Fit für den Beruf:Mal anders denken

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BWL und Philosophie: Einige Wirtschaftsfakultäten bieten mittlerweile gemischte Studiengänge an. Die Beschäftigung mit ethischen Fragen soll helfen, später leichter Entscheidungen treffen zu können.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Die Betriebswirtschaftslehre ist seit Jahren das mit Abstand beliebtesten Studienfach. Kaum eine Universität oder Fachhochschule verzichtet auf eine wirtschaftswissenschaftliche Fakultät. Neben der klassischen Generalisten-Ausbildung, die Managementlehre, Rechnungswesen und Marketing abdeckt, haben sich spezialisierte Studien wie Wirtschaftsinformatik und -recht etabliert. Interdisziplinäre Lehrgänge dagegen sind an deutschen Hochschulen noch eine Besonderheit. Fächerübergreifende Bachelor- oder Master-Curricula verknüpfen die Ökonomie mit ergänzenden Fachrichtungen. Klassische ökonomische Denkmuster sollen dabei aufgebrochen werden, um Studenten bessere analytische Fähigkeiten zu vermitteln.

"Früher hat man einfach BWL studiert, an welcher Universität war nicht wirklich von Bedeutung. Das hat sich nun komplett gewandelt", sagt Heike Brost, Leiterin der akademischen Programme an der Frankfurt School of Finance and Management. Inzwischen haben Studierende die Qual der Wahl zwischen verschiedenen Wirtschaftsstudiengängen, die alternativ noch Einblick in ganz andere Disziplinen geben. Im Bachelorlehrgang "Management, Philosophy & Economics" verknüpft die Frankfurter Privatuniversität die Denkschulen der Philosophie und Ökonomie mit der klassischen Managementausbildung. Die Uni Bayreuth war in Deutschland die erste, die das Modell aus England aufgriff, wo die Philosophie und Ökonomie bereits seit fast hundert Jahren kombiniert werden.

Wer das Studium an der Frankfurt School in englischer Sprache wählt, belegt neben den BWL-Fächern Philosophie, Ethik sowie vertiefende Mathematik und Statistik. "Diese Absolventen zeichnet aus, dass sie eine Bilanz lesen können und darüber hinaus mit einem breiten Blick stark analytisch an Probleme herangehen. Wer mit 18 schon weiß, dass er Controller sein will, sollte doch eher das klassische BWL-Studium wählen", sagt Michael H. Grote, Professor an der Frankfurt School of Finance and Management.

In der Philosophie und Ethik würden Themen wie die Globalisierung ganz anders betrachtet als in den Wirtschaftswissenschaften. "Diese unterschiedlichen Herangehensweisen bringen wir zusammen", sagt Marcus Reinecke, Studienkoordinator des Lehrganges "Ethics, Economics, Law, Politics" der Ruhr-Universität. Die Hochschule in Bochum kombiniert als einzige öffentliche Universität vier Fächer in einem Masterlehrgang. In Seminaren und Vorlesungen wird über Themen wie Welthandel und Managementvergütung unter ethischen Gesichtspunkten diskutiert und werden Wege für unternehmerisch verantwortungsvolles Handeln aufgezeigt.

Mit der Interdisziplinarität wollen sich Hochschulen einen Namen machen, die Wissenschaft reagiert aber auch auf veränderte Anforderungen. "Um dem hohen Innovationsdruck, der Geschwindigkeit und Komplexität des globalisierten Geschäfts begegnen zu können, brauchen Unternehmen Persönlichkeiten mit alternativen Denk- und Sichtweisen", sagt Jörg Breiski, Geschäftsführer von Kienbaum Consultants. Klassisches Management-Wissen ist in Führungspositionen mittlerweile weit weniger gefragt als Entscheidungskompetenz. "In Zukunft werden die einfachen Tätigkeiten wie das Rechnungswesen alle vom Computer erledigt. Der Mensch übernimmt nur noch jene Aufgaben, die hohe Analytik und Kreativität erfordern. Darauf zielt unsere Ausbildung ab", sagt Grote. Im Beratungsgeschäft und in Strategieabteilungen großer internationaler Firmen sind Absolventen mit diversen Studienabschlüssen und wertorientiertem Denken häufig anzutreffen. Für multinationale Konzerne ist ethisches Handeln aus rechtlichen Gründen und des Image wegen längst ein Muss.

"Mitarbeiter fühlen sich auf das Entscheiden in schwierigen Situationen oft nicht richtig vorbereitet. Wir geben ihnen zwar keinen intellektuellen Zauberstab, lehren die Studierenden aber Methoden und Techniken, damit sie sich ein solides Urteil bilden können," sagt Nikil Mukerji, Studienleiter des Executive-Master "Philosophie, Politik, Wirtschaft" an der LMU München. Der berufsbegleitende Lehrgang richtet sich an Teilnehmer unterschiedlicher Professionen in Wirtschaft und öffentlichen Institutionen. "Wer eine interdisziplinäre Ausbildung wie unsere wählt, ist sehr engagiert und verfolgt meist eine klare Zielsetzung. Der Karriereweg unserer Absolventen zeigt nach dem Studium klar nach oben", meint Mukerji.

Die Liste potenzieller Arbeitgeber ist lang

Die Liste potenzieller Arbeitgeber umfasst internationale Konzerne, Finanzhäuser, supranationale Organisationen, europäische Institutionen sowie Nichtregierungsorganisationen und Bundesministerien. Für die breite Masse der mittelständischen Betriebe sind Absolventen interdisziplinärer Fächer meist wenig attraktiv. Hier ist noch die klassische BWL-Ausbildung gefragt. Höhere Einstiegsgehälter dürfen die Absolventen trotz ihrer Differenzierung am Arbeitsmarkt nicht erwarten. "Finanziell haben Mitarbeiter mit einer Hochschulausbildung abseits der klassischen Wege in der Wirtschaft keinerlei Vorteile. Ich bin aber überzeugt, dass sie sich in Unternehmen schneller etablieren und in ihrer Karriere erfolgreicher sind", sagt Breiski.

Um für den Einstieg in die Arbeitswelt gerüstet zu sein, stehen auch Praktika an. "Angesichts der kurzen Studiendauer ist es gerade im Bachelor besonders wichtig, die wissenschaftlichen Fähigkeiten praktisch nutzbar zu machen", sagt Dirk Nicolas Wagner, Professor im Studiengang "Globalisation, Governance and Law" der Karlshochschule in Karlsruhe. Bereits ab dem vierten Semester arbeiten seine Studenten, die sich intensiv mit der Führung und Steuerung von öffentlichen Institutionen befassen, an Projekten für Kommunen und Nichtregierungsorganisationen.

Noch sind fächerübergreifende Angebote ein Minderheitenprogramm. Interessierte müssen bei allen Studien ein Auswahlverfahren um die wenigen Plätze durchlaufen. Ist die Hürde genommen, werden die Studenten mit individueller Betreuung belohnt. "Das schöne und einzigartige an dem Studiengang ist, dass wir mit allen Studierenden in engem persönlichen Kontakt stehen und von der Aufnahme bis zur Zeugnisvergabe intensiv zusammenarbeiten", sagt Reinecke. Ein Plus für jene, die mit der Anonymität an vielen Wirtschaftsfakultäten nicht klarkommen. Berater Breiski kann eine Differenzierung empfehlen: "Nicht, um etwas komplett anderes gemacht zu haben, sondern um vielfältige Fähigkeiten und Kenntnisse zu entwickeln."

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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