Filmprojekt von Piëch-Sohn Toni:"Mit meinem Namen bekomme ich überall ein Mittagessen"

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China statt Wolfsburg: Toni Piëch, Sohn des VW-Patriarchen Ferdinand Piëch, produziert fürs chinesische Fernsehen eine Serie über die Geschichte des Automobils. Ausgerechnet im Auftrag von Daimler, dem Konkurrenten von Volkswagen.

Marcel Grzanna

Bei welchem Konzern würde sich ein junger Unternehmer mit dem Nachnamen Piëch wohl das Geld besorgen, um eine Fernseh-Dokumentation über die Geschichte des Automobils zu produzieren? Die Antwort "Volkswagen" ist so nahe liegend wie falsch. Anton Piëch, genannt Toni, ein Sohn des VW-Patriarchen Ferdinand, hat sich als Partner für seinen Zwölfteiler die Traditionsmarke Daimler geangelt. Seit Ende September läuft das Projekt im chinesischen Staatsfernsehen CCTV.

Toni Piëch erzählt für das chinesische Fernsehen die Geschichte des Automobils - am Beispiel von Daimler. (Foto: oH)

Toni Piëch hat allen Beteiligten die beste Autodoku versprochen, die es jemals in China gegeben hat. "Ich will nicht, dass Daimler denkt, der Piëch nimmt das Geld, um seiner Familie Gutes zu tun", sagt der 33-Jährige. Geschätzte fünf Millionen Euro verschlang die Produktion.

Den Großteil davon finanzierten die Autohersteller aus Schwaben, die das Geld auch in bewährte Werbespots hätten stecken können. Doch Piëch überzeugte die Marketing-Leute mit seiner Idee des Brand-driven-TV. Das Konzept integriert Daimler als zentrales Element in die Dokumentation. Dem Zuschauer wird entlang der Marke eine Geschichte erzählt. Schleichwerbung kann man das auch nennen. Aber es funktioniert nicht so plump wie die penetrante Produkt-Platzierung in manchen Vorabendserien.

Daimler kommt nicht einmal in allen zwölf Folgen vor und muss sogar mitansehen, dass US-Rivale Ford und selbst die Marke Audi aus dem Piëch-Imperium in jeweils einer Folge prominent vertreten sind. Doch nur so, argumentiert Piëch, gewinne die Doku erst an Glaubwürdigkeit und entfalte ihre Wirksamkeit als Werbeträger für Daimler.

Dem Konkurrenten der eigenen Familie die Kundschaft in die Arme zu treiben, das klingt nach einer Art Abrechnung mit dem Piëch-Clan. Falsch. Tatsächlich war Toni Piëch mit dem Konzept nicht nur bei Daimler vorstellig. Audi und BMW hatten kein Interesse. Und von VW hatte sich Piëch bereits die Unterstützung für eine Brand-driven-Realityshow gesichert, die im kommenden Jahr in China auf Sendung gehen soll. Das Projekt verzögert sich jedoch, weil in Wolfsburg die Entscheidung für oder gegen die Idee ungewöhnlich lange auf sich warten ließ.

Mit meinem Namen bekomme ich überall ein Mittagessen mit dem Chef. Aber bei Volkswagen hilft mir mein Name am allerwenigsten", sagt Piëch. Gerade dort müsse er sich am meisten beweisen. Auch das ist ein Grund, weshalb er in China lebt, statt auf einen einflussreichen Posten im VW-Konzern zu schielen.

Toni Piëch wollte immer sein eigenes Ding machen und nicht mit dem latenten Argwohn seiner Mitarbeiter leben müssen, er sei nur ihr Vorgesetzter, weil sein Name Piëch lautet. Die großzügige Anschubfinanzierung für sein Leben, die ihm als Mitglied des Piëch-Porsche-Clans gewährt wird, hat er jedoch nicht ausgeschlagen. Aber er sieht sie als Verpflichtung seiner Familie gegenüber und auch der Gesellschaft. "Ich hatte viel Glück im Leben. Mich plagen keine Existenzsorgen. Von diesem Glück will ich etwas zurückgeben", sagt er. Also entwickelte Piëch seine eigene Geschäftsphilosophie: Make money to do good - verdiene Geld, um Gutes damit zu tun.

Die Idee ist simpel. "Wir greifen überall dort hin, wo am meisten zu holen ist. Und kein Geld verlässt die Gruppe, außer für einen guten Zweck", sagt Piëch. Dazu gründete er vor drei Jahren die Piëch Asia Enterprises (PAE), eine Muttergesellschaft, die bislang zwei Arme hat: Die PAE Media, die für die Daimler-Doku verantwortlich zeichnet, und die PAE Designtalent, ein Consulting-Unternehmen, das Designer in der Kreativindustrie sucht und vermittelt. Das Grundkapital hat Piëch selbst beigesteuert. Zwei Jahre lang blieb nichts übrig für den guten Zweck. In diesem Jahr hat Piëch Asia Enterprises erstmals Profite eingefahren. 1,8 Millionen Yuan (rund 200.000 Euro) stehen zur Verfügung, um Gutes zu tun.

Es sind kleine Projekte, die PAE unterstützt: Nachbarschaftshilfe für alte Leute oder Feste für behinderte Kinder. Oder die Gruppe stellt Ressourcen für Unternehmer zur Verfügung, die sozial operieren. Was gut ist, entscheidet die Philantropie-Abteilung, die Projekte oder Nichtregierungsorganisationen bewertet. Bewusst hält sich Piëch fern von Umweltaktivisten oder politischen Bewegungen. "Wir werden niemals diejenigen sein, die etwas verändern werden im Land oder Probleme lösen. Wir werden keine Kampagnen unterstützen." Alles andere könnte Probleme bringen in der autokratischen Volksrepublik, deren Regierung ausländische Weltverbesserer nicht leiden kann.

Piëch hätte wahrscheinlich mehr Geld in den vergangenen drei Jahren allein mit seinem guten Namen auftreiben können, aber Fundraising, also das Einsammeln von Geld bei Leuten, die es haben, widerstrebt seinem Charakter. "Ich will Systeme schaffen, die Profite machen, so viel wie möglich. Aber ich persönlich muss davon nicht profitieren", sagt er.

Um möglichst viel Gewinne einzufahren, genießt das Wachstum der Gruppe stets Priorität vor der Wohlfahrt. Und dennoch: "2000 Leute werden wir niemals werden. Vorher werden die Tochterfirmen verkauft." Zurzeit sind es 50, im kommenden Jahr sollen es knapp 100 Mitarbeiter mehr werden.

Der Vorstand arbeitet beratend und ehrenamtlich und besteht aus Leuten, "von denen ich richtig viel gelernt habe". Ian Stewart zählt dazu, Gründer des Wired-Magazins, der mehrere Unternehmen gründete und mit deren Verkauf Hunderte Millionen US-Dollar verdiente. Auch der Ex-China-Chef von Gruner + Jahr, Wolfgang Kohl, ist dabei. Sie alle hat Piëch von seiner Philosophie überzeugt.

Sich selbst zahlt der Chef monatlich 50.000 Yuan, also knapp 6000 Euro. Das reicht zum Leben in der teuren chinesischen Hauptstadt, ohne die Rücklagen anzufassen. Piëch fährt einen VW Golf, obwohl er sich einen Porsche leisten könnte. Den hielte er jedoch für das falsche Signal an seine Mitarbeiter.

© SZ vom 07.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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