German Pellets:Angst vor einem zweiten Prokon

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Bei dem Wismarer Unternehmen brechen die Anleihen ein, die Anleger flüchten. Warum, ist unklar. Und der Firmenchef schweigt sich dazu aus.

Von Heinz-Roger Dohms, Köln

Das Firmenvideo erinnert frappierend an die Werbefilmchen bei Prokon. Die Zutaten: schöne Bilder vom Werksgelände. Warme Musik aus dem Hintergrund. Und als Protagonist wird immer wieder der Chef und Gründer eingeblendet, der mir sonorer Stimme die gleiche Botschaft verkündet, die die Kleinanleger bereits bei Prokon jede Vorsicht vergessen ließ: "German Pellets ist ein Unternehmen, das wie ganz wenige andere Ökologie und Ökonomie miteinander verbindet." Garniert wird das Ganze mit einem fulminanten Renditeversprechen: Acht Prozent pro Jahr! Und das in Niedrigzinszeiten.

Die große Frage ist: Ähneln sich nur die Videos? Oder ähnelt der Wismarer Holzpellet-Hersteller German Pellets der 2014 pleitegegangenen Windkraftfirma Prokon auch in anderer Hinsicht? Laufen Kleinanleger schon wieder Gefahr, mit einem Ökoinvestment hohe Verluste zu erleiden? Tatsache zumindest ist: Die Anleihen von German Pellets befinden sich seit Tagen im freien Fall. So notierte eines der Papiere am Mittwoch nur noch bei 33 Prozent des Nennwerts - anders gesagt: Viele Anleger wollen die Anleihen offenbar nur noch loswerden und nehmen dafür sogar einen Verlust von zwei Dritteln ihres Einsatzes in Kauf.

Das Unternehmen bleibt seit Tagen jede Erklärung für den Kursrutsch schuldig

Hinter German Pellets steht der Selfmade-Unternehmer Peter Leibold. Wie aus einem Bericht der Ratingfirma Creditreform hervorgeht, besitzen er und seine Frau 100 Prozent der Anteile. Obwohl erst 2004 gegründet, unterhält die Firma bereits 18 Produktionsstandorte - darunter sogar Werke in den USA, in Texas und Louisiana. Dem Unternehmen zufolge geht die rasche Expansion bislang mit gesunden Geschäftszahlen einher. So setzte German Pellets 2015 in den ersten drei Quartalen 442,5 Millionen Euro um, der operative Gewinn lag bei 38 Millionen Euro. Verglichen mit den vielen Mittelstandsanleihen, die in den vergangenen Jahren ausgefallen sind, galt German Pellets daher als solide. Warum also nun der plötzliche Einbruch?

Dazu würde man Leibold gern befragen. Doch der Mann aus dem Video ist verstummt, auch das Unternehmen bleibt seit Tagen jede Erklärung für den Kursrutsch schuldig. Was auffällt: Gemessen an der Unternehmensgröße sind die Kapitalmarktschulden von German Pellets ungewöhnlich hoch. Die Mecklenburger haben nämlich nicht nur eine Anleihe emittiert, sondern gleich mehrere, das Bruttovolumen der ausstehenden Papiere beläuft sich auf satte 238 Millionen Euro. Das ist ein Vielfaches dessen, was im Mittelstandssegment sonst üblich ist. Einige der Emissionen dienten dabei offenbar in erster Linie dem Ziel, bereits begebene Anleihen zurückzukaufen. Statt Schulden aus den Erträgen zu begleichen, wurden also neue Schulden aufgenommen.

Stutzig macht auch, dass der Mittelständler einen Großteil seiner Erträge offensichtlich gar nicht mit der Produktion, sondern mit Handelsgeschäften erwirtschaftet. 2014 machte dieser Posten laut Geschäftsbericht rund 60 Prozent des Umsatzes aus. Hat das Management die Risiken im Griff? Leidet German Pellets gar unter dem allgemeinen Energiepreisverfall? Dass der Ölpreis eingebrochen ist, kann dem Unternehmen jedenfalls nicht gefallen. Schließlich werden die Pellets genannten kleinen Holzschnipsel in erster Linie als Brennstoff genutzt. Damit stehen sie in direkter Konkurrenz zu herkömmlichen Heizträgern. Laut dem Vergleichsrechner "heizpellets24.de" ist der bundesweite Durchschnittspreis für 1000 Kilogramm Holzpellets seit Anfang 2014 von rund 274 Euro auf 221 Euro gesunken.

Wie viele Kleinanleger sich unter den Investoren befinden, ist unklar. Fest steht, dass German Pellets zumindest in jüngster Zeit explizit auf diese Klientel abzielte, zum Beispiel mit Beratungsbüros in Hamburg oder Berlin oder mit Informationsständen auf Anlegermessen. Seine Pellets, sagt Peter Leibold in dem Werbevideo, seien "eine rundum gute Sache für den Klimaschutz und für den Geldbeutel". Ob das auch für den Geldbeutel der Anleger gilt, wird sich zeigen.

© SZ vom 22.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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