Forderung der Linken:Mehr Schutz für Anleger

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Die Finanzaufsicht soll Menschen im Kampf gegen Banken helfen und Klagen vereinfachen, fordert die Linkenfraktion.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Wer sich juristisch gegen eine Bank wehrt, kennt das Gefühl der Machtlosigkeit. Auch in Fällen, in denen man sich als Anleger im Recht glaubt, kann die professionelle Kälte der Gegenseite einschüchternd wirken. Ein Prozess ist zudem teuer, er dauert mitunter Jahre, und ein Sieg vor Gericht ist alles andere als sicher. "In den vielen Anlegerpleiten gilt die statistische Erfahrung, dass etwa 98 Prozent der privaten Anleger auf ihrem Schaden sitzen bleiben", sagt der Münchner Fachanwalt Peter Mattil.

Klagen ist teuer: Bei drei Gerichtsinstanzen und einem Schadensbetrag von 20 000 Euro müsse man mit Prozesskosten in selber Höhe rechnen. Die Großbanken ziehen meist durch alle Instanzen, und windige Graumarktanbieter haben nach der Pleite gar kein Geld, um die Investoren zu entschädigen. Viele Emittenten warten zudem nur darauf, bis berechtigte Ansprüche der Verbraucher verjährt sind. "Aus diesem Grunde riskiert die Finanzindustrie praktisch nichts, wenn sie schäbige Produkte auf den Markt bringt", sagt Mattil.

Nun fordert die Opposition die Bundesregierung auf, dieses Ungleichgewicht zwischen Finanzindustrie und privaten Geldanlegern zu beseitigen: Die Finanzaufsichtsbehörde Bafin solle die Rechte der Anleger besser schützen. "Die Bafin soll verpflichtet sein, mit gesetzlichem Auftrag die kollektive Rechtsverfolgung für die Anleger zu sichern, damit dann entsprechende Rechtsansprüche geltend gemacht werden können", sagt Susanna Karawanskij, Bundestagsabgeordnete der Linken. Die Fraktion wird bald einen entsprechenden Gesetzesantrag stellen, der die bisherige Regelung, das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz, ergänzen soll.

Als Vorbild dienen die USA. Dort haben Sparer deutlich mehr Erfolg bei Schadenersatzklagen. Ein Beispiel: Die Investmentbank Goldman Sachs einigte sich Anfang des Jahres mit dem US-Justizministerium auf eine Strafzahlung in Höhe von fünf Milliarden Dollar. Davon gehen 1,8 Milliarden Dollar an geschröpfte Anleger. Die Bank hatte vor der Finanzkrise dubiose Wertpapiere verkauft, in denen schlechte besicherte Hauskredite gebündelt waren. Als der Markt 2007 kollabierte, erwiesen sich diese Anleihen als wertlos. Viele Käufer klagten gegen die Bank und erhalten nun Geld. Die US-Finanzaufsicht hat damals das entsprechende Verfahren eingeleitet.

In Deutschland muss jeder Geschädigte individuell klagen, an Beweise kommt er nicht heran

"Wenn bei uns Ähnliches passiert, gibt es kein Verfahren, keine Maßnahmen der Aufsicht und keine Anlegerentschädigung", sagt Rechtsanwalt Mattil, der in seiner Stellungnahme vor dem Finanzausschuss des Bundestags eine Ergänzung des deutschen Gesetzes einforderte. In Deutschland müsse jeder Geschädigte auf dem Zivilrechtsweg individuell seine Schadensersatzansprüche einklagen. Die Anleger hätten zudem keine Chance, an die notwendigen Unterlagen und Beweise heranzukommen. Die Bafin müsste daher entsprechende Auskünfte anfordern und eine Frist zur Schadensregulierung setzen können. "Wenn diese Unternehmen darauf nicht eingehen, müsste dies Konsequenzen bis hin zum Entzug der Geschäftserlaubnis in Deutschland haben", sagt Mattil.

Der Rechtsanwalt führt seit Jahrzehnten Schadenersatzprozesse für Anleger gegen Banken. Er erinnert sich an zig Fälle, in denen Sparer nicht entschädigt wurden und Verantwortliche wenig zu befürchten hatten. Ein Beispiel: Lehman Brothers. Die US-Investmentbank ging 2008 pleite. Rund 50 000 Rentner in Deutschland hatten eine Milliarde Euro in Lehman-Zertifikate gesteckt. Auch Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfer hatten durch Gefälligkeitsratings und Testate Mitschuld an dem Lehman-Debakel. Doch deutsche Anleger erhalten von Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfern wohl keinen Schadenersatz mehr. Mit dem neuen Gesetz könnte das künftig anders laufen. "Die Bafin müsste die deutschen Tochtergesellschaften der meist amerikanischen Wirtschaftsprüfer und Ratingagenturen dazu auffordern dürfen, auf eine Verjährung zu verzichten, und einen Vorschlag zur Schadensregulierung gegenüber den deutschen Anlegern zu unterbreiten", sagt Mattil.

Hierzulande verlieren jedes Jahr Anleger viele Milliarden Euro, weil ihnen gut geschulte Verkäufer hochriskante und zum Teil unseriöse Finanzprodukte aufschwatzen. In einer Studie der Universität Bamberg, die allerdings schon einige Jahre alt ist, wird der jährliche Schaden von solchen Fehlinvestments in Deutschland auf 50 Milliarden Euro geschätzt.

Die Bafin soll nun nach Meinung der Linken die Anlegeransprüche in solchen Fällen kollektiv sichern, zumal viele Verbraucher keine Rechtschutzversicherung haben und sich einen Prozess gar nicht leisten können. Mit dem Machtzuwachs der Bafin könnten auch strategische Insolvenzen vermieden werden, die stets auf Kosten der Anleger gingen.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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