Ford:Ein ungewöhnlicher Erbe

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Warum sich der Milliardärssohn Bill Ford für die Familienfirma entschied - und gegen ein Leben voller Partys, Villen und Affären.

Michael Kuntz

Das Teil sieht martialisch aus: Der Ford F-250 Super Chief dominiert den Stand auf der Detroit Motor Show, und selbst die abgebrühtesten Motorjournalisten drücken sich an seinen Scheiben die Nasen platt, während sie die Pappschale mit Hähnchenschenkel und Pommes plus Mayonnaise und Krautsalat, ihren Lunch to go, beim Rundgang über den Stand des drittgrößten Autoherstellers der Welt leeren.

Entschied sich gleich nach dem Management-Studium an der Elite-Universität Princeton für eine Karriere im Familienbetrieb: Bill Ford. (Foto: Foto: dpa)

Namensgeber des Prototyps, der so protzig wohl nie in Serie gehen wird, sind die berühmten "American Super Chief"-Passagierzüge, die zwischen 1936 und 1971 alle Metropolen der USA miteinander verbanden. Die hohe Motorhaube, die flache Fensterlinie und der imposante Kühlergrill sind von den mächtigen Dieselloks dieser Züge inspiriert.

Riesenautos für ganz Amerika - das ist die Philosophie, mit der Ford Jahrzehnte lang Geld verdiente. Doch diese Zeit ist längst vorbei, lange vor dem "schwarzen Montag" dieser Woche, an dem Konzernchef William (Bill) Clay Ford jr. drastische Einschnitte bekannt geben musste.

Partys, Villen, Affären

Der 49-jährige Sohn aus Amerikas ältestem Industriellen-Clan hätte genug Geld für ein Leben voller Partys, Villen und Affären. Doch er entschied sich gleich nach dem Management-Studium an der Elite-Universität Princeton für eine Karriere im Familienbetrieb.

Dort irritierte er die Manager anfangs durch intensive Kontakte zu den Gewerkschaften. Zweieinhalb Jahrzehnte später hat er das Image eines Visionärs mit konservativen Wertvorstellungen.

So setzte Bill Ford durch, dass jeder Fabrikarbeiter einen Computer erhält und daran ausgebildet wird. Ford sorgte für die Umsetzung der Normen des Kyoto-Protokolls zur Minderung des Ausstoßes von Kohlendioxid und begreift den Umweltschutz als Beitrage zur Optimierung der Arbeitsprozesse.

Konzernchef wurde Bill Ford im Herbst 2001 durch einen Überraschungscoup. Seit mehr als 20 Jahren hatte kein Mitglied der Gründerfamilie, die 40 Prozent der Stimmrechte hält, das Unternehmen geführt.

Gewinne durch Pick-ups - bis die Asiaten kamen

Bill Ford löste damals Jacques (Jac) Nasser ab, der den Autohersteller in eine schwere Schieflage manövriert hatte durch aufwändige Internet-Projekte und etliche Zukäufe von Firmen, die wenig Geld verdienten.

Die Gewinne kamen von den in Amerika so beliebten Pick-ups mit Fahrerkabine und Pritsche sowie den spritschluckenden Geländewagen, den Sports Utility Vehicles (SUV). In diesem Segment griffen die asiatischen Hersteller erfolgreich an.

Hinzu kam die Affäre um die platzenden Reifen des Bestsellers Ford Explorer. Nasser ließ alle Reifen austauschen - das kostete Milliarden und brachte Bill Ford auch persönlich in Verlegenheit: Seine Mutter ist eine geborene Firestone.

Die heutigen Schwierigkeiten gehen vor allem auf die von General Motors ausgelöste Preisschlacht zurück, mit denen der Marktführer seine spritschluckenden großen Autos trotz hoher Benzinpreise loswerden wollte.

Vegetarier, Weinverächter - ein Mann mit Zukunft

Hinzu kam der Druck aus Japan: Toyota verdrängte Ford vom zweiten Platz unter den größten Autoherstellern der Welt.

Die neuen Sanierungsmaßnahmen sind nicht die ersten: Bereits im September hatte Ford angekündigt, die Zahl seiner Lieferanten aus Kostengründen von über 2500 auf unter 1000 verringern zu wollen.

Kurz darauf verkauft Ford den ertragstarken Autovermieter Hertz für 5,6 Milliarden Dollar an Finanzinvestoren, die zusätzlich noch Schulden von 9,4 Milliarden Dollar übernehmen. Hertz hatte vor dem Verkauf fast noch so viel verdient wie Ford Europa und die Luxuswagen-Sparte PAG zusammen.

Bill Ford, vom World Economic Forum in Davos als ein Mann der Zukunft (Global Leader for Tomorrow) ausgeguckt, ist entgegen dem ersten Anschein auch privat ein harter Bursche: Er spielt Tennis und Hockey, hat sogar den Schwarzen Gürtel im Taekwondo.

Bill Ford ist Vegetarier und lässt auch das beste Glas Rotwein stehen. Mit seiner Frau Lisa und vier Kindern verließ er die Milliardärs-Residenz und bezog ein Reihenhaus im Universitätsstädtchen Ann Arbor in der Umgebung von Detroit.

Im Mai vorigen Jahres hatte Bill Ford bekannt gegeben, dass er auf jegliches Gehalt verzichte, bis der Autokonzern wieder dauerhaft rentabel arbeite.

Nun spielt das Gehalt bei einem Mitglied der Familie Ford nicht eine so zentrale Rolle wie im Leben der meisten Arbeitnehmer, dennoch steht nach dem Schwarzen Montag für den Autokonzern fest: Es könnte noch eine Weile dauern, bis Ford an Bill Ford wieder Gehalt überweist.

© SZ vom 24.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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