Frankreichs neue Börsensteuer:Rolle rückwärts

Frankreichs Präsident Sarkozy will wieder einführen, was er einst abgeschafft hat: eine Börsensteuer. Allerdings ist das Vorhaben enger gefasst als die Finanzmarkttransaktionssteuer auf EU-Ebene. Noch ist unklar, was besteuert werden soll. Das zeigt, wie unvorbereitet Paris an die Sache herangeht.

Peter Blechschmidt, Helga Einecke, Guido Bohsem und Michael Kläsgen

Frankreich will vom 1. August an eine Börsensteuer einführen, die sich an der britischen Stempelsteuer orientiert. Die Regierung von Präsident Nicolas Sarkozy würde damit eine Steuer wieder einführen, die von der Ex-Finanzministerin und heutigen IWF-Chefin Christine Lagarde 2008 abgeschafft wurde. Damals beseitigte man die Steuer eigens, um dem Finanzplatz London mehr Konkurrenz zu machen.

Seit Ausbruch der Finanzkrise diskutieren Politiker in Europa über Steuern auf Finanztransaktionen, sind sich aber über das Ausmaß nicht einig. Eine Steuer soll die Finanzmärkte entschleunigen und die Finanzbranche an den Kosten der Krise beteiligen. Die EU-Kommission schlägt vor, ab 2014 eine Steuer auf alle Transaktionen von Aktien, Anleihen und Derivaten einzuführen.

Zustimmung bei der FDP

Großbritannien lehnt diese umfassende Steuer vehement ab, wie Regierungschef David Cameron gerade in Davos bekräftigte. London ist nicht nur der wichtigste Finanzplatz Europas, ein Fünftel aller globalen Finanzgeschäfte werden an der Themse getätigt. Nur der Aktienhandel wird besteuert und bringt dem Staat jährlich drei Milliarden Pfund ein.

Beim deutschen Koalitionspartner FDP traf Sarkozys Vorschlag auf Zustimmung. Das Präsidium habe "mit Freude" zur Kenntnis genommen, dass Paris seine Position geändert habe, sagte Generalsekretär Patrick Döring. Statt eine Steuer auf Finanztransaktionen generell zu fordern, bewege sich Sarkozy nun mehr in Richtung auf die britische Stempelsteuer, mit der in London der Aktien- und Optionshandel belegt ist. Damit nähere sich Frankreich dem kürzlich von Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler unterbreiteten Vorschlag an.

Bedenken hat die FDP allerdings wegen Sarkozys Alleingang. Der berge die Gefahr, dass Geschäfte aus Frankreich abwanderten. Die FDP hoffe deshalb, dass Sarkozys Vorschlag in eine gemeinsame Regelung aller 27 Staaten münden werde. Das Finanzministerium zeigte sich deutlich zurückhaltender. Die Bundesregierung setze weiterhin auf eine Verwirklichung des Vorschlags der Kommission, die eine Finanztransaktionssteuer für alle EU-Länder vorsehe.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits mit einer Finanztransaktionssteuer sympathisiert und vorgeschlagen, diese nur in der Euro-Zone einzuführen. Ihr Parteifreund, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, dagegen fürchtete, dass der Finanzplatz Frankfurt unter einem Alleingang leidet. Auch die deutsche Finanzbranche zeigte sich nicht begeistert. "Der von Sarkozy angekündigte französische Alleingang ist ein Irrweg", meinte Michael Kemmer vom Bankenverband. Frankreich schade seiner eigenen Volkswirtschaft. Schweden habe in den achtziger Jahren eine Börsensteuer versucht und schnell wieder aufgegeben. Eine solche Steuer stabilisiere weder die Finanzmärkte, noch setze sie an den Ursachen der derzeitigen Krise an. Werde eine Finanzmarktsteuer nicht weltweit oder zumindest europaweit - also einschließlich des Finanzplatzes London - eingeführt, benachteilige sie die betroffenen Finanzstandorte und lasse gravierende Wettbewerbsverzerrungen entstehen.

Die neue Abgabe in Frankreich soll verschiedene Handelsaktivitäten wie den computergesteuerten Hochfrequenzhandel sowie den Aktien- und Derivatehandel mit einer Abgabe von 0,1 Prozent des Volumens belasten. Staatsanleihen und Unternehmensanleihen sind ausdrücklich ausgenommen. Damit ist das Vorhaben enger gefasst, als das, was auf EU-Ebene geplant ist.

Was genau besteuert werden soll, wird im Pariser Finanzministerium in diesen Tagen erst noch ausgehandelt. Das zeigt nach Einschätzung von Fachleuten, wie unvorbereitet Paris an die Sache herangeht. Fest steht, dass der Kauf und nicht der Verkauf besteuert werden soll. Die Abgabe soll eine Milliarde Euro und damit vier Mal mehr einbringen als die 2008 abgeschaffte Steuer. Die Einnahmen dienen dem Defizitabbau und nicht wie ursprünglich beabsichtigt der Reduzierung der Arbeitskosten. Besteuert werden in Frankreich notierte französische Unternehmen, keine ausländischen. Damit will die Regierung vermeiden, dass Konzerne den Finanzplatz Paris verlassen. Etwa 50 ausländische Unternehmen wären betroffen.

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