Forschungsinstitut:Aufstand der Ökonomen

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Seit der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, den Leiter der Konjunkturabteilung feuerte, ist sein Haus in Aufruhr. Der DIW-Chef kämpft an zwei Fronten.

Von Michael Bauchmüller

An Gustav Horn wird Klaus F. Zimmermann noch lange zurückdenken. Seit Zimmermann, Präsident des renommierten Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), den Vertrag mit seinem Konjunktur-Experten Horn auslaufen ließ, brennt es im DIW lichterloh.

Klaus F. Zimmermann. (Foto: Foto: dpa)

Mitarbeiter sprechen hinter vorgehaltener Hand von einer "Palastrevolution" gegen Zimmermann. Der Präsident kämpft an zwei Fronten: Zum einen macht ihm das Gerücht zu schaffen, das Berliner Institut steuere in einen bedrohlichen Finanzengpass. Zum anderen lassen diejenigen nicht locker, die in der Entlassung Horns mehr sehen als nur eine Personalie, die für eine stärkere wissenschaftliche Ausrichtung der Konjunkturabteilung sorgen soll - wie Zimmermann argumentiert.

Neuester Schachzug des Horn-Lagers: ein von mehr als 50 Wirtschaftsprofessoren unterzeichneter Brief, der Kuratorium und Beirat auffordert, "sich mit der Angelegenheit nochmal zu befassen und eine Erklärung unter Würdigung der großen Verdienste von Herrn Horn abzugeben".

Auch die beiden Vorgänger haben unterschrieben

Neben dem DIW-Präsidium dürfen Kuratorium und Beirat bei den Personalentscheidungen mitreden. Das Prekäre am Brief: unterzeichnet haben auch die beiden Zimmermann-Vorgänger Lutz Hoffmann und Hans-Jürgen Krupp. Sie leiteten das DIW zwischen 1979 und 1988, beide arbeiteten mit Horn zusammen.

Die lange Unterstützerliste des Briefes, der von Horns Habilitationsvater, dem Berliner Ökonomen Jürgen Kromphard angestoßen worden war, kam offenbar mit Hilfe des gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Institutes zustande.

Vor dem Hintergrund der Horn-Demission ist die gewerkschaftliche Unterstützung kein Wunder: Der Abteilungsleiter Konjunktur stand im DIW für den Keynesianismus. In Zeiten wirtschaftlicher Schwäche, so das Credo, müsse der Staat mit zusätzlicher Nachfrage Impulse geben.

Eine Forderung, die auch Gewerkschaften gerne erheben. Einige Ökonomen fürchten nun, mit der Ablösung Horns werde einer der letzten prominenten Keynesianer in deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten kalt abserviert. "Das war eine Entscheidung, über die der Vorstand nicht diskutieren wollte", sagt ein DIW-Mitarbeiter. "Nun ist Zimmermann die nächste offene Frage."

Zimmermann selbst kann die Aufregung über die Causa Horn offenbar nicht recht nachvollziehen. In seinem Umfeld heißt es, der Präsident habe sich allein vom wissenschaftlichen Anspruch leiten lassen. Zimmermann wolle das Institut im internationalen Wettbewerb voranbringen. Sechs von sieben Abteilungsleitern hat er ausgewechselt, meist gab es kaum ein öffentliches Interesse.

Mit dem Keynesianer Horn sieht das anders aus. "Nur weil hier eine Personalie derartig politisiert wird, gerät dieses Thema an die Öffentlichkeit", heißt es in Zimmermanns Umfeld.

Dabei soll die Horn-Nachfolge an der Ausrichtung der Abteilung auf den ersten Blick nichts ändern: "Ein Ausweis in moderner keynesianischer Makroökonomie ist wünschenswert", steht in der Stellenausschreibung. Doch interne Kritiker Zimmermanns stoßen sich am Wort "wünschenswert". "Damit kann man auch jede andere Besetzung rechtfertigen", sagt einer.

Berufungskommission entscheidet

Letztlich entscheidet über die Besetzung allerdings eine Berufungskommission, in der allein die wissenschaftliche Qualifikation zählt.

Als wäre der Ärger noch nicht groß genug, muss Zimmermann seit kurzem auch noch Gerüchte über die geringe Liquidität seines Instituts zerstreuen. "Diese Verknappung gibt es immer wieder seit 20 Jahren", sagt er. "Das liegt daran, dass wir keine Rücklagen bilden dürfen. Daraus eine Finanzkrise zu machen, ist ein starkes Stück."

Aus dem Kreise der Zimmermann-Gegner verlautet wiederum anderes. "Die Finanzlage ist alles andere als harmlos", sagt ein Mitarbeiter. Nachdem das Institut im ersten Halbjahr noch einen Überschuss erwirtschaften konnte, werde das zweite durch die Sommerpause weitaus schlechter aussehen.

DIW-Chef Zimmermann dürfte sehr an einer schnellen Beruhigung der Lage gelegen sein. Im Herbst muss sich das DIW einer Überprüfung durch die Wissensgemeinschaft Leibniz (WGL) unterziehen. Sie untersucht die Arbeit der sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute - und empfahl erst jüngst die Zerschlagung des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs. Die Unruhe im Institut muss die WGL-Prüfer nicht beeindrucken, besonders förderlich ist sie aber nicht.

Zimmermann demonstriert unterdessen Zuversicht: "Wir wissen um unsere Stärken", sagt er. Und um seinen Job muss er auch nicht bangen: Im Unterschied zu Horn wurde sein Vertrag kürzlich verlängert.

© SZ vom 14.07.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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