Ferdinand Piëch:Sein nächster Schachzug

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Patriarch Ferdinand Piëch verlässt den Aufsichtsrat von Porsche - und in Genf fragen sich alle, was das zu bedeuten hat.

Michael Kuntz

Ferdinand Piëch ist ein Mann, der wie ein Schachspieler gern ein paar Spielzüge vorausdenkt. Und dem es immer wieder gelingt, allen anderen die Schau zu stehlen. Besonders ist das so, wenn im Frühjahr in Genfer Seeluft der Auto-Salon stattfindet.

Ferdinand Piëch: Er lächelte in Genf noch maliziöser als sonst - und ließ, wie sonst, alle im Unklaren. (Foto: Foto: AP)

Am Montag sah es zunächst so aus, als sei die Übernahme der Mehrheit von Scania durch Volkswagen die Nachricht des Tages. Piëchs Vertrauter, VW-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn, durfte den nicht ganz überraschenden Schritt in Stockholm verkünden, bevor er nach Genf jettete.

Nachmittags setzte Porsche dann eins drauf: Nach einer außerordentlichen Sitzung seines Aufsichtsrates teilte der Sportwagenhersteller mit, die Kontrolleure hätten grünes Licht gegeben für das Aufstocken seines Anteils an Volkswagen von offiziell noch 30,6 auf mehr als 50 Prozent.

Knaller am Abend

Doch das war nicht alles: Am Abend kam ein Knaller: Strippenzieher Ferdinand Piëch zieht sich aus dem Präsidium der Porsche-Holding zurück. Damit war die Tagesordnung beim Konzernabend von Volkswagen erfolgreich geändert. Alle fragten den im blauen Anzug erschienenen Piëch und sich selbst: Was hat das wohl zu bedeuten?

Mit Bruder Hans Michel Piëch, 66, als Nachfolger von Ferdinand Piëch, 71, wird das Präsidium des Aufsichtsrats der Porsche Automobil Holding SE unwesentlich verjüngt. Das also kann der Grund nicht sein. Der VW-Patriarch lächelte in Genf noch maliziöser als sonst und ließ, wie sonst, alle im Unklaren. In ein paar Wochen werde man wissen, was ihn zu diesem Schritt bewogen habe.

Auf alte Wegbegleiter wirkte er dabei richtig entspannt und fast fröhlich. Sollte er seine schon Jahre alte Ankündigung wahrmachen und mit Ehefrau Uschi um die Welt segeln? Wohl eher nicht. Er könne seine Pläne auch weiter verfolgen, ohne Holding-Präsidialer zu sein. Das immerhin ließ er in kleiner Runde wissen.

Vor Showbeginn bei der VW-Nacht hatte Piëch schon mal gesagt, man werde Scania und MAN, Volkswagen und Porsche nicht fusionieren. Alle hatten stets geglaubt, der Enkel des Käfer-Konstrukteurs wolle letztlich zusammenfügen, was nach Meinung vieler in den Familien Porsche und Piëch zusammengehört.

Nun rätseln alle über die Pläne des Alten. Schon vor zwei Jahren hatte der bekennende Technik-Freak die Agenda beim Genfer Salon bestimmt. Damals vertraute er dem Wall Street Journal an, in Deutschland könne niemand gegen den Willen der Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat Chef eines im Dax notierten Unternehmens sein. Das wurde vielfach als Anfang vom Ende des damaligen VW-Vorstandsvorsitzenden Bernd Pischetsrieder gedeutet - was es dann ein dreiviertel Jahr später auch war.

Hilflos bei VW

Nun taktiert Piëch diesmal gewiss nicht gegen den Konzernchef von VW, vielleicht aber gegen den von Porsche. Wendelin Wiedeking hatte die Pläne der Bundesregierung für ein neues VW-Gesetz nicht auf seinem Radarschirm. Im Umgang mit den Vertretern der 329.000 Mann starken VW-Belegschaft wirkt der Chef von 10.000 Porsche-Leuten fast hilflos.

Seine rauhbeinige Art gilt zwar als sympathisch in Zuffenhausen, nicht aber in Wolfsburg. Hier bringt er alle gegen sich auf, und immer mehr Menschen bei VW sind sich nicht länger sicher, ob der Porsche-Chef tatsächlich den Einzug von Finanzinvestoren bei Volkswagen verhindert hat oder nicht letztlich selbst wie eine Heuschrecke handelt.

Es ist etwas im Busch. Wiedeking sagte mehrere Interview- und Essenstermine für den Dienstag in Genf kurzfristig ab. Angeblich muss er die Belegschaft von Porsche über die Einzelheiten des Einstiegs bei Volkswagen informieren. Wegen Betriebsversammlungen in mehreren Porsche-Standorten könne er nicht zum Auto-Salon reisen. Auch Finanzvorstand Holger Härter wollte nicht mehr am traditionellen Essen mit Motorjournalisten teilnehmen.

Wolfsburg kommt derweil in Genf ganz groß heraus: Der Volkswagen-Konzern ließ für die Präsentation seiner neuen Modelle am Vorabend des Auto-Salons in Genf eine riesige Lagerhalle der Schweizer Coop am Rande der Stadt umgestalten. Eine hundert Meter breite Bühne in kräftigem Hellblau geht über die volle Längsseite des Gebäudes, in dem normalerweise Drogerieartikel lagern. Gigantisch musste es schon sein, damit sich der Autohersteller präsentieren konnte, der zur Zeit die Nummer eins in Europa ist und sich anschickt, bis zum Jahr 2018 Toyota zu überholen.

Über zwei Leinwände flimmert zu wummernden Bässen ein als Agententhriller inszenierter Film, aufgenommen an den schönsten Schauplätzen der Welt. Die Chefs der einzelnen Marken fahren die Neuheiten persönlich an der Tribüne mit etlichen tausend Gästen vorbei.

Sparmodelle kommen eher beiläufig vor: Autos, die richtig anmachen, müssen schon im Stehen schnell aussehen. So wie der Bugatti (mehr als 1000 PS), Bentley (530 PS), Audi R8 TDI Le Mans (sehr viele PS), VW Scirocco (200 PS), Skoda Superb (ausreichend motorisiert) und der Lamborghini Gallardo mit 40 PS mehr als sein Vorgänger.

"Wir bleiben auf der Überholspur", sagt VW-Chef Martin Winterkorn, und niemandem kommen da Zweifel, auch wenn Toyota trotz glänzender Zahlen von Volkswagen derzeit noch ein Vielfaches an Gewinn macht.

All die vielen neuen Autos, 20 sind angekündigt für die nächsten drei Jahre, lassen fast vergessen: Für den wirtschaftlichen Erfolg von Volkswagen entscheidend ist ein Auto, das in Genf noch nicht zu sehen ist und erst im Herbst auf den Markt kommt: der Golf A6.

© SZ vom 5.3.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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