Forschungs-Campus in Renningen:Einfach mal blubbern lassen

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Sieht aus wie ein Kunstraum für Gymnasiasten, ist aber das Denk-Labor von Bosch in der Nähe von Stuttgart. (Foto: Michaela Rehle/Bosch/PR)

Bosch meldet glänzende Geschäftszahlen und mehr Patente an als jede andere deutsche Firma. Damit das so bleibt, hat der Konzern auf der grünen Wiese ein Erfinder-Biotop erschaffen.

Von Stefan Mayr, Renningen

Bei Bosch herrscht Chaos und die Manager sind stolz darauf. Sie stecken sogar viel Geld in dieses Durcheinander, und wollen es wuchern lassen. Im neuen Forschungscampus in Renningen bei Stuttgart sitzen in der obersten Etage des futuristisch anmutenden Hochhauses nicht etwa die Mitglieder der Geschäftsführung, sondern Forscher und Erfinder. Ihr Auftrag: Neue Ideen zu entwickeln, um die Zukunft des 131 Jahre alten Betriebs zu sichern. Noch laufen die Geschäfte des Autozulieferers gut. Konzern-Chef Volkmar Denner nannte am Donnerstag im Auditorium des neuen Forschungscampus die Ergebnisse für 2016: 73 Milliarden Euro Umsatz, vier Milliarden operativer Gewinn. Der Ertrag war zwar etwas geringer als im Vorjahr, aber angesichts der hohen Investitionen immer noch ordentlich. Doch wie lange noch?, hatten sich die Manager des weltweit aktiven Technologieführers gefragt - und den Forschern daraufhin mehr Freiraum eingeräumt. An Freiraum denkt man auch, wenn man die zwölfte Etage des Hochhauses, "Plattform 12" genannt, betritt: Alte, abgewetzte Stühle und Werkbänke, an die raumhohen Fensterscheiben wurden Sprüche, Diagramme und Skizzen von technischen Geräten gekritzelt. Was da steht, darf auf keinen Fall veröffentlicht werden. Das ist die Bedingung, um die Plattform als Nicht-Bosch-Mitarbeiter besichtigen zu dürfen. In dem Raum, so groß wie eine Sporthalle, stehen gelbe Kisten voller Lego-Steine, bunte Behälter mit Knetmasse und Spielzeugautos. In der Ecke eine schwarze Liege mit Neonröhren-Beleuchtung und der Aufschrift " Intergalactic Couch Doctor". Vor der großen Fensterfront steht ein Tennis-Schiedsrichter-Hochstuhl, über den Sitz kann man eine schwarze Stoffhaube stülpen und sich zum Nachdenken von der Außenwelt abschotten. Auf einer fahrbaren Sitzgruppe sitzt Ursula Achternkamp. Die Bildhauerin passt mit ihren schweren braunen Wanderstiefeln und verwaschenen grauen Jeans irgendwie gar nicht zum Hersteller von ABS und ESP. Sie sagt: "Wir haben uns inzwischen gut aneinander gewöhnt." Die Gegensätze könnten kaum größer sein. Bosch, der traditionsreiche Technologiekonzern, will im Wettrennen um das Internet der Dinge und das autonome Fahren ganz vorne mit dabei sein, und Chef Denner prophezeit selbstbewusst: "Das Gehirn für selbstfahrende Autos kommt von Bosch". Im Labor auf Plattform 12 schieben derweil Ingenieure lustig Spielzeugautos hin und her und hängen in ihrer Arbeitszeit mit Künstlerinnen rum. Passt das zusammen? Ja, genau. "Nie war der Erfindergeist von Bosch so gefordert wie heute", sagt Chef Volkmar Denner. Er ist der Initiator des Forschungs-Campus, der auf einem ehemaligen Militärgelände am Waldrand hochgezogen wurde. Sein Ziel: 1200 Forscher und Entwickler aus verschiedenen Fachbereichen zusammenzubringen. Vorher arbeiteten sie an diversen schwäbischen Standorten - jeder für sich. Jetzt treffen sie sich auf der Plattform 12 und entwickeln gemeinsam neue Produkte. Mit dabei immer Künstler, die hier drei Monate auf Kosten von Bosch verbringen. "Sie sollen inspirieren, provozieren und zum Nachdenken anregen", sagt Birgit Thoben, die Innovations-Managerin von Bosch.

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