Flixbus übernimmt Postbus:Alles auf Grün

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Wie die Fernbus-Firma Flixbus ihre Marktmacht weiter ausbaut - mit amerikanischen Finanzinvestoren im Hintergrund. Die Bahn wehrt sich mit Sparpreisen.

Von Michael Kuntz, München

Mit dem Fernbus lernt man Orte kennen, die man auf dieser Reise an diesem ganz normalen Wochentag im Frühsommer eigentlich nicht kennenlernen wollte. Der grüne Doppeldecker verlässt den Münchner Busbahnhof und steuert erst einmal Augsburg an, ehe es nach Stuttgart geht, dann nach Heilbronn und Heidelberg, schließlich nach Mannheim Hauptbahnhof. Bis Stuttgart ist der Bus gut besetzt, dann ein Stück eher leer und in Heidelberg wird er geradezu gestürmt von vorwiegend jungen Fahrgästen. Der Bus tourt an diesem Tag noch bis Dortmund.

Die ziselierte Streckenführung ist einer der Gründe dafür, dass so viele Fernbusse durch Deutschland rollen. Denn bei den jungen Anbietern machten ehemalige Mitarbeiter der Bahn mit, die eines gut kennen: die Schwächen des deutschen Staatsunternehmens. Die Fernbus-Firmen nutzen ihre Chance, wo die Bahn versagt, also etwa in den Städten, an denen die schnellen ICE vorbeirauschen, ohne Halt.

Zum verästelten Liniennetz kommen niedrige Preise in einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb, seit der Markt für Buslinien über mehr als fünfzig Kilometer liberalisiert worden ist. Nach dreieinhalb Jahren gibt es einen klaren Sieger: Flixbus, das Münchner Start-up mit den lindgrünen Bussen ("Fahr grün!"). Dessen Marktanteil erhöht sich gerade durch die Übernahme des Busgeschäftes der Deutschen Post auf mehr als 80 Prozent. Es ist bei der Konsolidierung des jungen Marktes der bislang spektakulärste Deal, aber nicht das erste Aufkaufen eines Konkurrenten.

Das technologiegetriebene Unternehmen Flixbus hatte Anfang 2015 mit dem Berliner Start-up Mein Fernbus fusioniert und sich damit die ehemaligen Fahrplanexperten der Bahn an Bord geholt. So ging es weiter: Flixbus kaufte erst Ende Juni das kontinentaleuropäische Geschäft von Megabus, dem aggressiven schottischen Anbieter, der sich mit Kampfpreisen von einem Euro einen Namen gemacht hatte. Ein Jahr hielt der Ableger der börsennotierten Stagecoach-Gruppe den teuren Ausflug aufs Festland durch, dann kaufte Flixbus den Konkurrenten aus dem Markt.

Bahnhof in München: Fernbusse wurden eine Erfolgsgeschichte. Gewinner ist Flixbus, Verlierer die Bahn. (Foto: Florian Peljak)

Wirtschaftliche Erwartungen nicht ausreichend erfüllt, heißt es jetzt bei der Post.

Und nun noch einmal, nur eine Nummer größer: Der Postbus hält immerhin Platz zwei, fährt aber mit gut zwölf Prozent Marktanteil weit abgeschlagen hinter Flixbus. Die Deutsche Post hatte im Herbst 2013 gemeinsam mit dem ADAC ihre Fernbus-Firma eröffnet: nagelneue Busse, Dreipunktgurte für Fahrgäste, verschließbare Gepäckfächer über den Sitzen, spezielles Fahrertraining. ADAC und Post, das klang vielversprechend. Aber nicht lange: Als der Autoclub sich nach seinem Skandal neu ordnete, stieg er bei den Fernbussen aus, und die Post betrieb die hundert Fahrzeuge allein. Ohne Erfolg: Die Erwartungen an die Wirtschaftlichkeit hätten sich nicht ausreichend erfüllt, heißt es bei der Post.

Von November an nun sollen die Postbus-Linien über das Flixbus-Portal im Internet buchbar sein. Bis Mitte Februar führt die Post einige Linien zu Flughäfen sowie nach Innsbruck und Salzburg selbst durch, dann ist Schluss mit dem Postbus. Ob gelbe Busse grün lackiert werden, ist offen, denn sie gehören mittelständischen Busunternehmern. Flixbus will erst seinen Bedarf ermitteln, man wolle nicht länger nebeneinander herfahren. "Parallel werden wir mit den Subunternehmern der Post darüber sprechen, ob sie als Flixbus-Partner weiter in dem Markt aktiv sein wollen", sagt André Schwämmlein, Geschäftsführer bei Flixbus und einer der Gründer.

Flixbus betreibt nämlich ebenfalls keine Fernbusse selbst. Die Internet-Firma vermittelt die Fahrgäste an mittelständische Busunternehmen. Die Bekanntheit der Marke, die moderne technische Infrastruktur, dafür sorgt der Vermittler, mit dem täglichen Betrieb eigener Busse hält er sich nicht auf. Das Konzept funktioniert nicht nur in Deutschland: Flixbus bietet mit tausend Omnibussen 100 000 tägliche Verbindungen zu 900 Zielen in 20 Ländern. Umsatzzahlen nennt das Start-up nicht, bei angestrebten 30 Millionen Tickets gilt eine Größenordnung von 450 Millionen Euro jedoch als recht plausibel.

SZ-Grafik (Foto: sz)

Hinter Flixbus steht mittlerweile eine Gruppe von Finanzinvestoren. Die fünf Gründer hielten mal 57 Prozent der Anteile, inzwischen nur noch ein Drittel. Mit einem weiteren Drittel ist das amerikanische Investmenthaus General Atlantic dabei. Es ist engagiert bei der Bettenvermittlung Airbnb, dem Fahrdienst Uber, dem Wetterdienst Meteo und Axel Springer Digital Classifieds, einer Gemeinschaftsfirma mit der Springer Gruppe. Zu den kleineren Flixbus-Gesellschaftern zählen Daimler Mobility Services, Holtzbrinck Ventures und das Münchner UnternehmerTUM. Es bleibt wie es ist: Die Post bekommt jetzt Geld, keine Anteile an Flixbus.

Noch steckt Flixbus in der Investitionsphase: Immerhin will André Schwämmlein das Geschäft in Deutschland in diesem Jahr erstmals mit Gewinn betreiben. Für Flixbus insgesamt gilt das noch nicht: Die Firmengruppe investiert viel im Ausland. Auch hier hält er eine Anlaufphase von drei bis vier Jahren für realistisch.

Konkurrenten sehen die zwei Übernahmen kritisch: "Flixbus kauft sich so mit viel Kapital zum Monopolisten", kommentiert DeinBus.de nach dem Postbus-Deal.

"Wir können nicht verhindern, wenn jemand anders seine Tickets verschleudern will."

Wird Flixbus bald seine Marktmacht nutzen und die Fahrten mit dem Fernbus teurer machen? Der Weg zur Profitabilität führt über eine hohe Auslastung, nicht über höhere Preise als heute, versucht Schwämmlein Bedenken zu zerstreuen. "Der Fernbus muss in einem sehr interessanten Preisniveau unterwegs sein, und die Auslastung muss stimmen." Dafür zu sorgen, das können sie ganz gut bei Flixbus, "das können wir besser als alle anderen", sagt Schwämmlein.

Nachdem Flixbus zwei seiner heftigsten Wettbewerber aufgekauft hat, gibt es bei den Fernbussen vor allem noch die Deutsche Bahn als ernsthaften Wettbewerber. Der betreibt zwar mit dem Berlin Linienbus und dem IC Bus einige Fernbus-Linien, tut aber ansonsten alles, wieder Fahrgäste in seine Fernzüge zurückzubekommen: Kostete die Strecke von München nach Mannheim mit dem Flixbus 15 Euro und damit etwa ein Fünftel des regulären Bahnpreises, so hält die Bahn derzeit ordentlich dagegen: Sie bietet Sparpreise ab 24 Euro, wobei die Fahrt auf der Schiene nur halb so lange dauert wie im Bus. Marktführer Flixbus bleibt unter Druck, auch wenn er gerade zwei Wettbewerber aufgekauft hat. "Wir können nicht verhindern, wenn ein anderer seine Tickets verschleudern will", sagt Schwämmlein. "Wir als Flixbus müssen unsere Sache richtigmachen. Man muss eine gute Leistung zu einem fairen Preis liefern, dann bleiben einem die Kunden."

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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