Finanzkrise:Macht und Ohnmacht

Lesezeit: 2 min

Gierige Banker, politische Lichtgestalten und der Gehaltsverzicht für Manager als Patentrezept: In der Finanzkrise suchen viele Akteure und Beobachter einfache Wahrheiten - aber die gibt es nicht.

Marc Beise

Die Politik hat geliefert, jetzt sind die Banken dran. Das Rettungspaket steht, doch nun zieren sich die Banken, ob und wie sie unter den Rettungsschirm des Staates schlüpfen sollen; einzig die BayernLB wagte sich zunächst aus der Deckung.

"Der Sozialismus rettet den Kapitalismus": Protestschild vor der New Yorker Börse (Foto: Foto:)

Nanu, eine von der Finanzbranche herbeigebettelte Hilfe, die nun kaum jemand annehmen will? Diese Volte kann nur den überraschen, der in der Finanzkrise an einfache Wahrheiten glaubt.

Bisher hört und liest man ja vor allem dreierlei: Erstens, die Krise sei von gierigen Bankern ausgelöst worden und sie habe die Weltwirtschaft beinahe in den Abgrund gerissen. Zweitens, die sonst so viel gescholtenen Regierenden seien über sich hinausgewachsen; schon werden Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück zu Lichtgestalten der Politik stilisiert.

Drittens sei nun alles gut, erst recht, wenn der Staat die Banker nur ausreichend hart domestiziere (Gehaltsverzicht!). Alle diese Aussagen sind so schlicht wie ungenau. Sie bedürfen, zurückhaltend formuliert, der Ergänzung.

Niemand, wirklich niemand weiß, wie nah die Welt am Abgrund stand; allzu leichtfertig werden in der Öffentlichkeit Vermutungen zu Wahrheiten. Wenn man aber nicht weiß, wie groß die Gefahr war, lässt sich auch nicht sagen, ob das Rettungspaket greift. Es gibt hier keine mathematischen Abläufe. Kann sein, dass nun alles gut wird. Kann auch sein, dass der eigentliche Knall erst noch kommt.

Und weiter: Dass die Politik so rasch reagierte, ist weniger beeindruckend als behauptet. Den Regierenden blieb doch angesichts der Panik in den Banken und dem Dauerbeschuss der Experten kaum etwas anders übrig; der Druck war einfach übermächtig. Die Politiker mögen besser sein als ihr Ruf, aber sie sind auch wieder nicht die grandiosen Durchblicker, als die sie jetzt mitunter dargestellt werden.

Schon gerät in Vergessenheit, dass der Staat die Krise mitausgelöst hat: In den USA, wo er aus sozialen Gründen die Banken in windige Hypothekenfinanzierungen drängte. Und in Deutschland über die mangelnde Kontrolle von öffentlichen Finanzinstitutionen. Deshalb sollte man den künftigen staatlichen Einfluss auf die Banken nicht überbewerten.

Ob die bereitgestellten 500 Milliarden Euro am Ende tatsächlich fällig werden (eine Horrorvorstellung), hängt nicht an der Frage, ob der Staat Gehälter deckelt. Entscheidend wird sein, ob es für alle Banken mehr Transparenz, mehr Langfristigkeit und mehr Haftung gibt.

Auch die Bankenwelt muss aus ihren Fehlern lernen. Der Kleinmut unter den angeschlagenen Instituten ist erschreckend, sich bloß nicht als Erste unter den Rettungsschirm begeben zu wollen. Geheimniskrämerei aber darf es nun nicht mehr geben; jeder muss zu seinem Tun und Lassen stehen.

Ohnehin wird die Debatte über eigene Versäumnisse sehr defensiv geführt; wenige Banker erst wagen sich an die Öffentlichkeit. So aber wird man kein Vertrauen zurückgewinnen, weder in der Öffentlichkeit noch in den eigenen Branchenkreisen.

© SZ vom 20.10.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: