Geldgeschäfte:Von Löwen und Aktien

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Warum sich Briten plötzlich für einen Münchner Vermögensverwalter interessieren.

Deutsche Anleger, die ihr Erspartes zu britischen Fondsanbietern tragen, gibt es genug. Umgekehrt findet man kaum Briten, die ihr Geld deutschen Fondsgesellschaften anvertrauen. Doch für einige britische Großinvestoren reicht die Landkarte neuerdings bis zur Isar. Schuld ist ein Außenseiter, der Münchner Vermögensverwalter Jens Ehrhardt. Was seine britischen Gesprächspartner am meisten beeindruckt, ist die Beständigkeit des Erfolges, den der 64-Jährige über Zyklen und Modewellen hinweg vorweisen kann.

Die Deutschen, so die landläufige Einschätzung bei englischen Pensionsfonds, können gute Autos bauen und präzise Fräsmaschinen. Aber in Sachen Kapitalanlage sitzt die Kompetenz in der Londoner City und in New York, allenfalls noch in Edinburgh. Die nahezu einzige deutsche Fondsgesellschaft, die für große britische Investoren eine wichtige Rolle spielt, ist die Allianz-Tochter AGI; aber sie tritt auf der Insel vorzugsweise unter dem Namen Pimco auf und gilt als amerikanische Gesellschaft. Dass Pimco eine Münchner Mutter hat, ist selbst Fachleuten nicht immer präsent.

Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen scheint sich für Ehrhardt der Ausflug auf die Insel zu lohnen. "Ich war erstaunt über die Gästelisten", erzählt der Vermögensmanager nach zwei Präsentationen in London. Die Briten hätten "gerade entdeckt, dass eine Eigentumswohnung in Deutschland halb so viel kostet wie ein Parkplatz in London, und jetzt schauen sie auf den Aktienmarkt".

Gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis seien deutsche Papiere im internationalen Vergleich eben günstig, und inzwischen trauten britische Anleger der deutschen Wirtschaft auch wieder Wachstum zu. Mit anderen Worten, in der Londoner Finanzmeile ist das Interesse an deutschen Aktien derzeit größer als der Kenntnisstand, jedenfalls wenn es um mittelgroße und kleinere Unternehmen geht. Ein bisschen habe sogar die Fußballweltmeisterschaft geholfen, Investoren neugierig auf Deutschland zu machen.

Beständiger Außenseiter

Nach deutschen Maßstäben ist Ehrhardt Außenseiter, weil er seine Vermögensverwaltung unabhängig von Banken und Versicherungskonzernen betreibt. Seine Dr. Jens Ehrhardt Kapital AG beschäftigt einschließlich der Tochtergesellschaften in Zürich und Luxemburg gerade 60 Mitarbeiter. In London freilich fragt niemand danach, wie viele Mitarbeiter ein Vermögensverwalter beschäftigt. Dort werden selbst Hedge-Fonds mit zehn Angestellten Milliardensummen zur Anlage anvertraut.

Seit 36 Jahren ist Ehrhardt nun als Vermögensverwalter im Geschäft. Mit Null hatte er seinerzeit angefangen, heute betreut er ein Vermögen von 6,3 Milliarden Euro. Eingeschlossen sind dabei Fonds, die unter der Flagge großer Investmentgesellschaften segeln und bei denen Ehrhardt offiziell und entsprechend den deutschen Vorschriften nur als Berater fungiert.

Nicht wenige seiner Kollegen galten zeitweise als die größeren Stars. Doch von denen ist, George Soros, Warren Buffett und wenige andere ausgenommen, nicht mehr viel zu hören. Ehrhardt dagegen hatte - nimmt man seinen ältesten Fonds als Indikator - über alle Börsenturbulenzen hinweg bemerkenswerten Anlageerfolg. Aber eine Garantie auf Gewinn gibt es selbst mit seiner Erfahrung nicht: An der Börse, so sagt er manchmal, sei es eben wie im Zirkus: "Man kann versuchen, die Löwen zu zähmen. Doch jeden Tag läuft man Gefahr, dass sie einen fressen."

© SZ vom 27.06.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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