Finanzbranche entdeckt Modeindustrie:Kopf-an-Kopf-Rennen um Valentino und Hugo Boss

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Die beiden privaten Fonds Carlyle und Permira kämpfen um den Zuschlag für das Modeunternehmen Valentino und dessen Tochter Hugo Boss. Die Eigentümer-Clans haben wohl jeweils ihren Favoriten unter den kaufwilligen Investoren.

Ulrike Sauer

In der 170 Jahre alten Textildynastie Marzotto aus Norditalien ist Eintracht seit langem unbekannt. So konnte auch der Ausstieg der sich befehdenden Erben aus ihrer florierenden Mode-Holding nicht glatt verlaufen.

In einem Kopf-an-Kopf-Rennen kämpfen die beiden privaten Fonds Carlyle und Permira seit Freitag um den Zuschlag für Valentino Fashion Group (VFG) und dessen lukrativen Goldesel Hugo Boss aus dem schwäbischen Metzingen.

Auch nach einem nahezu pausenlosen Verhandlungsmarathon stellte sich am Dienstag zunächst noch keine Einigung unter den Großaktionären ein. Jede Clan-Fraktion hat offenbar ihren Favoriten unter den Investoren. Die Zeit jedoch drängt. Die Aktie VFG ist bereits seit Montag früh in Mailand vom Handel ausgesetzt.

Carlyle gilt als aussichtsreicher als Permira

Der amerikanische Private-Equity-Fonds Carlyle legte schon am Freitagabend seine Offerte auf den Tisch und gilt als aussichtsreicher als der britische Rivale Permira.

Die beiden Finanzinvestoren sprechen auf Verkäuferseite mit dem Großaktionär und Valentino-Präsidenten Antonio Favrin, der über die Finanzholding Canova zusammen mit einigen Sprösslingen der Marzotto-Sippe 19,7 Prozent an der renditestarken Modegruppe kontrolliert.

Auch ein anderer Zweig der großen Familie will sich nun überraschenderweise verabschieden. Seine Aktien sind in der Luxemburger Holding International Capital Group (ICG) gebündelt. Mit 29,9 Prozent ist ICG der größte Teilhaber von Valentino.

"Industrielle Seele"

Während Favrin und Canova seit geraumer Zeit Verkaufsabsichten nachgesagt wurden, galt die gegnerische Fraktion als die ,,industrielle Seele'' der Valentino Fashion Group mit langfristigen Ambitionen. Da keine Gruppe stark genug war, die andere abzudrängen, fiel die Marzotto-Holding in der schnelllebigen Fashionbranche zuletzt durch eine gewisse Unbeweglichkeit auf.

Erst vor zwei Jahren hatte Valentino an der Börse debütiert. Entstanden ist VFG durch die Ausgliederung der Modeaktivitäten aus dem traditionsreichen und größten italienischen Textilkonzern Marzotto.

Kern der Holding ist der deutsche Modehersteller Hugo Boss, der bereits 1991 von Marzotto übernommen wurde. Die Italiener kontrollieren das ehedem kränkelnde schwäbische Unternehmen mit 51 Prozent. Hugo Boss steuert heute 75 Prozent zum Umsatz und knapp 80 Prozent zum Gewinn der Holding bei.

Auch das 2002 in einem schlimmen Zustand aufgekaufte römische Modehaus Valentino wurde erfolgreich saniert und erreichte 2004 die Gewinnschwelle. Der inzwischen expandierende Edel-Couturier von der Spanischen Treppe trägt elf Prozent zum Geschäft der Gruppe bei. Die restlichen 14 Prozent stammen aus Lizenzlinien wie Marlboro Classics, M Missoni und Lebole.

Mode und Finanz Hand in Hand

Der bevorstehende Verkauf an eine große Investmentfirma zeigt, dass die internationale Beteiligungsbranche nun auch die Luxusszene entdeckt hat. Mode und Finanz gehen schon seit einem Jahrzehnt Hand in Hand.

Ende der neunziger Jahre waren es die Luxuskonzerne, die mit ihrer Mehr-Marken-Strategie eine Übernahmewelle lostraten. In den Krisenjahren nach 2001 kam die Einkaufstour zum Erliegen, um nun dank der guten Weltkonjunktur wieder aufzuleben.

Nun treten neben die Luxuskonglomerate wie PPR und LVMH die Fonds. Sie kamen bereits bei namhaften Marken zum Zuge, die aber meist aus der zweiten Reihe stammten.

So gingen Jil Sander, Emanuel Ungaro, Cerruti, Bruno Magli und Tacchini in die Hände von Beteiligungsfirmen über. Die Übernahme von Tommy Hilfinger vor zwei Jahren durch Apax Partners für 1,6 Milliarden Dollar war die erste Transaktion von Gewicht. Diese Marke würde nun deutlich übertroffen.

Indiskretionen aus Mailänder Verhandlungskreisen zufolge bietet Carlyle circa 34 Euro pro VFG-Aktie. Zu den 2,6 Milliarden Euro für eine Übernahmeofferte an die VFG-Aktionäre müssten dann weitere 1,5 Milliarden Euro für ein Kaufangebot an die Minderheitsaktionäre von Hugo Boss addiert werden.

© SZ vom 16.05.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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