Folge des Schmiergeldskandals:Machtkampf an der Siemens-Spitze

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Der Schmiergeldskandal bei Siemens führt zu einem Zerwürfnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Mitglieder des Aufsichtsrats drohen dem Vorstand mit Konsequenzen, falls dem ehemaligen Anti-Korruptionsbeauftragten Schäfer nicht gekündigt wird. Dieser wiederum könnte den Aufsichtsrat in Erklärungsnöte bringen.

Personalmanager Albrecht Schäfer, 58, einer der engsten Mitarbeiter von Personalvorstand Jürgen Radomski, war von Oktober 2004 bis Dezember 2006 als Chief Compliance Officer zuständig für den Kampf gegen die Korruption. Ihm wird angelastet, dem Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats wesentliche Hinweise auf systematische Bestechungsdelikte vorenthalten zu haben.

Er soll deshalb auf Anregung der US-Kanzlei Debevoise & Plimpton, die im Auftrag des Aufsichtsrats intern bei Siemens ermittelt, fristlos gekündigt werden. Das hatte die US-Kanzlei dem Kontrollgremium bereits am 25. April empfohlen, bislang ist aber offenbar nichts geschehen.

Aus der Konzernzentrale wird entgegnet, die Vorwürfe gegen Schäfer seien widerlegbar. Es gebe keine Bestrebungen, sich von dem Manager zu trennen. Ein hochrangiger Manager aus der Konzernzentrale sagt zur Stimmung gegenüber dem Aufsichtsrat: "In der Zentrale brodelt es." Die Siemens AG äußert sich offiziell nicht zu dem Thema.

Im Kontrollgremium reagieren einige Mitglieder heftig auf diese Haltung des Vorstands. Aus dem Umfeld des Aufsichtsrats-Präsidiums verlautet, "der Vorstand muss nicht glauben, er sucht sich seine Kontrolleure aus, sondern wir suchen uns den Vorstand aus". Dem Präsidium gehören Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, der frühere Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle und Gesamtbetriebsratschef Ralf Heckmann an.

Cromme leitet auch den Prüfungsausschuss. Eine weitere Stimme aus dem Aufsichtsrat sagt: "Entweder der Vorstand handelt, oder wir müssen gegenüber dem Vorstand handeln." Im Aufsichtsrat wird vermutet, Schäfer könne mit seinem Wissen mehrere Vorstände in den Skandal hineinziehen und werde deshalb geschont.

"Stets korrekt gehandelt"

Schäfer selbst hatte kürzlich auf Anfrage erklärt, er habe stets korrekt gehandelt. Er habe dem Prüfungsausschuss bereits am 26. Juli 2006 mitgeteilt, es gebe ein "System" ungeklärter Zahlungsflüsse. Anlass für diesen Hinweis seien Ermittlungen in Liechtenstein und der Schweiz wegen Korruption gewesen. Die Großrazzia, mit der die Affäre begann, erfolgte erst dreieinhalb Monate später am 15. November 2006.

Hätte der Prüfungsausschuss schon im Juli einen solchen Hinweis gehabt, wäre dies besonders für Cromme unangenehm, der derzeit bei Siemens kräftig aufräumt und sogar als kommissarischer Konzernchef im Gespräch ist, sollte sich bis zum Rückzug von Klaus Kleinfeld kein Ersatz finden.

Aufsichtsratsmitglied Heinz Hawreliuk von der IG Metall bezeichnet die Darstellung Schäfers jedoch als falsch. Hawreliuk bildet zusammen mit Cromme, Schulte-Noelle und Heckmann den Prüfungsausschuss, der Gesetzesverstößen entgegen wirken soll.

Hawreliuk sagt, Schäfer habe im Prüfungsausschuss zum ersten Mal im Dezember 2006 von einem "System" gesprochen, als das schon in der Presse gestanden habe. "Er hat uns viele ihm bekannte Fakten nicht vorgelegt. Wenn drei Prozent berichtet und 97 Prozent verschwiegen werden, dann ist das keine umfassende Information."

Krach in der Konzernspitze

Das Zerwürfnis in der Konzernspitze kommt auch in einem Brief von Personalvorstand Radomski an den Aufsichtsrat zum Ausdruck. Radomski klagt über angebliche Indiskretionen aus dem Kontrollgremium und schreibt, er sei bestürzt über die öffentliche Kritik an seiner Amtsführung.

Der Aufsichtsrat lastet Radomski an, dass die ihm bis Ende 2006 unterstellte Anti-Korruptionsabteilung versagt hat. Deshalb soll Radomskis Vertrag, der Ende 2007 ausläuft, nicht verlängert werden. Radomski schreibt in seinem Brief, Schäfer habe an den gesamten Zentralvorstand berichtet, welche Hinweise auf Korruption intern vorlägen. Im Aufsichtsrat wird das als Versuch betrachtet, den gesamten Vorstand in die Verantwortung zu nehmen.

© SZ vom 14.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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