Gespräche über Fusion:Delikates Angebot

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Monsanto hat einen schlechten Ruf. Nun will ausgerechnet Bayer den Saatgut-Konzern aus den USA kaufen. Das könnte Ärger machen.

Von Varinia Bernau und Claus Hulverscheidt, Düsseldorf/New York

Mit der Angst der Europäer vor genveränderten Lebensmitteln können die meisten Amerikaner nur wenig anfangen. Und doch ist der Gen-Riese Monsanto, den der Leverkusener Bayer-Konzern gerne übernehmen würde, außer in Europa auch in seiner Heimat USA alles andere als unumstritten: Viele Kritiker halten den Saatguthersteller gar für den Prototypen des gewissenlosen Multis, der im Bemühen um hohe Gewinne ethische Bedenken schon immer hintanstellte.

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Vorbehalte nicht unbegründet sind. So produzierte der Konzern einst das Insektizid DDT, das als krebserregend gilt und seit den Siebzigerjahren in vielen Ländern der Welt verboten ist. Mehr noch: Er lieferte auch das dioxinhaltige Entlaubungsmittel Agent Orange, das die USA im Vietnamkrieg großflächig versprühten und das für Hunderttausende Krebserkrankungen sowie Fehlbildungen bei Neugeborenen verantwortlich sein soll. Agent-Orange-Partner war damals im Übrigen Bayer. Beide Unternehmen haben somit bereits eine gemeinsame unselige Vergangenheit.

Seit Bayer in der Nacht zu Donnerstag bekannt gab, dass man mit Monsanto über eine Übernahme spricht, stellt sich die Frage: Wie wird die gemeinsame Zukunft?

Genau das, was Umweltschützer und Landwirte an Monsanto kritisieren, ist ein Grund dafür, dass die Leverkusener nun mit der Firma liebäugeln. Branchenbeobachter sind davon überzeugt, dass sich die wachsende Weltbevölkerung längst nicht mehr mit einer konventionellen Landwirtschaft ernähren lässt. Deshalb setzen Chemie- und Agrarkonzerne auf die Steigerung der Erträge. Die Züchtung gentechnisch veränderter Lebensmittel, die vor allem Monsanto vorangetrieben hat, ist dabei ein Mittel. Monsanto hat dabei auch vieles erfolgreich erprobt, was in Europa teilweise nicht erlaubt ist. "Europa hat da wegen seiner strengen Gesetzgebung den Anschluss verpasst. Man könnte also auch sagen, dass Bayer sich nun das nötige Knowhow einkauft, um wieder aufzuholen", sagt Ulrich Huwald von Warburg Research. Monsanto würde das Wissen, das Bayer bei Insektiziden oder Pestiziden besitzt, um jenes beim Saatgut ergänzen. So könnte der neue Konzern als Komplettanbieter punkten. Auch ist Monsanto in Nordamerika stark, wo Bayer noch schwächelt.

Doch Monsantos schlechter Ruf ist ein Hindernis: Der Konzern gilt auch daheim als Unternehmen, das Kunden in eine Art Abhängigkeit von seinen Produkten treibt und Druck ausübt, wenn jemand nach Auswegen sucht. So sollen Bauern wiederholt Besuch von aggressiven Kontrolleuren erhalten haben, die herausfinden sollten, ob die Landwirte Saatgut aus der eigenen Ernte abzwacken, statt neues bei Monsanto zu kaufen. Andere wurden wegen angeblicher Patentverletzungen verklagt, viele mussten zudem die Unkrautvernichtungsmittel des Konzerns erwerben, weil nur sie zu den genveränderten Pflanzen passen.

Ein Umweltschützer zeigt vor dem Kanzleramt, wen er als die große Gefahr für Artenvielfalt ausmacht: Bayer ebenso wie Monsanto. (Foto: Jörg Carstensen/AFP)

Je länger man in Leverkusen bei Fusionen nur zuschaut, desto mehr verspielt man die Zukunft

Eine Erklärung dafür, warum Bayer nun ausgerechnet nach einem solch umstrittenen Unternehmen greift, liegt in der Logik der Branche: Das Geschäft mit Saatgut und Pflanzenschutz ist wegen der intensiven Forschung teuer. Deshalb wird es seit langem von wenigen Konzernen bestimmt, und die bauen ihre Macht immer stärker aus und übernehmen Konkurrenten: Der chinesische Staatskonzern Chem China legte zuletzt rund 43 Milliarden Dollar für den Schweizer Konkurrenten Syngenta auf den Tisch, zudem kündigten die US-Riesen DuPont und Dow Chemical an, ihr Agrarchemiegeschäft in einem eigenständigen Unternehmen zusammenzulegen. Dass Bayer da irgendwann als "kleines schwarzes Entlein dasteht", sei durchaus eine Gefahr, sagt Analyst Huwald - zumal die Schwergewichte der Branche nicht nur mehr in die Forschung investieren können, sondern auch erste Adresse für die klügsten Köpfe sind. Je länger Bayer also bei all den Fusionen lediglich zuschaut, desto mehr verspielt der Konzern womöglich seine Zukunft.

Zuletzt aber lief das Geschäft bei Monsanto nicht allzu gut: Bauern halten sich in vielen Regionen der Welt mit dem Kauf von Saatgut zurück, das hat für einen Preisverfall gesorgt. Zudem hatte Monsanto Schwierigkeiten mit den Zulassungs- und den Bilanzbehörden in den USA sowie Lizenzstreitigkeiten in Ländern wie Indien und Argentinien. Der Aktienkurs ist binnen eines Jahres um 20 Prozent abgesackt.

Dennoch dürfte der Kauf teuer werden: Monsanto wird an der Börse mit 42 Milliarden Dollar bewerten - und nach Schätzung von Analysten dürfte der Konzern einen Aufschlag von 40 Prozent verlangen. Zwar lässt sich derzeit günstig Geld leihen. Aber Bayer hat 17,4 Milliarden Euro Schulden - mehr als viele andere in der Branche. Denkbar ist auch, dass sich der Konzern über eine Kapitalerhöhung das nötige Geld bei den Aktionären holt. Deshalb brach die Aktie am Donnerstag zu Handelsbeginn, nur wenige Stunden, nachdem Bayer die Gespräche mit Monsanto bestätigt hatte, um mehr als sieben Prozent auf 89,41 Euro ein. Das Papier war größter Verlierer im Dax.

SZ-Grafik; Quellen: Bloomberg, Unternehmensangaben, Zürcher Kantonalbank (Foto: wir_grafiken200516)

Schließlich hat Bayer noch die Möglichkeit, weniger wichtige Unternehmensbereiche zu verkaufen. Konzernchef Werner Baumann macht kein Geheimnis daraus, dass er den 69-Prozent-Anteil an der einstigen Kunststofftochter Covestro abstoßen will. Auch das Geschäft mit der Tiergesundheit, also mit Flohhalsbändern oder Mitteln, die das Immunsystem von Herdentieren stärken, hält er für attraktiv, aber doch zu klein; zum Konzernumsatz trägt es lediglich drei Prozent bei. Sollten Bayer hier Übernahmen "letztendlich nicht gelingen, müssen wir uns immer wieder die Frage stellen: Sind diese Geschäfte bei uns gut aufgehoben?", sagte Baumann vor kurzem in kleiner Runde - und fügte hinzu: Diese Frage werde er auch bei allen anderen Geschäften stellen.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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