Ferdinand Piëch und der Phaeton:Ein luxuriöses Hobby

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VW-Aufsichtsratschef-Chef Ferdinand Piëch gönnt sich mit der Gläsernen Manufaktur in Dresden ein teures Vergnügen - denn der Phaeton verkauft sich nicht so recht. Aber das macht nichts. Denn Piëch ist heute so mächtig wie nie.

Michael Kuntz

In Dresdens Gläserner Manufaktur ist alles gut zu sehen: Ein "maraisgrün" lackierter VW Phaeton rumpelt seine ersten Meter aus eigener Kraft über metallene Schwellen auf dem Parkettboden der Werkshalle. Der Start auf der Holperstrecke steht symbolisch für das ganze Projekt Phaeton. Seit sechs Jahren versucht Volkswagen, mit der Limousine zur Luxuswelt von Mercedes, BMW und Audi aufzuschließen. Bisher blieb alle Mühe vergeblich. Nur in Korea ist der Wagen ein Renner.

Selbst Porsche-Fahrer erblassen

Architektonisch ist der herausragende Neubau am Großen Garten weltweit einmalig - in mehrfacher Hinsicht. Erstens dürfte es die einzige Autofabrik sein, die - mit Parkettboden ausgelegt - sehr edel und fast wohnlich wirkt. Zweitens kommen die meisten Teile mit der Straßenbahn. Drittens wirkt der Kundenbereich bei Rolls-Royce in Goodwood wie eine bescheidene Gartenlaube im Vergleich zu dem Aufwand, der in Dresden für den Kunden betrieben wird. Als "Inszenierung für die Sinne" beschreibt VW seinen Zwitter aus Fabrik und Kulturhaus. Viertens schließlich dürfte kein anderes Autowerk auf dem Globus so stark mit einer Person verbunden sein wie die von einem Wassergraben abgeschirmte futuristische Autoburg in Sachsen.

Die Gläserne Manufaktur - sie ist das ganz persönliche Projekt von Ferdinand Piëch. Dem Mann, der bei ihrer feierlichen Einweihung am 11. Dezember 2001 Vorstandsvorsitzender von Volkswagen war und der heute an der Spitze des Aufsichtsrates die Fäden zieht beim größten Autohersteller in Europa - so auch bei der bevorstehenden VW-Hauptversammlung am 24.April in Hamburg. Mehr noch: Seit die Familien Porsche und Piëch über ihre Sportwagenfirma in Zuffenhausen als größter Aktionär bei VW eingestiegen sind, hat der ehedem angestellte Manager Piëch als Familienunternehmer den Konzern noch fester im Griff als früher. Schon lässt er den ersten Porsche-Abgesandte im Vorstand in Ingolstadt agieren. Anfang Mai zieht auch Piëch selbst in den Aufsichtsrat bei Audi ein. Audi ist die größte VW-Tochter mit so schnellen Fahrzeugen, dass selbst Porsche-Fahrer erblassen könnten.

Selbst der starke Ferdinand Piëch konnte bisher aber nicht verhindern, dass ausgerechnet bei seinem Lieblingsprojekt Phaeton einiges aus dem Ruder gelaufen ist. Wer vier Euro Eintritt bezahlt und an einer der stündlichen Führungen teilnimmt, kann sich persönlich überzeugen von der traumhaften Stille in der Gläsernen Manufaktur. Das liegt nicht nur daran, dass die Karosserien fertig angeliefert werden aus dem sächsischen VW-Werk Mosel, weshalb es in Dresden weder ein hämmerndes Presswerk noch eine zischende Lackiererei gibt. Anders als in anderen Fabriken werden die Werkzeuge nicht geräuschvoll mit Druckluft angetrieben, sondern kaum hörbar elektrisch. Auf den zwei Ebenen der Fertigung mit dem Boden aus kanadischem Bergahorn arbeitet die Hälfte der Belegschaft - man merkt es kaum. Kein Schmutz, kein Lärm.

Auf 29 runden Scheiben eines Fließbandes - ähnlich wie denen für Gepäck auf Flughäfen - wandern die Autos durch die Halle, schrittweise und sehr langsam. Es ist überhaupt nicht vergleichbar mit dem 90-Sekunden-Takt etwa bei der Golf-Herstellung in Wolfsburg oder der Hektik bei Ford in Köln.

Arbeiter montieren die wie auf höhenverstellbaren Zahnarztstühlen aufgebockten Fahrzeuge. Die durchschnittlich 35 Jahre jungen Manufakteure entnehmen die Teile dafür Behältern, die führerlos herbeirollen. Die wurden so beladen, dass immer zur richtigen Zeit das richtige Teil am richtigen Auto eintrifft - "just in sequence" nennen die Fachleute das. Nur drei Roboter gibt es. Einer klebt Scheiben ein, zwei montieren die schweren Räder. Die viele Handarbeit dauert: Fünf Tage durchläuft eine Limousine die Manufaktur, bis sie fertig in einen vierzig Meter hohen Turm gelagert wird. Das ist mehr als doppelt so lange wie in einer normalen Autofabrik. Die 200 Leute auf dem Parkett-Band in Dresden stellen am Tag ganze 32 Phaetons her. Möglich wäre es, 105 Autos zu bauen, also die dreifache Menge.

Auf der nächsten Seite: Piechs Phaeton - eindrucksvolle 2,3 Tonnen Auto.

Genau das ist das Problem. Die minimale Auslastung des prachtvollen Gebäudes mit lediglich einer Produktionsschicht an fünf Arbeitstagen pro Woche spiegelt wider, wie weit der Phaeton bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Die waren hoch. "So wie Mercedes und BMW nach unten in fremde Reviere gehen und sich neue Einsteiger holen, muss Volkswagen nach oben verlängern, um seine Aufsteiger weiter zu bedienen", begründete Ferdinand Piëch den Klimmzug in die automobile Oberklasse.

Überraschend anstrengend ist der. "Der Passat-Kunde verdient es, für sein nächstes Modell ein Angebot aus dem eigenen Haus zu bekommen." Ein Auto größer als der Passat werde auch die Arbeiter begeistern, die sonst eher Massenmodelle bauen. "Gerade ein solcher Riese wie Volkswagen muss sich immer wieder strecken und nach Höherem streben, darin liegt eine gewaltige Motivation für die ganze Mannschaft."

Piëch wird am Donnerstag in dieser Woche 71 Jahre alt. Seit dem Produktionsbeginn des Phaeton muss der VW-Patriarch nun schon sechs Jahre darauf warten, dass die Marketingexperten endlich erfolgreich kommunizieren, was für ein besonderes Auto in Dresden entsteht. Da ist zunächst einmal eine aufwendig konstruierte Luftfederung, bei der jeder zunächst an gehobenen Komfort denkt. Doch damit solch ein Teil gut funktioniert, muss das Auto besonders stabil gebaut werden. Es wiegt deshalb eindrucksvolle 2,3 Tonnen.

Vor den Ehefrauen der S-Klasse-Fahrer ließ sich bislang auch geheim halten, dass es im Phaeton eine Klimaanlage mit 25 elektrischen Stellmotoren gibt. "Wenn ich je darauf Wert gelegt habe, ein persönliches Hobby in einem unserer Autos zu verwirklichen, dann war es die Darstellung der ersten zugfreien Klimaanlage." Piëch selbst braucht nun "wegen der sehr ordentlichen Klimaanlage" keinen Cadillac Eldorado mehr zu fahren - wie noch in den siebziger Jahren.

Klavierkonzert zur Feier des Autokaufs

"Der Grundgedanke von Herrn Piëch war es, dass der Wagen sehr individualisierbar sein soll", bringt es der Manufaktur-Erklärer Eduard Herrmann auf den Punkt. Der Kunde darf in Lounge-Atmosphäre lederne Sitzbezüge im "Vienna Classic Style" auswählen oder sich für die Perleffekt-Lackierung "Tarantellaschwarz" entscheiden.

Der Kauf kann im Restaurant "Lesage" beim nach dem Topmotor benannten "W12"-Burger mit Pommes Frites und Salat für acht Euro oder bei einer Hummer-Degustation gefeiert werden. Eben alles nach individuellem Gusto. Ab und zu lässt sich ein Abend beschließen beim Klavierkonzert oder anderen kulturellen Highlights am "Ort, der so exklusiv ist wie das Automobil selbst". Trotz vielfältiger Anstrengungen der Autowerker aus Niedersachsen gelang es bis heute lediglich, 11.000 Exemplare des Phaetons in den deutschen Straßenverkehr einzuschleusen.

Fortsetzung auf der nächsten Seite: Beim Phaeton geht es nicht nur um ein Auto - es geht auch um Dresden.

In der Basisversion kostet ein Wagen 64.000 Euro. Damit ist Volkswagen erheblich erfolgreicher als die Lexus-Verkäufer von Toyota, etwa so gut wie Jaguar, aber noch weit entfernt von BMW, Mercedes und der Konzern-Schwestermarke Audi. Es sei eben schwierig und langwierig, sich in der automobilen Oberklasse zu etablieren, gesteht man in Wolfsburg. Aber immerhin hat es VW mit seinem Phaeton nach sechs Jahren etwa so weit gebracht wie BMW mit dem 7er, der 1986 herauskam und ebenfalls nicht von Anfang an populär war. Weltweit konnte VW bisher 26.000 der Luxusautos absetzen, vor allem in Korea, Russland und China.

Möglicherweise hat der Phaeton den schwierigsten Teil seiner Holperstrecke hinter sich. Von Mitte 2005 bis Ende 2006 musste der Konzern noch in seiner Vorzeige-Manufaktor für Beschäftigung sorgen durch die Montage eines Teilkontingents des "Bentley Continental Flying Spur", der damals neu war und ansonsten im britischen Crewe hergestellt wird. Piëch soll nicht amüsiert gewesen sein, als der damalige Konzernchef Bernd Pischetsrieder den Phaeton vom weltgrößten Automarkt Nordamerika nahm - wegen Erfolglosigkeit. Pischetsrieder-Nachfolger Martin Winterkorn will nun noch in diesem Jahr einen zweiten Anlauf wagen und den Phaeton als Sechszylinder-Diesel in die USA zurückbringen.

"Der Phaeton gehört zu Volkswagen", sagt Winterkorn. "Ich habe mich eindeutig zum Phaeton bekannt und seitdem steigen auch die Verkaufszahlen." Viele Händler hatten das Auto faktisch abgeschrieben und kaum noch aktiv angeboten. Winterkorn will in diesem Jahr 7000 Phaeton an den Mann bringen, nach 5500 im vergangenen Jahr. "Es wird zudem ein Nachfolgemodell geben, an dem wir derzeit arbeiten."

Der Nachfolger könnte 2010 den dann acht Jahre alten Phaeton ablösen. Er darf vor allem eines nicht wieder werden - ein wirtschaftlicher Flop. Denn von der Quersubventionierung einzelner Modelle hat sich VW inzwischen offiziell verabschiedet. Porsche-Chef und VW-Aufsichtsrat Wendelin Wiedeking hat sich energisch dafür ausgesprochen, dass jedes Automodell für sich zum Erfolg des Unternehmens beitragen müsse.

Vermintes Gelände für Controller-Typen

Das heißt aber nicht unbedingt, dass es auch so kommen wird, wie Wiedeking es will. Schließlich ist Phaeton-Fan Ferdinand Piëch Vorsitzender des Kontrollgremiums. Und im Jahr 2010 gehört seiner Familie voraussichtlich die Mehrheit an Volkswagen. Dann kann sich Piëch überlegen, wofür er Geld ausgeben möchte. Und ob er etwas verbrennen möchte - vielleicht für einen neuen Phaeton, um es den Rivalen BMW und Mercedes noch einmal so richtig zu zeigen.

Beim Phaeton geht es ja nicht nur um ein Auto, sondern auch um die Stadt Dresden, einen Leuchtturm im wirtschaftlich schwachen Osten. Oder wie Piëch es formuliert: "Ein eigenes Kunstwerk aus Architektur, intelligenter Logistik und die Verknüpfung von klassischer industrieller Produktion mit den Vorgängen einer Manufaktur." Das ist vermintes Gelände für Controller-Typen.

Einstweilen besuchen Prominente wie die thailändische Thronfolgerin Prinzessin Maha Chakri Sirindhorn oder der rallyerprobte Fürst Albert von Monaco die Manufaktur. Was übrigens nicht ganz ungefährlich ist. Auch die normalen Besucher dürfen in einem Fahrsimulator mit dem Phaeton über Landstraßen oder Autobahnen brausen. Die virtuelle Tour über eine Gebirgsstrecke wird allerdings nicht mehr angeboten. Weil dabei so vielen Fahrern schlecht wurde, erläutert der Instruktor. Auch so verursacht die Phaeton-Fahrt im seltsam schwingenden Simulator bei einigen Besuchern Übelkeit. Eine unangenehme Überraschung in der perfekten Welt der Gläsernen Manufaktur, denn im realen luftgefederten Phaeton auf der Straße reist es sich ja recht kommod.

© SZ vom 05.04.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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