Frankfurter Flughafen:Wer kontrolliert hier wen?

Lesezeit: 3 min

Die Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma sehen sich rüden Maßnahmen ausgesetzt.

Von Markus Balser und Uwe Ritzer, Berlin/Frankfurt

Die Betriebsratssitzung hat gerade begonnen, als Geschäftsführer Glenn Murphy und die Personalchefin den Raum betreten. Arbeitnehmervertreter erzählen hinterher, sie hätten sich nichts dabei gedacht, schließlich habe bei der Sitzung am 6. September das monatliche Routinetreffen mit der Firmenleitung angestanden. Dann aber habe der Geschäftsführer erklärt, diesmal laufe die Sitzung etwas anders, erzählt ein Teilnehmer. Anschließend hätten er und die Personalchefin dem Betriebsratsvorsitzenden Mario S. eine schriftliche Anfechtung seines Arbeitsvertrages und ein Hausverbot ausgehändigt. S., der seit Jahren ohne Probleme im Unternehmen arbeitet, solle seinen Betriebsausweis abgeben und sofort das Unternehmen verlassen.

Kaum war Mario S. weg, wollten Murphy und die Personalchefin vom Betriebsrat die Zustimmung zu seiner fristlosen Kündigung. Das Gremium lehnte ab; nun liegt der Fall vor dem Arbeitsgericht. Überhaupt nehmen seither juristische Auseinandersetzungen Fahrt auf, die der Umstände und des Schauplatzes wegen nicht allein Sache des Unternehmens sind, in dem sie sich abspielen.

Das heißt I-Sec und kontrolliert mit 1300 Beschäftigten einen Großteil der Passagiere am Frankfurter Flughafen samt ihrem Handgepäck, ehe sie in die Maschinen steigen dürfen. Vordergründig spielt sich der Konflikt, der seit einigen Wochen massiv eskaliert, zwischen dem Unternehmen und seinen Betriebsräten ab. Dabei geht es allerdings auch um die Frage, ob die Sicherheitskontrollen an Deutschlands größtem Airport noch sorgfältig und streng genug vollzogen werden.

Mitarbeiter fürchten, dass sie die Sicherheit am Frankfurter Flughafen nicht mehr gewährleisten können. (Foto: Uwe Anspach/picture alliance/dpa)

Nein, sagen Arbeitnehmervertreter von I-Sec, die Flugsicherheit sei gefährdet. I-Sec beschäftige zu wenig Personal, diese Mitarbeiter seien völlig überlastet und frustriert. Die Zahl ihrer Überstunden sei astronomisch. Es gehe um Tausende pro Monat. Darunter leide zwangsläufig ihre Konzentrationsfähigkeit und Sorgfalt bei der Arbeit. Auch die eigentlich vorgesehene Rotation der Mitarbeiter an den Sicherheitsschleusen sei kaum möglich. Etwa 150 zusätzliche Leute wären nötig, sagen die Arbeitnehmervertreter. Unter den aktuellen Bedingungen seien Fehler und damit Sicherheitslücken wohl kaum zu vermeiden, warnt ein Insider.

Doch sachlich darüber diskutiert wird schon länger nicht mehr bei der Firma I-Sec, die sich selbst als Anbieter "fortschrittlicher Sicherheitsservices für die Luftfahrt" rühmt. Stattdessen wird mit immer härteren Bandagen gekämpft und zwar zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat. Mitarbeitervertreter, die Kritik an den Zuständen äußerten, würden systematisch eingeschüchtert, heißt es weiter. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert gar "Betriebsrats-Mobbing". Der Arbeitsvertrag des Betriebsrats, der sich seit Jahren für bessere Arbeitsbedingungen eingesetzt habe, sei aufgrund "teilweise hanebüchener Vorwürfe und unter Missachtung des besonderen Kündigungsschutzes" für "nichtig" erklärt worden. Im Streit gehe es um die Dienstplanung, Arbeits- und Gesundheitsschutz und die Einhaltung von Tarifverträgen. Eskaliert sei der Konflikt, als der Mitarbeiter dazu eine Betriebsversammlung und juristische Schritte vorbereitet habe. "Mit unlauteren Methoden wird die Mitbestimmung im Unternehmen behindert", so Verdi.

Wie hart die Bandagen sind, lässt ein Blick darauf vermuten, wer in dem Fall agiert. Das Unternehmen hat einen Rechtsanwalt engagiert, der wegen seiner rüden und in den Augen von Kritikern menschenverachtenden Methoden höchst umstritten ist: Helmut Naujoks, in Gewerkschaftskreisen häufig als Betriebsratsfresser tituliert. Der Arbeitsrechtler aus Hamburg rühmt sich gerne, jeden Betriebsrat sprengen und überhaupt alle vom Gesetz her Unkündbaren aus Unternehmen werfen zu können. Doch erst vorigen Sommer geriet Naujoks ins Zwielicht, als ein Detektiv, der mit ihm gearbeitet hatte, gegenüber Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR darlegte, er habe jahrelang immer wieder Mitarbeiter von Firmen in Fallen gelockt oder versucht, ihnen Straftaten anzuhängen, damit ihre Arbeitgeber sie leichter kündigen oder zumindest als Betriebsräte loswerden konnten. Darunter waren Firmen, bei denen Arbeitsrechtler Naujoks an Bord war.

Aus Sicht von Gewerkschaften folgt Naujoks einem zweifelhaften Drehbuch mit der Strategie, Arbeitnehmer zu zermürben, in dem er sie solange mit Anfechtungen, Kündigungen und Klagen überzieht, bis sie entnervt aufgeben. Er selbst bekräftigt, sich an die Gesetze zu halten.

Den Vorgängen bei I-Sec verleiht besondere Brisanz, dass sich die Vorgänge am Frankfurter Flughafen in einem unter Sicherheitsgesichtspunkten sensiblen Bereich abspielen. Die Firma agiert dort - und auch an anderen deutschen Airports - im Auftrag der Bundespolizei, deren oberster Dienstherr Innenminister Thomas de Maizière ist. Der Sprecher der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen bestätigt, dass seine Behörde um die internen und arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen bei I-Sec wisse. Doch man halte sich dabei heraus. Die Bundespolizei interessiere nur, ob I-Sec die Kontrollarbeit ordnungsgemäß verrichte. Und "da konnten wir bislang bei unangemeldeten Kontrollen und Realtests keinerlei Beanstandungen feststellen", sagt er. In Frankfurt kontrollieren drei Firmen Fluggäste und Handgepäck; neben I-Sec zwei Tochterfirmen des Flughafenbetreibers Fraport. I-Sec ist mit Abstand die größte. Das Unternehmen antwortete auf mehrere Anfragen und Anrufe der Süddeutschen Zeitung nicht.

Eine andere Behörde hat sich dagegen eingeschaltet. Für die Vorgänge interessiert sich inzwischen die Frankfurter Staatsanwaltschaft. Sie ermittle gegen zwei "Personen" der Firma I-Sec, sagt Oberstaatsanwältin Nadja Niesen. Es gehe um den Verdacht des Verstoßes gegen Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes, der Betriebsräte vor Eingriffen von außen und Repressalien schützt.

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: