Flughafen Dresden:Plötzlich international

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Die Dresdner freuen sich über den Berliner Flughafenstreik, weil viele Flüge deswegen zum Dresdner Flughafen umgeleitet worden sind. Der kurzfristige Zuwachs kann aber über den langjährigen Unmut der Betreiber nicht wirklich hinweg helfen.

Von Cornelius Pollmer

Der kürzeste sächsische Witz zählt drei Wörter, und er geht so: Dresden Flughafen International. Über Jahre haben die Dresdner zu ihrem Airport ein seltenes Mischgefühl entwickelt, zu dessen wesentlichen Komponenten Mitleid und Bedauern gehören, aber auch diese überdrehte Heiterkeit, die sich erst einstellen kann, wenn einem wirklich alles egal ist.

Apropos einstellen: das kann der Dresdner Flughafen hervorragend - selten Personal, meist Verbindungen. So ist es in der Stadt ein kleiner Sport geworden, die in der Regel kurzen Zeitfenster zu nutzen, in denen Airlines versuchen, den Flughafen im Dresdner Norden zu resozialisieren. Aktuell wird mit großem Erstaunen der Versuch der Germania verfolgt, von Dresden unter anderem Reykjavík direkt anzusteuern. Darüber hinaus gibt es ein paar wenige Städteverbindungen ins Ausland und ein paar wenige Ferienflieger, weshalb die wirklich nicht zu Selbstironie neigenden Dresdner sich gerne ein Spottschmunzeln erlauben, wenn sie in ihren Reiseberichten beim Wort "International" angelangen.

Während im Mischgefühl lange das Bedauern überwog, hat sich in jüngeren Jahren durchaus auch Zuneigung entwickelt. Pragmatiker schätzen die unschlagbar kurzen Zeiten von Ankunft bis Gate mangels Passagieraufkommen, andere freuen sich über das tatsächliche Grillenzirpen, das sich derzeit im Foyer von einer Werbeinstallation aus vernehmen lässt - kein Rollkoffer-Rattern, kein vielstimmiges Reisendengeschnatter, das dieses herrlich beruhigende Naturgeräusch überdeckten. Im Sommer 2015 schien es gar, der Flughafen selbst begönne nun, sich lustig zu machen über sein Dasein: Im Angebot waren, natürlich, keine neuen Verbindungen, sondern die "romantische Sommerabend-Tour" sowie Tagesausflüge, vor deren Buchung sich ein genaues Studium des Flugplans lohnte. Freitags etwa, zwischen 11 und 14 Uhr, donnerten gleich vier Maschinen in die Stille.

Die Politik findet all dies natürlich gar nicht lustig. Seit 2007 hat der Dresdner Flughafen neun Prozent des Passagieraufkommens verloren, in Leipzig waren es knapp zehn Prozent, dort aber wächst zumindest das Frachtgeschäft (plus 6,5 Prozent in 2016). Der Freistaat Sachsen ist Hauptaktionär der Betreibergesellschaft beider Flughäfen und Ministerpräsident Tillich bat Ende Februar zum Krisengespräch. Seinen vor mehr als zwei Jahren formulierten Plan, Leipzig als Entlastungsangebot besser an den Irgendwann-Flughafen BER anzubinden, sieht er bislang zu lasch verfolgt.

Über diesen Unmut helfen auch nicht die tollen Tage hinweg, die der Dresdner Flughafen gerade wegen des Streiks des Bodenpersonals in Berlin erlebt. Viele Flüge wurden während desselben nach Sachsen umgeleitet, Easyjet bedient gar einige Ziele von Dresden aus. Die Sächsische Zeitung jubelte deswegen dieser Tage: "Endlich macht Dresden International Airport seinem Namen mal alle Ehre. 3000 Passagiere kamen an - sogar aus Beirut". Die Dresdner freuen sich und bleiben doch gelassen in dem Wissen, dass der Streik an diesem Mittwoch vorerst enden soll und das Zirpen der Grillen dann wieder störungsfrei zu hören sein wird.

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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