Führungsspitzen:Mein Chef, der Tyrann

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Ein tyrannischer Chef ist der Alptraum eines jeden Angestellten. Doch eine neue Studie zeigt: Wer sich als Despot gibt, der kommt in einem Unternehmen besonders weit.

Hermann Unterstöger

Wie es mit den Tyrannen ausgeht, weiß man ziemlich gut. In Platons ,,Politeia'' ist zu lesen, dass normal verschmutzte Seelen von Verstorbenen nach einer gründlichen Reinigung zur Wiedergeburt freigegeben werden.

Auf die Seelen der Tyrannen aber warten wilde, feurig anzusehende Männer, die sie ergreifen und wegführen, verprügeln, in die Dornen werfen und am Ende in den Tartaros stürzen. Dass dort, ebenso wie in der christlichen Hölle, Heulen und Zähneknirschen herrschen, darauf kann man Gift nehmen.

Umso erstaunlicher, welcher Beliebtheit sich das Laster der Tyrannei nach wie vor erfreut - bei denen jedenfalls, die es ausüben. Das muss gar nicht in einem ganzen Staat geschehen, den ein Tyrann unterjocht und aussaugt. Da reicht schon eine Firma, der so ein Typ als Chef vorsteht und in der er sich aufführt wie die sprichwörtliche Axt im Walde.

Auf der anderen Seite sieht die Sache naturgemäß völlig anders aus. Da leidet man, dass es, wenn es mit rechten Dingen zuginge, zum Himmel schriee. Man hat jedoch, bei der heutigen Arbeitsmarktlage, so gut wie keine Gelegenheit, dem diktatorischen Vorgesetzten zu entweichen. Über den Tyrannenmord, eine sonst durchaus erlaubte Handhabe zur Wiederherstellung rechtlicher Zustände, darf man zwar nachdenken, mehr aber auch schon nicht.

Im Vorfeld - was nicht alles in den Vorfeldern geschieht! - einer Management-Akademie in Philadelphia wurde kürzlich eine Studie vorgestellt, die den tyrannischen Chef beleuchtete. Und wie sieht er in dieser Beleuchtung aus?

Zügiger die Karriereleiter hinauf

Wie man es immer schon vermutet hatte: Nicht nur, dass er seinen Untergebenen Schlafstörungen, Albträume, Depressionen, Erschöpfungszustände und ähnliche Scherereien bereitet, nein, er wird dafür nicht einmal gerügt, profitiert vielmehr von seinem Verhalten, indem er zügiger als andere die Karriereleiter hinaufsteigt.

Die Studie belässt es nicht bei dieser Diagnose, sondern gibt auch einen guten Rat: Sobald ein Vorgesetzter durch autoritäres Verhalten auffällig würde, sollte der nächsthöhere Vorgesetzte eingreifen und den angehenden Tyrannen in seine Schranken weisen. Das klingt vernünftig, weckt jedoch die Frage, ob der Ranghöhere seinerseits nicht ebenfalls ein Tyrann ist: Wie anders wäre er sonst so hoch aufgestiegen?

Eine zweite Frage schließt sich an: Wenn der Höhere ein alter Tyrann ist, wieso hat dann der, den er jetzt bremsen soll, tyrannische Gelüste, statt sich wie unsereins mit Schlafstörungen, Albträumen, Depressionen und Erschöpfungszuständen zu plagen?

So gut die Studie despotische Chefs beleuchtet, so deutlich wirft sie Schatten auf das in Führungskreisen hochbeliebte Alpha-Tier. Dieses bezieht seine Würde und Seriosität vornehmlich aus der Vermutung, in ihm paare sich Kraft mit Erfahrung, Umsicht mit Planungssicherheit, Strenge mit Güte - eine Vermutung, die oft schon unter den Beta-Tieren aufs Heftigste angezweifelt wird und die in den ganz niedrigen Rängen, also bei den Omega-Tieren, meist nur höhnisches Gelächter auslöst.

Kritiker der Alpha-Tiere haben es nun noch ein bisschen leichter als bisher, weil sie diesen unterstellen können, sie hätten nicht aufgrund der genannten Tugenden reüssiert, sondern dank einiger Eigenschaften, die ihre Besitzer, von ,,Dionys dem Tyrannen'' bis herauf zu Stalin und Ceausescu, immer schon vorangebracht haben.

© SZ vom 13.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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