Folgen der Wirtschaftskrise:Handeln für die ganze Welt

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Die Stunde der Politik: Die Weltwirtschaft steht am Abgrund. Um den Absturz in die globale Depression zu verhindern, reisen Finanz- und Geldpolitiker immer öfter um Erde.

Nikolaus Piper

Die Politiker und Notenbankchefs treffen sich auf Gipfeln, Arbeitssitzungen und Konferenzen, so am vergangenen Wochenende in Berlin, demnächst in London, in Washington und anderswo. Banker und Geldmanager, die vor zwei Jahren noch wie Herren des Universums aussahen, müssen nun demütig bei Regierungen um Kapital betteln. Von Kanzlern und vor allem vom neuen amerikanischen Präsidenten wird erwartet, dass sie die Welt retten.

Angela Merkel, hier eingerahmt von Gordon Brown und Nicolas Sarkozy, am Sonntag in Berlin. (Foto: Foto: Reuters)

Aber: Staatliches Handeln zieht oft unbeabsichtigte Nebenwirkungen nach sich und enttäuscht überhöhte Erwartungen. Ja, am Anfang dieser Krise stand das Versagen von Managern und von Märkten, aber eben auch das von Politikern und Beamten. Sie erkannten Probleme nicht, als diese längst sichtbar waren, und missachteten viele Warnsignale. Kein Staat auf der Welt kann Wunder vollbringen, und wer solche erwartet oder verspricht, der verhindert, dass die begrenzten, aber sehr elementaren Aufgaben erfüllt werden, die sich der Politik jetzt stellen.

Es ist dies nun auch die Stunde der Nationalstaaten - und das ist Teil des Problems. Denn die Wirtschaftskrise ist global, Regierungen handeln aber national; sie sind ihren Wählern verpflichtet und stehen unter dem Druck nationaler Interessengruppen wie nationaler öffentlicher Meinungen. Der Glaube an den Staat ist derzeit grenzenlos, besonders in Deutschland. Das ist durchaus verständlich, aber auch gefährlich, denn wer an den Staat glaubt, glaubt notwendigerweise an den Nationalstaat. Das birgt Gefahren: Derzeit führen die nationalen Rettungspakete für die Banken dazu, dass massiv Kapital aus Ländern mit schwächeren Banksystemen abgezogen wird, vor allem aus Osteuropa, aber auch aus Lateinamerika. Rettungsaktionen für die nationale Industrie schaden aber in der Regel anderen Ländern.

Zentrale Aufgabe der globalen Krisendiplomatie ist es daher jetzt, zu verhindern, dass sich die Nationalstaaten gegenseitig schaden und so die Situation noch schlimmer machen. Kurzfristig geht es darum, den Absturz in die Depression zu stoppen - und langfristig, die Wiederholung einer derartigen Krise auszuschließen. Die beiden Ziele sind alles andere als widerspruchsfrei. Zwar dürfen die Banken nie wieder so fahrlässig mit dem Geld umgehen wie in den vergangenen Jahren, aber sie müssen gleichwohl möglichst schnell wieder Kredite vergeben und Risiken eingehen, sonst kommt der Aufschwung nie. Einer der gefährlichen Widersprüche der vergangenen Wochen bestand darin, dass die Regierungen auf globaler Ebene über scharfe Regulierungen verhandelten, auf nationaler Ebene die Banken aber gleichzeitig zum Geldausgeben drängten. Beim nächsten Finanzgipfel Anfang April in London wird es auch darum gehen, hier zu einer international abgestimmten, konsistenten Strategie zu kommen.

Jeder ist auf jeden angewiesen

Ein großer Vorteil gegenüber der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre besteht heute darin, dass alle Beteiligten zumindest wissen, dass sie aufeinander angewiesen sind. Keiner kann mehr behaupten, es sei unbekannt, dass Wirtschaftsnationalismus tötet. Deshalb lassen sich jetzt Dinge durchsetzen, die vor kurzem noch undenkbar erschienen: internationale Regeln für alle Finanzinstitute, ein Ende der regulierungsfreien Finanzzentren von der Karibik bis zu den britischen Kanalinseln. Vielleicht wird es auch ein internationales Frühwarnsystem geben, eine Art "Risiko-Landkarte", wie sie Bundeskanzlerin Merkel vorgeschlagen hat. Vorsicht ist aber geboten, wenn versprochen wird, Märkte künftig "flächendeckend" zu überwachen. Im Geldwesen gibt es keine lückenlose Überwachung. Der Versuch, sie zu erreichen, würde in einem Albtraum enden. Aufsichtsbehörden machen Fehler - wie andere Institutionen auch. Die amerikanische Börsenaufsicht SEC hätte schon vor zehn Jahren dem Großbetrüger Bernard Madoff das Handwerk legen können. Sie hat es nicht getan. Ähnliches wird auch in Zukunft passieren.

Wichtig ist jetzt, dass alle relevanten Staaten in die Krisendiplomatie eingebunden werden, vor allem aber: China. Der Handelsüberschuss und die riesigen Währungsreserven der Volksrepublik waren eine der Ursachen für die Krise, sie kann daher ohne China nicht gelöst werden. Es ist richtig, dass sich die Politik vom Klub der Industrieländer, den G 7, auf den Kreis der G 20 verlegt hat, dem auch die Schwellenländer angehören. Aber Europäer und Amerikaner werden nicht umhinkommen, China auch in Organisationen wie dem Währungsfonds und der Weltbank mehr Macht und Gewicht als bisher einzuräumen.

Der Grundwiderspruch zwischen nationaler Politik und globaler Krise ist nicht lösbar. Es gibt kein Weltvolk, dem eine Weltwirtschaftsregierung verantwortlich wäre. Deshalb wird es eine solche auch nicht geben. Wohl aber kann man den Rahmen der internationalen Zusammenarbeit an die Realitäten des 21. Jahrhunderts anpassen. Hierin liegt die Chance der Krise.

© SZ vom 24.02.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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