Flugreisen:Wenn das Gepäck nicht ankommt

Lesezeit: 3 min

Wer vom 28. Juni 2004 an einen Flug bucht, hat neue Rechte bei Unfällen und Verspätungen. Ein dann in Kraft tretendes Gesetz regelt auch die Haftung für beschädigtes, verlorenes oder verspätetes Gepäck neu.

Von Thomas Münster

Für Flüge, die vor dem 28. Juni gebucht werden, gelten allerdings noch die alten Regeln — selbst wenn der Fluggast erst nach diesem Datum seine Reise antritt.

Warten auf den Flug: Bei Verspätungen müssen Airlines künftig Schadensersatz zahlen — aber nur, wenn ein Schaden vorliegt, der sich in Euro und Cent ausdrücken lässt. Ärger und Frust genügen als Gründe nicht. (Foto: Foto: AP)

Für Verletzungen, Gesundheitsschäden oder Tod, an Bord oder beim Ein- oder Aussteigen, haftet die Fluggesellschaft immer, wenn dies auf einen Unfall zurückzuführen ist.

Sie haftet also nicht, wenn das Fliegen an sich dem Passagier gesundheitliche Probleme bereitet, etwa bei Thrombose-Beschwerden.

Haftung bis 123.000 Euro

Die Airline haftet auch dann, wenn sie kein Verschulden trifft. Kann sie allerdings nachweisen, dass weder sie, noch ihr Personal für den Unfall verantwortlich sind, greift eine Haftungsbeschränkung.

Die Gesellschaft muss dann höchstens 123.000 Euro zahlen — und zwar für sämtliche Schäden des Unfalls. Sind davon mehrere Passagiere betroffen, bekommen sie gemeinsam höchstens 123.000 Euro, auch wenn der Schaden größer ist. Der Betrag wird anteilsmäßig aufgeteilt.

Bei Verschulden der Airline gilt diese Haftungsbeschränkung nicht, dann muss die Fluggesellschaft jeden Schaden in voller Höhe ersetzen. Dazu gehören auch Heilungskosten, Verdienstausfall und unter Umständen auch Schmerzensgeld.

Beweislast liegt bei der Airline

Den geschädigten Passagieren wird die Durchsetzung ihrer Ansprüche dadurch erleichtert, dass sie der Fluggesellschaft oder ihrem Personal das Verschulden nicht nachweisen müssen.

Ein Beispiel: Bei plötzlichen Turbulenzen wird kein Anschnallsignal gegeben, deshalb verletzt sich ein Passagier so schwer, dass er eine Querschnittslähmung erleidet.

Müsste er das Verschulden nachweisen, stünden seine Chancen schlecht, da Turbulenzen nur teilweise — aber eben nicht immer — auf dem Radar zu erkennen sind.

Es dürfte daher schwierig bis unmöglich zu klären sein, ob der Pilot die Turbulenzen erkennen konnte und deshalb schuldhaft das Anschnallzeichen nicht gegeben hat.

So hat aber die Airline die Beweislast: Sie muss ihre Unschuld begründen, sonst haftet sie ohne Limit. Bei kleineren Schäden bis 123.000 Euro kommt es darauf allerdings nicht an: Die Fluggesellschaft haftet immer.

Bis zu 5.100 Euro Schadensersatz pro Passagier werden bei Flugverspätungen fällig. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit haftet die Gesellschaft ohne diese Begrenzung. Das muss der Passagier ihr nachweisen.

Bei Verspätungen entscheiden Gerichte

Die Gesellschaft muss überhaupt nichts zahlen, wenn sie beweisen kann, dass sie alles Zumutbare getan hat, um den Schaden zu vermeiden. Wann eine Verspätung so groß ist, dass sie Schadens-ersatzansprüche auslösen kann, steht nicht im Gesetz, das sollen die Gerichte klären.

Es gibt den Ersatz nur, wenn tatsächlich ein Schaden vorliegt, der sich in Euro und Cent ausdrücken lässt. Ärger und Frust über die lästige Warterei genügen als Schadensersatzgründe nicht aus.

Ein Schaden liegt etwa in zusätzlichen Reisekosten oder wenn wegen der Verspätung ein Anschlussflug oder -zug verpasst wurde. Wann genau eine Verspätung vorliegt, müssen erst noch die Gerichte klären.

Geld fürs Nötigste

Wird aufgegebenes Gepäck beschädigt, zerstört oder geht es verloren, muss die Fluggesellschaft jedem Passagier bis zu 1.230 Euro ersetzen, egal ob sie ein Verschulden trifft.

Ersatz bis zu dieser Höhe gibt es auch, wenn sich das Gepäck verspätet und die Passagiere zur Überbrückung die nötigste Bekleidung und Pflegemittel kaufen. Die Airline muss nicht zahlen, wenn sie alles Zumutbare getan hat, den Schaden zu vermeiden.

Der tatsächliche Gepäckschaden wird oft über der Grenze von 1.230 Euro liegen. Wer eine höhere Absicherung will, kann bei der Aufgabe den Wert seines Gepäcks angeben, dann haftet die Airline bis zu diesem Betrag.

Sie darf dafür eine Extra-Gebühr verlangen. Sie kann allerdings nicht auf das Haftungslimit pochen, wenn der Passagier ihr oder dem Personal Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachweist. Hier liegt die Beweislast also nicht bei der Airline.

Gepäckschäden schnell melden

Ist das Gepäck beschädigt oder verspätet, so muss der Passagier das so schnell wie möglich nach der Entdeckung schriftlich der Fluggesell-schaft melden.

Um Schadensersatz zu erhalten, gelten folgende Fristen: Bei Beschädigung spätestens siebe Tage und bei Verspätung längstens 21 Tage nach Erhalt des Gepäcks. Wer die Fristen verpasst, verliert seine Ansprüche.

Wird das Gepäck beim Auschecken übergeben, sollte man es unbedingt sofort inspizieren und Schäden reklamieren. Bei vorbehaltloser Annahme wird laut Gesetz vermutet, dass das Gepäck bei Übergabe unbeschädigt war. Dann muss der Passagier das Gegenteil beweisen. Wenn die Fluggesellschaft auf stur schaltet, hat er schlechte Chancen.

Bei Gepäckverlust kann der Passagier 21 Tage nach dem Zeitpunkt des geplanten Eintreffens Ersatz verlangen, falls die Fluggesellschaft seine Ansprüche nicht vorher anerkennt.

Diese Regeln gelten international bei Flügen zwischen Ländern, die das so genannte Montrealer Abkommen ratifiziert haben. Nach derzeitigem Stand gehören dazu 53 Länder, darunter alle 25 EU-Länder, die USA, Japan, Schweiz, Türkei, Kanada und Kenia.

Die neuen Passagierrechte können durch das Kleingedruckte nicht beschränkt werden. Klauseln, die den Regeln widersprechen, sind unwirksam.

© SZ vom 16. Juni 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: