Geschichte des Geldes:Verbrechen lohnt sich wirklich nicht

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Die kleine Südsee-Inselgruppe Yap pflegt ihr Steinringgeld aus kulturellen Gründen. Seit Jahrhunderten werden diese Ringe verwendet, etwa um Land zu kaufen. (Foto: frostfrei | Gutes & Schönes)

Was macht Geld mit uns? Eine Ausstellung in Chemnitz stellt die richtigen Fragen.

Von Cornelius Pollmer, Chemnitz

Als heimliches Hauptwerk des sächsischen Kabarettisten Olaf Schubert gelten seine selbst eingesprochenen "Hördialoge". In verteilten Rollen gerät Schubert darin immer wieder in Konflikt mit der Welt und vor allem dem Geld. Mal explodiert ein Bankkonto, weil es laut Auskunft der Schalterfurie "schon voll" sei, Schubert aber auf einer Einzahlung besteht. Ein anderes Mal rechnet Schubert als berufsmüder Schurke vor, warum sich Verbrechen wirklich nicht lohnt: horrende Kosten für Fluchtfahrzeuge, Lösegeld-Dumping durch ausländische Entführer - ohne Idealismus sei dieser Beruf nicht mehr zu machen.

An dies darf sich erinnern, wer im Staatlichen Museum für Archäologie (Smac) die gerade eröffnete Ausstellung über und namens "Geld" besucht. Unter der Ordnungsziffer 2.14 befindet sich dort eine Playmobil-Bank. Während auf der Abbildung im Ausstellungskatalog der Überfall gerade erst begonnen hat, ist er in der Ausstellung schon beim Hände-hoch-Showdown angekommen, die Waffe in der drohenden Horizontalen. Die Plakette daneben verweist auf eine Untersuchung britischer Wirtschaftswissenschaftler, denen zufolge der klassische Bankraub tatsächlich kein lohnendes Geschäft ist. Bargeldbestände in und Zahl der Überfälle auf die Banken nehmen seit 1990 kontinuierlich ab, vor ein paar Jahren errechneten die Forscher den Durchschnittsverdienst britischer Bankräuber. Ergebnis: 20 331 Pfund pro Jahr. Da wird es tatsächlich schwer, einen gescheiten Fluchtwagen zu finanzieren.

Es sind visuelle Inseln wie das Playmobil-Arrangement, die die Ausstellung in Chemnitz zu einer gleichzeitig lehrreichen aber auch leicht zugänglichen machen. Zuweilen hätten diese Inseln zwar noch besser erschlossen werden können: In der ansehnlichen Klein-Galerie waidwunder Sparschweine etwa fehlt es an den Anekdoten dahinter, also an den Berichten von Notplünderungen oder endlich erfüllten Wünschen. In Summe aber findet man in diese Ausstellung gut hinein und daran zweifelt man ja kurz am Beginn des Rundgangs, wo ein 28 Kilogramm schwerer Steinring wuchtig grüßt. Die kleine Südsee-Inselgruppe Yap kennt inzwischen zwar den Dollar als wesentliche Währung, ihr Steinringgeld pflegt sie aus kulturellen Gründen aber nach wie vor. Seit Jahrhunderten werden diese Ringe verwendet, etwa um Land zu kaufen, sie werden dabei nicht physisch bewegt, sondern einzig im Gedächtnis der Bevölkerung: Wem gehört gerade welcher Stein? Wer ist deswegen wie honorig? Verstünden die Menschen bei all den Auskunfteien Humor, man müsste vor der nächsten Bonitätsprüfung mal kurz zum Steinmetz und ein Schwergewicht in Auftrag geben.

Die einen shoppen, die anderen haben nichts. Was das bedeuten kann, wird hier recht deutlich

Überhaupt lohnt sich der Rundgang durch die Geschichte immer dann besonders, wenn man die Geschichte des Geldes an seiner Gegenwart spiegelt. So ist über die vermutlich ersten Banknoten Europas, die schwedischen Dalernoten, zu erfahren, dass sie ab 1661 als Quittung für eingelagerte Kupferplatten ausgegeben und "durch die Unterschrift des Leiters der Bank beglaubigt" wurden. Für Kritiker der EZB-Geldpolitik dürfte es eine lohnenswerte Tagesfantasie sein, sich vorzustellen, dass Mario Draghi jeden zusätzlichen gedruckten Schein vor Ausgabe in einem Kellerbüro extra signieren muss. Die "Stockholms Banco" geriet damals übrigens bald in arge Zahlungsschwierigkeiten.

Neben Formen des Geldes, neben seiner Geschichte und seinen Geschichten sucht die Ausstellung in Chemnitz nach Antworten auf die noch wichtigeren Folgefragen: Was machen wir mit Geld? Und was macht Geld mit uns? Wer sich in seiner Wohlstandsvergessenheit gut eingerichtet hat, sollte diese Fragen ignorieren - im Museum wird er recht deutlich mit der Überlegung konfrontiert, was es bedeuten kann, wenn Shopping im hiesigen Teil der Welt längst zum Freizeitvergnügen der vielen Gelangweilten geworden ist, während weltweit etwa 1,2 Milliarden Menschen mit weniger als einem Euro über den Tag kommen müssen. Diese Überlegung wird im Smac nicht moralinsauer und weltschmerzvoll vorgetragen, deswegen wirkt sie. Als eine Art Fallbeispiel schließt sich an diese großen Fragen von der Wirkung des Geldes die vermeintlich letzte Raum-Ellipse im Archäologiemuseum an, sie ist komplett der Finanzkrise gewidmet. Die schwarz-rot-graue Tünche macht gleich wieder Bauchweh, auch das durchgängige Band des Nachrichtentickers an der Wand: "SachsenLB+++Übernahme+++Subprime+++". Immer wieder hallt Nachrichtensprecherin Judith Rakers durch den Raum: "Ein Ende der Bankenkrise in Deutschland ist nicht in Sicht".

Danach erst beginnt die Ausstellung wirklich mehr zu sein als optisch gut aufbereiteter Kuratoren-Fleiß. Ein weißes Schiebetür-Sesam öffnet sanft am Ende des Krisen-Zimmers, dahinter liegt ein sich zur Stadt öffnender Erker. Goldene Luftballons liegen herum, es gibt Sitzbänke und sonst nur Ton-Zitate zu Utopien geldloser Gesellschaften. Der Rest soll Nachdenken sein, ein gerne fantasievolles Lösen von der gelernten Gewissheit, dass Geld fast alles und ohne Geld fast alles nichts sei.

Das Smac gilt als Deutschlands "modernstes Archäologiemuseum" und womöglich besteht in diesem letzten Raum die entscheidende Provokation, genauer: in dem Gedanken, dass das Konzept Geld irgendwann völlig dem Fachbereich Archäologie anheim fällt. Schon jetzt aber sind Raum und Ausstellung gut Werbung für den Museumsbesuch als solchen, der einem immer noch mehr mitgeben kann als jeder ordentliche Wikipedia-Artikel.

© SZ vom 31.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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