Frauen und Altersvorsorge:"Besprechen Sie das mit Ihrem Mann"

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: sz)

Viele Frauen fühlen sich von Anlageberatern nicht ernst genommen.

Von Felicitas Wilke, München

Der Versicherungsberater von Nina Schulz macht eigentlich keinen schlechten Job. Freundlich sei er, ein Verkäufer-Typ eben und fachlich bestimmt in Ordnung. Aber wenn Schulz ihm eine Frage zur Lebensversicherung stellt, wende er sich ihrem Mann zu und gebe ihm die Antwort.

Und wenn sie mit dem Berater telefoniert, dann fielen schon mal Sprüche wie "Besprechen Sie das noch mal mit ihrem Mann". Und das, obwohl sie sich um die gemeinsamen Finanzen kümmert. "Es gibt immer wieder Situationen, in denen ich mich vor den Kopf gestoßen fühle", sagt die 29-jährige Angestellte.

Ihren echten Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen. Wie ihr geht es vielen Frauen. Anders als in früheren Generationen wollen sich heute knapp zwei Drittel der Frauen im Alter finanziell vor allem auf sich selbst verlassen. Das zeigt eine Studie im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Doch die Berater sind den Frauen auf der Suche nach der klügsten Anlagestrategie nicht immer eine Hilfe. Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group fragte vor einigen Jahren etwa 12 000 Frauen aus 21 Ländern, was sie von der Beratung bei Banken und Versicherern halten. Mehr als 70 Prozent der Befragten gaben an, unzufrieden zu sein.

Manche berichteten, von ihrem Gegenüber von oben herab oder wie ein kleines Kind behandelt zu werden, andere beklagten wie Schulz, dass die Berater vor allem mit dem Mann sprechen - auch dann, wenn die Frau die Frage gestellt habe.

"Die Bankbranche ist gerade in Deutschland stark männlich geprägt", sagt Fleur Platow, die sich als Publizistin seit vielen Jahren mit dem Thema Frauen und Finanzen befasst und Seminare dazu hält. Bis vor einigen Jahren hätten den männlichen Beratern auch überwiegend männliche Kunden gegenüber gesessen. "In den Köpfen vieler Bankberater herrscht immer noch das traditionelle Bild, dass Frauen von der Geldanlage nicht viel Ahnung haben", sagt Platow. Das spiegle sich im Verhalten wider.

Sie sei noch nie wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden, sagt Annegret Stolberg. Sie leitet die Frankfurter Niederlassung von HSBC Deutschland und hat in der männerdominierten Finanzbranche eine gute Karriere hingelegt. Kundinnen hingegen berichteten ihr immer wieder von blöden Sprüchen oder einer herablassenden Attitüde in der Bank, sagt sie. "Manche Berater scheinen den Frauen schlichtweg nicht zu glauben, dass sie Geld anzulegen haben", sagt Stolberg. Das gelte auch für gut verdienende, vermögende Frauen, die Stolberg schwerpunktmäßig betreut.

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Dabei gäbe es genügend Gründe, umzudenken. Etwa drei von vier Frauen hierzulande verdienen ihr eigenes Geld, knapp 30 Prozent der Führungskräfte in Deutschland sind weiblich. Diese Zahlen ändern zwar nichts daran, dass viele Frauen nur in Teilzeit oder in schlecht bezahlten Minijobs arbeiten, zeigen aber dennoch: Die Frauen sind als Zielgruppe für Banken und Versicherer relevant. Viele denken an morgen. Die GDV-Studie zeigt, dass knapp drei Viertel der befragten Frauen bereits Verträge für die Altersvorsorge abgeschlossen oder Geld für die Rente angelegt haben. Bei den männlichen Befragten waren es mit 80 Prozent nicht viel mehr. Auch Bankerin Stolberg hat den Eindruck, dass die Geldanlage "zunehmend in den Hinterköpfen der Frauen verankert ist". Sie arbeitet seit 20 Jahren im Privatkundengeschäft und hat dabei eine Entwicklung miterlebt. "Zu Beginn meiner Laufbahn war es gerade bei Ehepaaren eher ein Männerthema, sich mit Geld auseinanderzusetzen", sagt Stolberg. Mit den Jahren habe sie beobachtet, dass Frauen vermehrt selbst an morgen denken und sich finanziell absichern.

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Es gibt unzählige Studien und Analysen, die sich damit beschäftigen, wie Frauen Geld anlegen. Oft heißt es, sie denken langfristiger als Männer und setzen auf weniger riskante Anlageformen. Während sich Stolberg nicht generell festlegen will, ob Frauen wirklich anders mit ihrem Geld umgehen, erkennt Beraterin Platow bei ihnen eine Tendenz, sehr vorsichtig zu sein. Viele parkten ihr Erspartes auf einem sicheren, aber nicht rentablen Bankkonto. "Es steht für viele Frauen schlicht mehr auf dem Spiel", sagt Platow. Schließlich setzen sie wegen der Babypause oft ihren Beruf aus oder arbeiten in Teilzeit. Die Folge: Sie zahlen weniger für die Rente ein und bekommen im Alter im Schnitt nur halb so viel Geld wie die Männer. Daher sind Frauen auch häufiger von Altersarmut betroffen. Wenn sie schon weniger Geld anlegen können, müsse es wenigstens sicher verwahrt sein. So denken viele Frauen.

Doch einige gehen Platow zufolge nicht nur vorsichtig mit ihrem Geld um, sondern sind auch im Gespräch mit dem Berater schüchtern. "Tendenziell sind es die ungeübten Frauen, die im Gespräch passiv bleiben und sich aus Unsicherheit nicht trauen, Fragen zu stellen", sagt Platow. Wer sich allzu sehr zurückhalte, gebe dem Gesprächspartner jedoch erst recht das Gefühl, überlegen zu sein.

In solchen Fällen empfiehlt Platow Frauen, sich ein Grundwissen über Anlageklassen anzueignen. Wer Ahnung habe, könne oft selbstbewusster auftreten. Nina Schulz hat dieses Selbstbewusstsein. Sie stellt ganz selbstverständlich Fragen - die Antworten erhält trotzdem ihr Mann. In Fällen wie diesen, sagt Platow, "würde ich meinen Hut nehmen und gehen". Schulz hat ihrem Berater nur eines seiner vielen Produkte abgekauft. Alles andere regelt sie über die Bank, bei den Beraterinnen ihres Vertrauens.

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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