Finanzierungsverhalten:Lieber auf Nummer sicher

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Vor riskanten Investitionen schrecken kleine Betriebe eher zurück als große Unternehmen, die ihre Risiken besser streuen können. (Foto: Jens Wolf/dpa)

Kleine Betriebe sind vorsichtiger als große Firmen und investieren eher langfristig. Kredite zahlen sie schneller zurück.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

In den vergangenen Jahren waren mittelständische Betriebe zurückhaltend mit Investitionen. Dafür verfügen sie nun über höhere Sicherheitspolster. Einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn (IfM) zufolge sind die Firmen damit in einer guten Ausgangslage für einen möglichen Zinsanstieg. "Die Unternehmen haben aus der Finanzkrise gelernt und die gute Wirtschaftsentwicklung der vergangenen Jahre genutzt, um durch niedrigere Investitionstätigkeit ihre Eigenkapitaldeckung zu stärken", sagt Hans-Jürgen Wolter, Autor der aktuellen Studie des IfM.

Die Wissenschaftler haben das Investitionsverhalten anhand von Bilanzkennzahlen deutscher Unternehmen aller Branchen für den Zeitraum 2005 bis 2014 untersucht. Ein Schwerpunkt lag auf der Frage, ob Klein- und Kleinstunternehmen relativ weniger investieren als größere Unternehmen und wenn ja, ob dies für die Betriebe ein Problem darstellt. "Es steht häufig die Vorstellung im Raum, dass hohe Investitionen prinzipiell gut für Unternehmen sind. Das muss man kritisch hinterfragen. Betriebswirtschaftlich gesehen, sind Investitionen eigentlich nur Kosten", sagt Wolter. Und diese machten eben nur Sinn, wenn sie auch etwas Positives bewirken.

Wenig überraschend kam es unabhängig von der Unternehmensgröße in den Jahren der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009/10 zu einem deutlichen Einbruch der Nettoinvestitionen. Der stärkste Rückgang der Investitionsquote war bei Kleinstunternehmen zu beobachten. Während die Großunternehmen rasch zum früheren Niveau zurückkehrten und ihren Kapitalstock vergrößerten, blieben die mittelständischen Betriebe bis Ende des Untersuchungszeitraumes im Jahr 2014 deutlich unter den Werten der Vorkrisenjahre. Geschadet hat diese Zurückhaltung den Betrieben nicht, denn die Zahlen belegen ihre guten wirtschaftlichen Ergebnisse gerade in den Jahren nach der Wirtschaftskrise. So stieg der durchschnittliche Umsatz von 2004 bis 2014 leicht an, der entsprechende Wert der Großunternehmen war leicht rückläufig. Zudem zeigte die Eigenkapitalrendite bei den mittelständischen Betrieben gute Ergebnisse und lag auf dem Niveau der Großunternehmen. Als zentralen Erfolgsindikator hat das IfM die sogenannte Cashflow-Eigenkapitalrendite herangezogen. Daraus lässt sich ableiten, welcher Anteil des Eigenkapitals zur Tilgung von Krediten, für Investitionen und zur Gewinnausschüttung zur Verfügung steht. Fazit: Die Unternehmen waren bewusst zurückhaltend mit Investitionen, um gezielt Eigenmittel aufzubauen.

"Unabhängigkeit ist ein zentrales Motiv für mittelständische Unternehmen. Dazu gehört auch, nicht zu abhängig von einem Kreditgeber zu sein. Ein wichtiger Grund für die niedrige Investitionsquote", sagt Wolter. Denn eine stärkere Eigenkapitalbasis hilft bei einer Schieflage. Entsprechend ist eine Firma weniger auf Fremdkapital angewiesen. "Bei den Großunternehmen hat sich da nicht so viel getan. Hier liegen die durchschnittlichen Eigenkapitalquoten bei 33 Prozent", sagt Wolter. Die Eigenkapitalquoten der kleinen und mittelständischen Betriebe, jahrzehntelange Schwachstelle vor allem bei Kleinstbetrieben, befanden sich im Jahr 2014 mit Werten über dreißig Prozent auf Höhe der Großunternehmen. Trotz nahezu identischer Fremdkapitalquote differierten die Belastungen bei den Unternehmen erheblich. So schneiden Großunternehmen und Konzerne bei den Zinskonditionen der Banken deutlich besser ab. Laut Studie mussten Kleinstunternehmen im Jahr 2014 mit 1,4 Prozent Zinsaufwandsquote eine mehr als doppelt so hohe Belastung schultern als Großunternehmen. Kosten, die sich allerdings nicht in längeren Rückzahlungs-Zeiträumen niederschlagen, ganz im Gegenteil. "Kleine und mittlere Unternehmen können aus ihrem Cashflow sehr viel schneller die Schulden begleichen als große. Das deutet darauf hin, dass sie ganz bewusst auf riskante Investitionen verzichtet haben, um bei steigenden Zinsen schnell reagieren zu können", sagt Wolter.

"Der kleine Handwerker kauft sich nicht jedes Jahr eine neue PC-Anlage."

Besonders die Kleinstunternehmen können innerhalb von knapp viereinhalb Jahren das aufgenommene Fremdkapital zurückzahlen. Auf die Zinswende seien die Betriebe damit gut vorbereitet. Im Zweifelsfall verzichten sie lieber auf eine Investition als sich auf unabsehbare Zeit zu verschulden.

Die Einheit von Eigentum und Führung bestimmt maßgeblich das Investitionsverhalten. "Der Unternehmer haftet mit seinem Privatvermögen für eine geplatzte Investition. Das ist bei einem Manager eines börsennotierten Unternehmens nicht der Fall, daher geht er bei Investitionen mehr ins Risiko", sagt Wolter. Geht der Plan auf, winkt der angestellten Führungskraft zu Jahresende häufig ein fetter Bonus, der zusätzlich motiviert. Aufgrund der beschränkten Finanzmittel fällt bei kleinen Betrieben die Möglichkeit weg, das Risiko durch eine Streuung der Gesamtinvestitionen zu verringern.

Bei kleinen und mittelständischen Betrieben zeigt sich oft ein sprunghafter Investitionsverlauf. "Der kleine Handwerker kauft sich nicht jedes Jahr eine neue PC-Anlage und einen Firmenwagen, sondern nützt die Güter zehn Jahre und investiert dann wieder neu", sagt Wolter. Allgemein unterscheidet sich die Investitionstätigkeit in wirtschaftlich starken Regionen nur unwesentlich von schwachen Regionen. "Das bedeutet, dass Rahmenbedingungen auf lokaler Ebene wie die Höhe des Gewerbesteuersatzes, das Angebot an Gewerbeflächen und eine gute Infrastruktur nur geringe Anreize setzen", sagt Wolter. Vertrauen in eine langfristig gute Politik sei wichtiger.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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