Fußballstadien:Kicken um den guten Namen

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Sie heißen easyCredit Stadion oder Signal Iduna Park. Stadien, die nach Firmen oder Marken benannt sind, bringen zwar Millionen in die Vereinskassen, aber die neuen Bezeichnungen stoßen auch auf Widerstand - vor allem bei den Fans. (Aus der aktuellen W&V)

Andreas Brannasch

Es war der Tag der warmen Worte. "Wir freuen uns, Namenspatron des Nürnberger ,Schmuckkästchens' zu sein", erklärte Norisbank-Chef Theophil Graband anlässlich der Umbenennung des Frankenstadions in Nürnberg in easyCredit Stadion.

Operation gelungen: In Hamburg begann eine Erfolgsgeschichte. (Foto: N/A)

Die Freude über die Umbenennung der Spielstätte nach einem Ratenkredit (Claim: "Das kann ich auch!") des Nürnberger Finanzdienstleisters war indes einseitig. Viele Fans des 1. FC Nürnberg liefen Sturm gegen den neuen Namen, und auch die Presse mokierte sich.

Henning Hintze, Leiter Marketing bei der Norisbank, bemüht sich um Gelassenheit: "Die Norisbank zeigt mit dem Erwerb des Namensrechts an ihrem Stammsitz ihr Engagement für die Region im Allgemeinen und für den Sport im Besonderen."

Die vorerst letzte Umbenennung eines Stadions im bezahlten deutschen Fußball, die dem notorisch klammen Club 1,2 Millionen Euro pro Jahr einbringt, zeigt all jene Fallstricke auf, die bei der Vergabe von Namensrechten lauern.

Dabei ist die Geschichte des Naming-Rights eigentlich eine Erfolgsstory, die in Hamburg begann. 2001 vergab mit dem Hamburger SV erstmals ein Bundeliga-Verein die Namensrechte an seinem Stadion an ein Unternehmen, in diesem Falle an den Online-Dienstleister AOL. Vermittelt wurde der Deal von der Agentur Sportfive.

Das Projekt AOL Arena wurde zu einem Meilenstein in der Vermarktung der Bundesliga, denn die Marktforschung belegt: Die Umbenennung hat sich gelohnt. Im Jahr 2005 überschritten die Bruttokontakte die magische Grenze von zehn Milliarden, der Bekanntheitsgrad von AOL als Namensrechte-Inhaber liegt bei 61 Prozent.

Seit dieser Pioniertat hat sich Deutschland in Sachen Namensvermarktung heftig entwickelt: Von den derzeit 119 Stadien oder Arenen in Europa mit dem Namen eines Unternehmens stehen 52 in Deutschland.

Naming-Right bietet gegenüber anderen Kommunikationsformen - etwa dem weitaus beliebteren Trikotsponsoring - viele Vorteile: Eine Arena ist unabhängig von Leistungsschwankungen oder Dopingskandalen und bedeutet ein Alleinstellungsmerkmal in einer Sportart, in der sich das Verhältnis zwischen der Anzahl von Sponsoren und der Aufnahmefähigkeit der Zuschauer zunehmend verschlechtert.

Bernd Reichstein, Präsident des Fachverbands für Sponsoring und Sonderwerbeformen (FASPO), erklärt: "Ein Naming-Right bietet eine sehr spezifische und andere Kontaktqualität als beispielsweise ein Trikotsponsoring. Mit ihm erreicht ein Sponsor besonders bundesweit hohe Kontaktzahlen, während ein Trikotsponsor über die Berichterstattung auch regional eine starke Präsenz erreicht."

Spitzenreiter beim Verkauf des Stadionnamens sind der FC Bayern München und sein Juniorpartner TSV 1860 mit dem Partner Allianz. Die Einnahmen pro Jahr betragen sechs Millionen Euro bei einer Vertragslaufzeit von 15 Jahren. Zum Vergleich: Die Fluglinie Emirates zahlt dem englischen Klub Arsenal London für den Namen des neuen Stadions ab der nächsten Saison 3,7 Millionen Euro pro Jahr.

Steven Althaus, Leiter Marketing Kommunikation Allianz AG, München, zeigt sich vom bisherigen Erfolg des Kommunikations-Engagements angetan: "Jede Allianz-Tochter und jeder Vertreter profitiert von dem Sponsoring. So nutzt der Vertreter zum Beispiel die Allianz Arena zur Kundenbindung, indem er Karten für Fußballspiele aus einem festen Kartenkontingent erwerben kann. Außerdem erhält er Werbematerial, das er für Aktionen nutzen kann."

"Klassische Maßnahmen und Promotions" sollen die Nürnberger Fans besänftigen, die sich an den neuen Namen easyCredit Stadion gewöhnen sollen. (Foto: N/A)

Die Allianz inszenierte im Jahr 2005 mehr als 500 Veranstaltungen rund ums Thema Fußball und schickt in diesem Jahr eine Mini-Allianz-Arena in den Maßen 12 mal 19 Meter auf Speed-Soccer-Tour. Von Beginn an betrachtete der Finanzdienstleister das Engagement immer unter dem Aspekt: Was hat der Vertrieb davon?

Die Allianz Arena erreichte in der ersten Saison mit über 70 Prozent den höchsten Bekanntheitsgrad aller Bundesliga-Stadien - einer der höchsten ungestützten Wahrnehmungswerte, der im Fußball-Sponsoring je ermittelt wurde. Protestaktionen von Anhängern? Fehlanzeige.

Althaus: "Bereits während der Bauphase lag ein Fokus unserer Kommunikation auf PR-Maßnahmen, um den Namen Allianz Arena zu platzieren: Journalisten-Events vor Ort, eigener Internet-Auftritt, Mitarbeiterkommunikation und der Vertrieb von Postern und Give-aways."

Obwohl sich die Umbenennungen als Kommunikations- und Vertriebsplattform bewährt haben und Agenturen wie Sport + Markt den Namensgebern der Bundesliga-Stadien erstklassige Leistungsdaten bescheinigen, ist der Namensverkauf kein Selbstläufer.

Dies liegt zum einen an den Objekten der Begierde. Von den 35 Stadien der 1. und 2. Bundesliga sind maximal 20 bis 25 vermarktbar. Die übrigen sind wegen zu geringer Zuschauerzahlen oder schlechter Bausubstanz und fehlender Infrastruktur nicht interessant.

Zum anderen sehen selbst Unternehmen, die sich Trikot-Sponsorships leisten, die Vorteile des Erwerbs von Namensrechten nicht. Marcel Cordes, Vorstand von Sport + Markt: "Viele haben das Potenzial dieses Kommunikations-Tools noch nicht erkannt oder es ist ihnen zu langfristig angelegt."

Außerdem seien Leistungsbausteine wie die Sichtbarkeit eines Logos bei klassischem Sponsorship leichter zu erheben als die vielschichtigen Effekte eines Naming-Rights, das in erster Linie als redaktionelles Kommunikationsinstrument wirke.

Die größten Hindernisse türmen sich indes in den Vereinen selbst, respektive bei den Fans auf. Wo immer ein Traditionsverein den Namen seiner Spielstätte verkauft, gibt es einen Aufschrei: So war es in Hamburg bei der Umbenennung des Volksparkstadions in AOL Arena, obwohl ein Umbau die Namensänderung begünstigte.

So war es auch bei Schalke 04, wo die Fans seit Saisonbeginn 2005 in die Veltins Arena gehen, obwohl sich Rudi Assauer nach dem Neubau im Fachmagazin "W&V" noch gegen eine solche Vermarktung ausgesprochen hatte. "Eines hätten wir nie mitgemacht: Dass irgendein Konzern kommt und für viel Geld den Namen der Arena kauft", hatte der mittlerweile zurückgetretene Manager des Traditionsclubs getönt.

Doch harte Zahlen schaffen Fakten, und die Bilanzen bei Schalke sind dunkelrot. Da sind rund drei Millionen Euro pro Jahr über eine Vertragsdauer von zehn Jahren sehr willkommen.

Auch in Dortmund, wo das Westfalenstadion seit Ende 2005 für rund vier Millionen Euro im Jahr Signal Iduna Park heißt, beschleunigte die Finanznot die Entscheidungsfindung.

Markenexperten Jürgen Häusler, CEO bei Interbrand Zintzmeyer & Lux, Zürich, sieht die Vergabe von Namensrechten ebenfalls zwiespältig: "Der Verein nimmt in vielen Fällen seinen Fans ein Stück lieb gewonnene Tradition.

Trotzdem kann im Idealfall eine Win-win-Situation entstehen." Dieser Fall trete ein, wenn die Partner optimal zueinander passen und das Engagement in ein Kommunikationskonzept nachvollziehbar eingebettet sei.

An einem solchen hat es in Nürnberg bei der Umbenennung des Frankenstadions offenbar gehapert. Zwar sprach die Norisbank zuvor mit Fangruppen und wichtigen Multiplikatoren - anscheinend aber zu spät.

Seit Vertragsbeginn stiftete der Finanzdienstleister deshalb zehn Fanbusse zu jedem Auswärtsspiel und verloste und verschenkte für das erste Heimspiel 10.000 Freikarten. Ab der kommenden Saison soll das Engagement noch ausgeweitet werden.

Marketingleiter Henning Hintze: "Wir werden das Namensrecht mit klassischen Maßnahmen und Promotions unterstützen, um so nicht nur die Bekanntheit auszubauen, sondern vor allem auch die Sympathiewerte zu steigern."

Bis 2011 haben die Club-Fans Zeit, sich an den Stadionnamen easyCredit zu gewöhnen - so lange läuft der Namensvertrag.

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