionen Euro aufbringen. "Diese Entwicklung läuft den gesetzgeberischen Intentionen zuwider", heißt es im Antrag. Daher soll der Großhandelsrabatt wegfallen. Er greift damit eine Forderung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) auf, nach ihren Berechnungen sind durch die rot- grünen Gesetze bis zu 12 000 der 140 000 Stellen gefährdet.

Ob Hovermanns Vorhaben realisiert wird, ist offen. Regierungskreise verweisen auf den SPD-Fraktionschef: "Das macht Franz Müntefering nicht mit." Andere deuten auf die knappe Mehrheit von Rot-Grün im Bundestag hin. Die Koalition hatte das Beitragssatzsicherungsgesetz im Dezember nur unter großen Mühen verabschiedet.

Bei der Schlussabstimmung hatten 69 Abgeordnete von SPD und Grünen nur unter Vorbehalt zugestimmt. In einer Zusatzerklärung forderten sie, die Rabatte im Jahr 2003 zu überprüfen, auch wegen "der wirtschaftlichen Konsequenzen für die Apotheken", heißt es in der Erklärung.

"Horrorszenarios"

Manche Parlamentarier dürften auch zu Zugeständnissen bereit sein, weil die für nächstes Jahr geplante Gesundheitsreform weitere Lasten für die Apotheker vorsieht. Künftig sollen etwa Apothekenketten und der Versandhandel mit Arzneien erlaubt sein. Auch veränderte Preisregeln für Arzneien könnten den Apothekern Einbußen bescheren.

Die Union lehnt davon vieles ab und könnte die Pläne eventuell über ihren Einfluss im Bundesrat stoppen. Klaus Kirschner, Vorsitzender des Bundestagsgesundheitsausschusses, hält den Antrag seiner Kollegen für ungerechtfertigt. "Die ABDA malt Horrorszenarios", sagte er der SZ. Trotz der Sonderrabatte seien etwa die Nettoumsätze einiger Apotheken noch leicht gestiegen.

Im Raum Baden-Württemberg lagen sie nach seinen Angaben Ende Mai um knapp ein Prozent über dem Vorjahr. In anderen Regionen sehe es nicht viel anders aus. Zudem seien die Arzneikosten ständig gewachsen, von 14,2 Milliarden Euro 1993 auf 23,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Von diesem Trend hätten auch die Apotheker profitiert. Dazu wandte er sich gegen die These, dass der Großhandel die Rabatte an die Apotheken weiter geben würde.

Dies ginge nicht so einfach, da viele Apotheken mit den Großhändlern verflochten seien. Der viert- und fünftgrößte Pharmagroßhändler hier zu Lande - die Unternehmen Sanacorp und Noweda - seien Genossenschaften mit über 13 000 Apothekern. Beide Unternehmen hielten dazu noch 24,99 Prozent an dem drittgrößten Pharmagroßhändler Anzag. Kirschner kritisierte die Pläne der SPD- Parlamentarier scharf: "Bei der Gesundheitsreform verlangen wir von den Versicherten große Opfer, und nun denken einige von uns schon daran, die Apotheker zu entlasten."

Nach Angaben der ABDA ging im vergangenen Jahr das Einkommen der Apotheker vor Steuern leicht zurück. Danach erzielte die durchschnittliche Apotheke mit einem Umsatz zwischen 750000 bis 1,25 Millionen Euro ein Vorsteuer-Einkommen von 78 000 Euro in 2002, im Vorjahr waren es 79 000 Euro.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: