Gebrauchtwagen:Schrott für den Osten, Luxus für die Welt

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Die Wrackwelle rollt. Deutsche Rostlauben überschwemmen den polnischen Markt. In Afrika drängen noch ältere Kisten die Kamele von der Straße. Die Iraker fahren alles, was noch rollt, und der Rest der Welt importiert vor allem gebrauchte Geländewagen und Luxuskarossen aus Deutschland.

Von Barbara Vorsamer

Jährlich machen sich hunderttausende deutsche Gebrauchtwagen auf eine lange Reise gen Osten oder Süden. Dort werden die Autos dann weiter verkauft, auseinander genommen, repariert, oder gefahren, bis sie auseinander fallen.

Gebrauchtwagen aus Deutschland werden vor allem in den Osten und Süden exportiert. (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Über sechs Millionen Gebrauchtwagen wechseln in Deutschland jährlich den Besitzer. Jedes zehnte Fahrzeug wird exportiert, schätzt Ferdinand Dudenhöffer vom Center for Automotive Research.

Vor allem alte Autos treten die Reise ins Ausland an. "Dort rentiert es sich oft noch, sie zu fahren, weil Steuer und Versicherung deutlich niedriger liegen, außerdem wird billig und kreativ repariert", sagt Ansgar Klein vom Bundesverband der freien Kfz-Händler.

Bärbel Baudach aus Passau hat ihren Mercedes 280er Kombi, Baujahr 1993, auch exportieren lassen. Zuerst hat sie versucht, ihn in Deutschland loszuwerden, doch kein Händler wollte ihn. Der Grund: Gebrauchtwagenhändler sind zu einem Jahr Gewährleistung verpflichtet.

"Wer kann bei einem elf Jahre alten Auto schon gewährleisten, dass im nächsten Jahr nichts kaputt geht?", fragt Bärbel Baudach. Verkaufen Händler die Autos ins Ausland, fällt die Gewährleistungspflicht weg.

Die meisten Autos verlassen Deutschland über die Grenze zu Polen. Der Anblick eines Sattelschleppers voller Rostlauben war auf den Autobahnen Richtung Osten ein vergessener Anblick, doch seit dem Beitritt des Landes zur EU im Mai dieses Jahres rollen wieder über 2000 Gebrauchte täglich über die polnische Grenze.

Billigware

Über 150.000 importierte Autos zählte das polnische Finanzministerium allein im Mai und Juni 2004. Auf nur knapp über 1000 Autos hingegen kommt das Statistische Bundesamt. Der Grund für die Differenz: Die deutschen Statistiker zählen innerhalb der EU nur Autos, die für mehr als 1000 Euro gekauft wurden. Die meisten der nach Polen verkauften Autos sind jedoch billiger, auch sind über 70 Prozent der Fahrzeuge älter als zehn Jahre.

In den vergangenen Jahren war der deutsch-polnische Autohandel fast zum Erliegen gekommen. Seit dem Jahr 2000 durften nur noch Autos eingeführt werden, die nach 1996 gebaut wurden und bestimmten Abgasvorschriften entsprachen.

Das traf jedoch nur die Importeure, in Polen durften auch die älteren Wagen gehandelt und gefahren werden. Nach EU-Standards war das ungerecht, und deswegen musste die Beschränkung zum EU-Beitritt weg. Seitdem ist der Import in neuem Schwung.

Das merken auch die deutschen Schrotthändler. Sie sind schlecht ausgelastet, und die Preise für Schrott steigen. Exportieren ist eben lukrativer als verschrotten.

Erhebliche Preisdifferenzen

Ansgar Klein vom Bundesverband der freien Kfz-Händler erklärt: "Der Preis eines 20 Jahre alten Golfs liegt hierzulande bestenfalls bei 50 bis 100 Euro, da er sich nur noch zur Verschrottung und als Ersatzteilspender eignet. In Osteuropa kann sein Wert jedoch bei 500 Euro liegen. "

Der Warschauer Regierung ist der deutsche Autoschrott ein Dorn im Auge. Darum hat sie vor, den Import durch eine Anmeldesteuer oder eine Recycling-Gebühr unattraktiv zu machen.

Auf die Preise für Gebrauchtwagen in Deutschland hat der Auto-Exodus nach Osten keinen Einfluss, behaupten Fachleute. Diese Fahrzeuge sind kaum gefragt, meint Hubert Jung, Geschäftsführer des Gebrauchtwagenmarkt-Analysten Eurotax Schwacke.

Anders sieht es auf dem polnischen Markt aus. Eurotax Polska, Schwackes polnisches Gegenstück, hat einen signifikanten Preisverfall festgestellt. Für Kraftfahrzeuge, die vor 1998 hergestellt wurden, wird circa 15 Prozent weniger gezahlt als vor dem EU-Beitritt.

Auch die anderen neuen EU-Länder sind seit dem 1. Mai Ziel für Deutschlands alte Autos. Nur Litauen ist ein Sonderfall. Hier rechnen Experten damit, dass der Gebrauchtwagenhandel zurück geht. Vor dem EU-Beitritt war das Land wegen der Nähe zur russischen Enklave Kaliningrad Hauptumschlagplatz für den Export in die ehemaligen GUS-Staaten.

Jetzt brauchen russische Staatsbürger Transitdokumente, um durch Litauen zu reisen - und wenn schon Dokumente nötig sind, dann können Russen, Ukrainer und Georgier auch gleich selbst zum Carshopping nach Deutschland fahren.

Ein Ziel ist Bergeborbeck bei Essen, einer der größten Gebrauchtwagenmärkte Europas: Hier wechseln jeden Samstag über 2000 Autos und geschätzte 300.000 Euro ihren Besitzer. Manche Käufer kommen jede Woche. Und fahren jede Woche mit einem anderen Auto nach Hause. Auch eine Art des Exportes - die Branche nennt sie "Selbstfahrer".

Vorlieben der Selbstfahrer

Rainer Wegmann von der Lekkebusch GmbH kennt die Selbstfahrer und ihre Vorlieben, denn seine Firma stellt ihnen die Ausfuhrkennzeichen in Bergeborbeck aus. "Die Georgier zum Beispiel sind wild nach Fünfer-BMW, die fegen den ganzen Markt leer", erzählt Wegmann. Außerdem seien Polen und Franzosen eifrige Einkäufer und Selbstfahrer.

Für alle Nationalitäten gilt: Marke geht vor Alter. Was Sterne, Ringe oder weiß-blaue Rauten hat, geht weg wie warme Semmeln.

Das gilt sogar für Afrika. Obwohl die Autos, die per Schiff nach Süden gehen, im Allgemeinen noch älter sind als die, die nach Osten rollen, sind neben Geländewagen vor allem Wagen von Premiumherstellern gefragt.

Einer der Hauptabnehmer ist Niger mit 16.000 im ersten Halbjahr 2004 und Benin, dessen Hafen Cotonou für die Autos das Einfallstor in den Kontinent ist. Vom kleinen Benin aus geht der Export weiter nach Niger und Nigeria.

Autos statt Kamelen

"An den Brücken ins Stadtzentrum von Niamey, der nigrischen Hauptstadt, haben sich vor zwanzig Jahren noch Kamele gestaut. Heutzutage stehen Autos deutscher Herkunft in der Schlange", erzählt Lutz Neumann vom Afrika-Verein.

Wie in Benin sind die Autos auch in Syrien bloß auf der Durchreise. Dorthin sind allein in diesem Jahr über 20000 deutsche Gebrauchtwagen exportiert worden - im Vergleichszeitraum 2003 waren es 65. Diesen extremen Anstieg erklärt der Irakkrieg. Die irakischen Häfen sind teils zerstört, teils nur für Hilfsorganisationen geöffnet. Darum gehen viele Lieferungen durch das Nachbarland.

Der Bedarf ist enorm nach Jahren des Embargos, denn für die Einfuhr eines Autos in Saddams Irak wäre eine Genehmigung vom UN-Hauptsitz in New York nötig gewesen. Nach dem Krieg hat die UN das Embargo aufgehoben, Handels- und Sicherheitsvorschriften gibt es kaum. Die Iraker fahren, was noch fährt.

Vielleicht fährt Bärbel Baudachs Mercedes jetzt also durch Bagdad. Oder durch Niamey. Oder durch Warschau. Eine weite Reise hat so manches deutsche Auto geschafft, von dem sein deutscher Besitzer dachte, es würde ihn nicht einmal mehr sicher ins Büro bringen.

© SZ vom 10.09.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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