Fluggesellschaften:Zu viel Disziplin

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Die US-Justiz ermittelt gegen Airlines wegen möglicher Kapazitätsabsprachen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Diese Woche ist ganz klar eine furchtbare für die amerikanischen Fluggesellschaften. Am Dienstag legte Emirates in einem 388 Seiten starken Bericht ziemlich überzeugend dar, warum sie entgegen der stetigen Behauptungen ihrer Konkurrenten nicht (wesentlich) von staatlichen Subventionen profitiert. Und kaum war das Werk bei den entsprechenden Stellen der US-Regierung abgeliefert, kam Folgendes heraus: Das Justizministerium ermittelt gegen die vier größten amerikanischen Fluggesellschaften wegen des Verdachts von Kapazitätsabsprachen.

Es ist anzunehmen, dass die US-Airlines an dieser Sache lange zu knapsen haben werden, auch wenn sie womöglich strafrechtlich im Sande verlaufen wird. Denn alleine der Verdacht formt weiter das Bild eines Sektors, dem es sowieso schon ziemlich gut geht und der den Hals nicht voll bekommt. In einer solchen Gemengelage werden Angriffe gegen Emirates oder die Billigfluggesellschaft Norwegian, die für neue Konkurrenz sorgen wollen, kaum mehr vermittelbar.

Die Fluggesellschaften in den USA bieten heutzutage genauso viele Sitze an wie vor 15 Jahren

Das Justizministerium hat angeblich schon vor zwei Monaten Briefe an Delta, United, American und Southwest geschickt und darin Angaben zu möglichen Treffen mit Analysten oder Vertretern anderer Airlines angefordert. Die Behörde will dabei dem Verdacht nachgehen, ob es zu Absprachen gekommen ist. Dem Verfahren liegt die auch im Luftverkehr richtige Annahme zugrunde, dass bei verknappter Kapazität die Preise und damit die Gewinne steigen. Die Unternehmen haben zugesagt, voll zu kooperieren. Warum das Ministerium die Untersuchung angestoßen hat, ist derzeit noch unklar. Zuletzt hatte sich die Branche bei der Jahresversammlung der International Air Transport Association (IATA) in Miami getroffen, doch da liefen die Ermittlungen angeblich schon.

Die Lage ist komplexer, als auf den ersten Blick ersichtlich. Die amerikanische Luftverkehrsbranche hat in den vergangenen Jahren einen nahezu beispiellosen Konsolidierungsprozess unterlaufen: Delta und Northwest, American und US Airways, United und Continental sowie Southwest und Airtran haben fusioniert. Die vier großen Gruppen kontrollieren fast 90 Prozent des Marktes. Die Übernahmen haben es ihnen auch ermöglicht, Kapazität herauszunehmen und die Preise leicht zu erhöhen: Zwischen 2007 und 2014 ist der durchschnittliche Preis für ein Inlandsticket inflationsbereinigt um fünf Prozent gestiegen, er liegt aber immer noch etwa 16 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2000. Tatsächlich sprechen alle vier öffentlich seit Jahren über ihr Lieblingsthema "Kapazitätsdisziplin", was mancher wohl auch als Wink mit dem Zaunpfahl an die Konkurrenz interpretiert.

Nach all den Krisen und Übernahmen der vergangenen Jahre bieten die US-Airlines heute ungefähr so viele Sitze an wie vor 15 Jahren und sind damit viel effizienter geworden, weil der Verkehr zugleich gewachsen ist. Auch bei den Gewinnen schlägt sich das nieder: Von 2003 bis 2013 hat der Bereich insgesamt Verlust von mehr als 30 Milliarden Dollar angehäuft, seither Gewinne von etwa 25 Milliarden. Ironischerweise waren aber zuletzt immer mehr Analysten sehr besorgt, weil die Kapazität für das Jahr 2015 mit rund fünf Prozent nach ihrer Ansicht viel zu stark wachsen soll, was gegen Absprachen spricht.

Auch das US-Justizministerium spielt in der Sache eine etwas unglückliche Rolle. Jahrelang hat die Regierung die Übernahmen mehr oder weniger ohne Auflagen durchgewunken, obwohl die Folgen absehbar waren. 2013 blockierte das Ministerium dann die geplante Fusion von American und US Airways völlig überraschend, nur um wenig später seinen Widerstand doch aufzugeben.

© SZ vom 03.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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