Fusionen :Es rumpelt 

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Industriegase wie Sauerstoff oder Stickstoff werden in vielen Branchen bei der Produktion eingesetzt. Das Geschäft gilt als einträglich. Jetzt will Linde mit dem US-Konzern Praxair fusionieren. Doch ständig gibt es dabei neue Probleme.

Von Caspar Busse, München

Diese Fusion wäre eine der größten, die je zwischen einem deutschen und einem amerikanischen Unternehmen eingefädelt wurde, aber richtig gut läuft es wahrlich nicht. Die deutsche Traditionsfirma Linde und der US-Konkurrent Praxair wollen sich zusammenschließen und einen weltweiten Marktführer bei Industriegasen schaffen, es ist ein 60-Milliarden-Euro-Geschäft. Doch wird es auch so kommen, wie es sich die Verantwortlichen ausgedacht haben, allen voran Linde-Chefaufseher Wolfgang Reitzle?

Schon bislang liefen die Gespräche mit der europäischen Wettbewerbsbehörde äußerst zäh, offenbar werden erhebliche Zugeständnisse gefordert. Jetzt hat die EU-Kommission in Brüssel Linde informiert, dass die laufende Frist für die kartellrechtliche Prüfung zunächst unterbrochen wird. Sie sollte eigentlich bis Mitte Juni laufen. Der Grund: Es stehen nicht alle angeforderten Informationen zur Verfügung. Offenbar sind die Brüsseler Beamten ziemlich ungehalten, weil die Verantwortlichen von Praxair nicht ausreichend kooperieren. Bei Beteiligten heißt es, die Amerikaner hätten offenbar keine Erfahrung im Umgang mit Kartellbehörden.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Praxair-Leute für Ärger sorgen. Erst vor wenigen Monaten hatte sich Matthew White, Finanzvorstand bei Praxair, bei nicht-öffentlichen Treffen mit Investoren ausführlich über die Lage bei Linde geäußert und dabei über den möglichen Verkauf ganzer Unternehmensteile des Partners sinniert. "Das hat uns nicht kaltgelassen", schimpfte damals Linde-Chef Aldo Belloni. Nicht die erste Aufregung: Schon zuvor hatten die Arbeitnehmervertreter die geplante Fusion scharf kritisiert, Linde werde unter Wert an die Amerikaner verkauft, hieß es. Zudem gibt es Befürchtungen, der Linde-Anlagenbau könnte abgestoßen werden. Offiziell ist von einer "Fusion unter Gleichen" die Rede, der neue gemeinsame Konzern soll auch Linde heißen, er wird aber in den USA sitzen und vom Amerikaner Steve Angel geführt.

Es rumpelt also. Ein Linde-Sprecher teilte zur jüngsten Nachricht aus Brüssel mit: "Die Fusionspartner arbeiten weiter daran, den Zusammenschluss wie geplant in der zweiten Jahreshälfte 2018 zu vollziehen." Erst in der vergangenen Woche hatte Linde-Chef Belloni Zuversicht demonstriert und gesagt, die Fusion sei auf gutem Weg. Doch die Zeit wird knapp, denn die Fusion muss aus aktienrechtlichen Gründen bis spätestens 24. Oktober stehen. Die Aktionäre haben dem Vorhaben zugestimmt, die Fusion kann aber an zu hohen Auflagen oder dem Veto der Kartellämter scheitern. Neben Brüssel müssen weitere acht wichtige Wettbewerbsbehörden die Erlaubnis erteilen, Zustimmung gibt es bisher nur aus Russland.

Industriegase wie Sauerstoff, Stickstoff oder Edelgase werden in vielen Branchen bei der Produktion eingesetzt. Das Geschäft gilt als einträglich. Gemeinsam kämen beide Unternehmen auf einen Umsatz von fast 30 Milliarden Euro und 88 000 Mitarbeiter. Der Umsatz von Linde stieg 2017 um zwei Prozent auf 17,1 Milliarden Euro, das operative Ergebnis um vier Prozent auf 4,2 Milliarden Euro. Die Zahlen sind mittlerweile besser als die von Fusionspartner Praxair, an der Börse sind die Amerikaner kaum noch mehr wert als Linde. Würde die Fusion heute beschlossen, dann also möglicherweise unter anderen Vorzeichen.

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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