Führungsspitzen:Von den Socken

Lesezeit: 2 min

Weltbankpräsident Paul Wolfowitz fiel neulich dank seiner löchrigen Socken auf. Doch auch in Deutschland haben hochbezahlte Manager oft Probleme mit ihren Strümpfen.

Hermann Unterstöger

Da soll noch jemand behaupten, der Islam sei für die Herausforderungen der Gegenwart nicht gerüstet. Vor ein paar Tagen wurde aus Istanbul gemeldet, dass an Moscheebesucher kleine Plastiküberzüge ausgegeben würden, auf dass sie, wenn sich ihre Socken in einem traurigen Zustand befinden, nicht in Verlegenheit gerieten.

Die Socken von Weltbankpräsident Paul Wolfowitz (Foto: Foto: AP)

Der wache Zeitgenosse wird sich sofort daran erinnern, dass Weltbankpräsident Paul Wolfowitz kürzlich in Edirne sehr auffiel: Als er beim Besuch der Selimiye-Moschee die Schuhe ablegte, wies er zwei Socken vor, die jeweils vorne ein Riesenloch hatten. Das war Ende Januar - und schon ist ein menschlich höchst anständiger Sockenerlass da.

Dessen ungeachtet hat die Affäre unter Führungskräften einige Irritation ausgelöst. ,,Was hat Wolfowitz, das ich nicht habe?'', fragen sich viele von ihnen. Die einzig richtige Antwort, nämlich ,,Löcher in den Socken'', führt aber aus der Irritation keineswegs heraus, sondern eher noch tiefer in sie hinein.

Es ist ja nicht damit getan, dass einer wie Wolfowitz Löcher in den Socken hat - das haben hiesige Manager auch oft. Der Casus knacksus, wie man in den VIP-Lounges gerne sagt, ist vielmehr der, dass Wolfowitz seine Löcher zeigen kann und dafür in alle Zeitungen kommt, wohingegen eine normale Karriere nach so einer Performance zumindest stagnieren würde, und zwar länger, als bis die fraglichen Socken wieder gestopft wären.

Nicht jedem ist es gegeben, das Thema Socken derart leichtfüßig anzugehen wie Albert Einstein. ,,Wozu Socken'', soll er einmal gesagt haben, ,,sie schaffen nur Löcher.'' Einem Denker wie ihm ziemt so ein ontologischer, Existenz und Sinn des Sockens hinterfragender Ansatz, wobei Einstein nicht der Schelm hätte sein müssen, als der er beschrieben wird, hätte er diese seine Frage nicht ins Paradoxe zu wenden gewusst.

Schließlich sind es im normalen Leben nicht die Socken, die Löcher schaffen. Sie widerfahren ihnen, und zwar von den Menschen, die darin stecken. Wäre dem nicht so, könnte man ja auch fragen: Wozu der Kosmos? Macht doch nur Schwarze Löcher. Dabei hat sie Einstein gemacht, sozusagen, mit seiner Relativitätstheorie.

Wir sind, wie es scheint, ein wenig vom eigentlichen Thema abgekommen. Im Arbeitsleben haben Socken eine größere Bedeutung, als ihre eine, aus den Schuhen ragende Hälfte ahnen lässt. Ein Mitarbeiter, der weiße Socken trägt, wird eingeschätzt, als hätte er silberne Löffel gestohlen, nur dass man ihn nicht abmahnen kann - selbst dann nicht, wenn seine Socken so kurz sind, dass im Sitzen die Waden zum Vorschein kommen.

Man muss bei der Gelegenheit ein sehr irrationales Phänomen erwähnen. Während die nackte Wade als peinlich gilt und wahrscheinlich verschlüsselt in die Personalakte kommt, können Kollegen, die barfuß in geflochtenen Mokassins stecken, durchaus reüssieren.

Paul Wolfowitz haben die Löcher in den Socken, wie gesagt, nicht geschadet. Völlig anders erging es einem Drogenabhängigen, der eine Bank in Porz bei Köln überfiel und dabei fast 12000 Euro erbeutete. Auch er trug Socken, allerdings an den Händen, um keine Spuren zu hinterlassen. Da diese Socken ebenfalls Löcher hatten, gerieten seine Fingerabdrücke auf den Zettel mit der Aufschrift ,,Bitte Geld raus'', den er der Kassiererin reichte. Die Lehre daraus? Nur ganze Socken tragen, wann und wo auch immer.

© SZ vom 5.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: