Geldpolitik:Der Anfang vom Ende der Nachkrisenzeit

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Die amerikanische Notenbank FED erhöhte zum ersten Mal seit 2006 ihren Leitzins. In Europa aber bleibt alles beim Alten. Wie kann das funktionieren?

Von Nikolaus Piper und Markus Zydra, München/Frankfurt

Der Schritt war lange erwartet worden, und er markiert einen historischen Einschnitt: Die amerikanische Notenbank Federal Reserve erhöhte am Mittwoch zum ersten Mal seit 2006, also kurz vor Ausbruch der Finanzkrise, ihren Leitzins, die Federal Funds Rate, um 0,25 Punkte auf 0,25 bis 0,50 Prozent. Damit leitete Fed-Chefin Janet Yellen den Anfang vom Ende der Nachkrisenzeit ein. Anders gesagt: Die Geldpolitik ist nach beinahe einem Jahrzehnt endlich auf dem Weg zurück in die Normalität.

Was sind die Folgen der Zinserhöhung für die Weltwirtschaft?

Die Banken müssen etwas mehr zahlen, wenn sie sich Geld bei der Federal Reserve beschaffen wollen. Dadurch können auch die Kredite für Verbraucher und Unternehmen in Amerika teurer werden. In welchem Maß dies geschieht, ist unklar. Die Zinserhöhung war ja minimal, und auch das Zinsniveau ist im historischen Vergleich immer noch extrem niedrig. Deshalb dürfte die Zinswende die US-Wirtschaft nicht bremsen.

Was bedeutet die Zinswende für den Rest der Welt?

Die höheren Zinsen locken Kapital in die USA. Mehr Dollar-Nachfrage bedeutet aber höhere Kurse für die US-Währung. Entsprechend billiger wird der Euro, vor allem, wenn die Europäische Zentralbank ihre Politik des billigen Geldes weiterführt. Die Entwicklung haben die Devisenmärkte allerdings zum Teil schon vorweggenommen. Seit Frühjahr 2014 hat Europas Einheitswährung gut 20 Prozent gegenüber dem Dollar verloren. Am Donnerstag lag der Kurs des Euro bei 1,08 Dollar. Dank der schwachen Währung werden Europas Exporte im Dollar-Ausland billiger, was wiederum die Erholung der Gesamtkonjunktur in Europa stützt. Gleichzeitig werden Importe aus dem Dollar-Raum teurer, was die Inflation erhöht und das Risiko einer Deflation senkt. Die EZB möchte in der Euro-Zone eine durchschnittliche Teuerungsrate von zwei Prozent erreichen. Tat-sächlich steigt das Preisniveau derzeit nur um 0,1 Prozent.

Normalerweise sind Zinserhöhungen schlecht für Aktien. Warum steigen die Kurse diesmal?

Die Zinswende war schon lange erwartet worden. Viele Investoren haben sich inzwischen davon überzeugt, dass die Wirtschaft und die Finanzmärkte den Schritt aushalten. Noch wichtiger ist die Tatsache, dass die Fed in ihrer Erklärung überdeutlich gemacht hat, dass sie die Geldpolitik nur sehr vorsichtig straffen will. Erstmals hieß es ausdrücklich, dass die Zinsen nur "allmählich" erhöht werden sollen. Solche Wörter haben an der Wall Street heutzutage eine große Bedeutung, wenn sie von der Fed kommen. Beruhigend wirkte möglicherweise auch, dass der Beschluss des Offenmarktausschusses der Fed wider Erwarten einstimmig getroffen wurde. Der Dow Jones drehte nach einem anfänglichen Plus ins Minus; der Dax legte über den Tag um knapp drei Prozent zu.

Wird jetzt die EZB auch bald die Zinsen erhöhen?

Nach allen Aussagen aus Frankfurt wird die EZB ihren Leitzins noch zwei Jahre bei 0,05 Prozent belassen. Gleichzeitig kauft sie, anders als die Fed, massiv Anleihen europäischer Emittenten auf: Mindestens bis März 2017 sollen so monatlich 60 Milliarden Euro in den Markt gepumpt werden, insgesamt 1,5 Billionen Euro. "Wenn es dann nicht reicht, können wir weitermachen", sagte EZB-Präsident Mario Draghi. Solange das Programm läuft, wird die EZB den Leitzins nahe der Nulllinie lassen. Ziel ist es, die Konjunktur in Gang zu bekommen und eine Deflation im Euro-Raum zu verhindern.

Was bedeutet das für die Sparer?

Die Ära der Nullzinsen ist noch lange nicht zu Ende. Sichere Anlagen (Sparbücher etwa) bringen auf absehbare Zeit praktisch keine Rendite. Das gilt übrigens für Amerika ebenso für Europa. Fed-Chefin Yellen hatte schon vor der Entscheidung am Mittwoch klargemacht, dass sie sich auf eine "neue Normalität" einstellt, in der die Zinsen wesentlich niedriger liegen werden als in früheren Konjunkturzyklen. Wenn man davon ausgeht, dass die Fed im kommenden Jahr höchsten viermal den Leitzins um jeweils 0,25 erhöht, dann kostet Geld bei der Fed Ende 2016 immer noch nur 1,5 Prozent. Normal in dieser Konjunkturphase wären 3,1 Prozent.

Die EZB und Fed gehen unterschiedliche Wege: Passiert das häufiger?

Das gab es zuletzt Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre. Damals entwickelte sich die Konjunktur gegenläufig: Die USA steckten in einer Rezession, in Deutschland boomte die Wirtschaft aufgrund der Wiedervereinigung. Die Fed senkte die Zinsen, die Bundesbank dagegen erhöhte die Sätze. Daraufhin kam es zu heftigen Turbulenzen am Währungsmarkt. Das britische Pfund wertete drastisch ab und musste das damalige europäische Wechselkurssystem verlassen. Auch die italienische Lira kam unter Druck. Dieses Mal sind die Konjunkturaussichten ähnlich, wobei jetzt Europas Wirtschaft schwächer ist als die der Vereinigten Staaten.

Was sind die größten Risiken?

Der Kurs, den die Fed und die EZB verfolgen, ist immer noch Neuland. Es gibt wenig Erfahrung damit, wenn Notenbanken so viel Geld in die Wirtschaft pumpen, ebenso ist es unerprobt, den Geldfluss wieder einzuschränken. Einige Ökonomen fürchten, dass die Fed zu früh den Hebel umlegt, andere glauben, dass die Antikrisenpolitik erst dann ein Erfolg sein wird, wenn das Geld der Notenbanken wieder aus der Wirtschaft abgepumpt ist.

„Kleine Lady mit großem IQ“ – die Urteile über Janet Yellen sind fast einhellig positiv. Dennoch berief US-Präsident Trump sie nun, nach nur einer Amtsperiode, ab. (Foto: Chip Somodevilla/AFP)
© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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