Fluggesellschaften:Auf der Lauer

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Achtung Kreuzung: In der Flugbranche wechseln viele die Seiten. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Die Lufthansa würde gerne zukaufen. Stattdessen könnte ihr aber jetzt ein Partner abhandenkommen.

Von Jens Flottau, Frankfurt/Zürich

José Efromovich hat sich den Ort für seine Ankündigung gut ausgesucht. "Wenn man die Tür aufmacht, ist man manchmal überrascht, wer hereinkommt", sagt er im großen Frühstücksraum des Park Hyatt Hotels von Zürich und stochert in seinem Spiegelei herum. Aber es gebe "keinen Grund zur Eile. Wir warten einfach einmal ab." Ob das mit dem Abwarten so stimmt, lässt sich schwer sagen. Jedenfalls hat Efromovich nun quasi offiziell seine Fluggesellschaft Avianca oder zumindest Teile davon zum Verkauf angeboten. Ihm und seinem Bruder German gehört die Mehrheit an der zweitgrößten Fluggesellschaft Lateinamerikas, die - wie auch die Konkurrenten - schwer unter der schlechten wirtschaftlichen Lage in der Region zu leiden hat. Und wo sonst als hier im Zürcher Nobelhotel gibt es eine bessere Gelegenheit, auf sich aufmerksam zu machen, schließlich treffen sich hier die Vorstandschefs aller 28 Mitglieder der Star Alliance, des Luftfahrtbündnisses rund um die Lufthansa. Nur ein paar Meter von Efromovich entfernt sitzt Carsten Spohr, der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa. Spohr hat in den vergangenen Monaten immer wieder davon gesprochen, dass Lufthansa sich an der Konsolidierung der Branche beteiligen werde - sprich: andere Fluggesellschaften kaufen wolle. Aber an Avianca hat er dabei wohl eher nicht gedacht. Kolumbien ist aktuell zwar einer der wenigen Wachstumsmärkte in der Region, aber für Lufthansa strategisch nicht wichtig genug, um dafür viel Geld in die Hand zu nehmen.

Bei Avianca ist von einem Kaufpreis von mindestens 500 Millionen US-Dollar die Rede. Mit den angekündigten Zukäufen ist der Lufthansa-Chef allerdings noch nicht sehr weit gekommen. Vor allem für die Billigflug-Sparte Eurowings sieht Spohr Nachholbedarf: "Die meisten Billigfluggesellschaften, unsere eigene eingeschlossen, sind zu klein, um langfristig nachhaltig zu sein, deswegen müssen wir aktiv werden", sagt er. Zuletzt waren jedoch andere aktiver. In Europa war dies vor allem die International Airlines Group (IAG), die Muttergesellschaft von Iberia und British Airways. Sie übernahm den Billigflieger Vueling und die irische Aer Lingus. Lufthansa stand im Frühjahr kurz davor, die angeschlagene Brussels Airlines vollständig zu übernehmen und bei Eurowings zu integrieren. Derzeit hält sie 45 Prozent der Anteile an der belgischen Fluggesellschaft. Doch dann kam der Terror-Anschlag auf den Brüsseler Flughafen, danach wurde das Vorhaben erst einmal bis September auf Eis gelegt. Schließlich gibt es noch jede Menge weiterer Kandidaten in Europa. Unter anderem Air Baltic, LOT Polish Airlines, Finnair und SAS Scandinavian Airlines wären zu haben, wahrscheinlich sogar sehr günstig. Den Fall SAS haben sich die Lufthansa-Strategen auch etwas genauer angeschaut, schließlich hat der Star-Alliance-Partner deutliche Fortschritte bei der Sanierung gemacht. Doch so attraktiv fanden sie die Idee dann offenbar doch nicht.

SAS-Chef Rickard Gustafson gibt sich trotzdem zuversichtlich. Er sei "extrem darauf konzentriert, ein starkes Unternehmen aufzubauen. Wenn wir das tun, können gute Dinge passieren, was die Eigentümerstruktur angeht."

"Es gibt zu viele Beschränkungen für Übernahmen außerhalb der Europäischen Union."

Das Beispiel SAS illustriert ganz gut das Dilemma von Lufthansa-Chef Spohr. In Europa gibt es jede Menge Airlines, die er kaufen könnte, doch kaum eine ist attraktiv. Oft handelt es sich um wenig bis halbwegs sanierte ehemalige Staatsunternehmen, deren Zukunftsperspektiven sehr unklar sind. Viel besser wäre es, wenn Lufthansa sich eine Fluglinie in einem der großen Wachstumsmärkte in Asien aussuchen könnte. Doch Spohr ist da pessimistisch. "Es gibt zu viele Beschränkungen für Übernahmen außerhalb der Europäischen Union", sagt er. In der Regel dürfen ausländische Investoren höchstens 49 Prozent der Anteile halten und nicht die effektive Kontrolle über das Unternehmen ausüben. Zwar will die Europäische Union die Regeln aufweichen, aber auch die anderen Länder müssten mitspielen. Und dafür gibt es leider wenig Hinweise. Im Gegenteil: "Wir sehen wenig Fortschritt. Es gibt eher mehr Protektionismus als liberale Ansätze", kritisiert der Lufthansa-Chef. Wettbewerber wie Akbar Al Baker von Qatar Airways oder Tim Clark von Emirates werfen dem Lufthansa-Chef allerdings das Gleiche vor, weil Spohr sich gegen zusätzliche Verkehrsrechte für die Golf-Anbieter in Europa stemmt. Avianca wäre übrigens eine Ausnahme, denn Kolumbien lässt Mehrheitseigner aus dem Ausland ausdrücklich zu. Derzeit spricht vieles dafür, dass sich die beiden amerikanischen Fluggesellschaften Delta und United um einen Einstieg bemühen werden. Delta könnte United damit den langjährigen Partner in der Region entreißen, United will ihn halten. Vielleicht aber haben die beiden die Rechnung ohne die chinesische HNA Group gemacht: Der Reisekonzern aus der Volksrepublik ist derzeit auf Einkaufstour und hat auch schon in Brasilien bei der Fluggesellschaft Azul zugeschlagen.

© SZ vom 08.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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