Fehleinschätzungen auf breitester Front:Expoland ist abgebrannt

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Die erste Weltausstellung auf deutschem Boden war finanziell ein Desaster - jetzt erweisen sich auch die Visionen von der weiteren Nutzung als Wunschträume.

Arne Boecker

Gegen Abend bringen Eishockey-Fans ein bisschen Leben in die Bude. "Scor-pi-ons! Scor-pi-ons!", hallt es über den Platz. Die Hannover Scorpions haben in diesem Jahr eine echte Chance, die Endrunde um den Meistertitel zu erreichen, deswegen kommen ein paar mehr Zuschauer als üblich in die TUI-Arena, direkt an der weiten, steinernen Plaza gelegen.

Als die Expo noch leuchtete: Eine Reinigungskraft auf dem Gelände im Jahr 2000. (Foto: Foto: AP)

Hier schlug vor sechs Jahren das Herz der Expo. Gegenüber im Deutschen Pavillon brennt Licht in dem Drittel, das heute noch genutzt wird. Nebenan im World Trade Center sind nach der Weltausstellung unter anderem das Berufsbildungszentrum Annastift und die Gesellschaft für Straßenanalyse untergeschlüpft. Am anderen Ende der Plaza schimmert der "Planet m" nutzlos in der Dunkelheit.

"One World City"

Während der Expo hatte das Raumschiff, von der Bertelsmann AG auf das Gelände gewuchtet, alle Augenblicke die Farbe gewechselt, glühte grün, blau und rot.

"Heute fahren wir einen klaren Kurs", sagt Walter Richter, Geschäftsführer der Expo Grund GmbH, "aber vor der Weltausstellung hat es Fehleinschätzungen auf breitester Front über die Nachnutzung gegeben." Wer heute alte Konzepte wälzt, kommt schnell zu dem Ergebnis, dass Richter eher untertreibt.

Die Nachnutzung der ersten Weltausstellung auf deutschem Boden sei geregelt, hieß es seinerzeit. Die Landeshauptstadt bekomme im Süden ein Schmuckstück, das es stolz herzeigen könne. Ein Luxemburger Consultant fabulierte von einer "One World City". Die solle "der Weltverantwortung Ausdruck geben, die Trägerin der Expo-Thematik ist". Doch von den Ideen, Visionen und Versprechungen ist im Jahr sechs nach der Expo nicht viel geblieben.

Schon 1992 mahnte ein Projektmanager der Anlage, dass "erst eine wertschöpfende, dauerhafte Nachnutzung des Expo-Geländes die hohen Investitionen rechtfertigt". Doch Expo-Generalkommissarin Birgit Breuel hatte vor allem ab 1998 so viel damit zu tun, dass ihr der Laden nicht schon vor der Eröffnung um die Ohren fliegt, dass die Nachnutzung in den Hintergrund geriet.

Finanziell war die Expo 2000 in Hannover ein Desaster. Die schwarze Null, die die Expo GmbH als Ziel vorgegeben hatte, färbte sich schließlich tiefrot: In den 157 Tagen, in denen die Weltausstellung das Messegelände bespielte, fuhr sie einen Verlust von einer Milliarde und 28 Millionen Euro ein.

Hauptgesellschafter der von Birgit Breuel geführten Expo GmbH waren der Bund und das Land Niedersachsen, die das Minus im Verhältnis zwei Drittel/ein Drittel schultern müssen. Niedersachsen wird noch bis 2012 brauchen, um die Schulden abzustottern.

Irgendwas mit IT-Branche und Neuen Medien sollte es später werden, hieß es damals. Heute sitzen im Westen des Expo-Geländes die Gewinner: Alle Pavillons sind wie geplant abgerissen worden, zurück blieb allermodernste Infrastruktur, die mit dem Expo-Ende der Messegesellschaft übergeben wurde.

Der Osten dagegen zählt zu den Verlierern, Tristesse umweht die Pavillons. Der polnische Pavillon hatte zuletzt als 9-Drachen-Park gedient, der für Gastronomie und Kultur mit den Worten warb: "Lassen Sie sich in Mini-Asien verwöhnen!"

Im Herbst ist das asiatische Polenland dann abgebrannt. Das Business Center im ungarischen Pavillon verramscht "Raumzellen ab 20 Euro pro Quadratmeter". Gegenüber liegt ein Pavillon, der Zuversicht ausstrahlt. Mousse T., einer der besten deutschen Pop-Produzenten ("Sex Bomb"), hat den belgischen Pavillon zum Produktionsstudio aufgepeppt, "Peppermint Park" mit Namen.

Zwischen den Pavillons präsentiert sich das Ex-Expogelände/Ost als Brache. Nur die "Gärten im Wandel" wurden nicht in Parkplätze umgewandelt - auch wenn im Sommer kaum jemand in ihnen wandelt.

"Urbanes Leben ist auf dem ehemaligen Expo-Gelände nur schwach ausgeprägt", sagt Sid Auffarth vom Bürgerbüro Stadtentwicklung in Hannover, das die Weltausstellung im Auftrag der Stadt fachlich begleitet hat. Der Friedrichshafener Unternehmer Josef Wund, der den Deutschen Pavillon betreibt, kritisiert die "vielen Gebäude-Friedhöfe".

"Viele Gebäude-Friedhöfe"

Das Areal verströme "einfach keinen Glamour". Den heutigen Vermietungsgrad im Deutschen Pavillon nennt Wund "nicht erfreulich, zum Glück verdiene ich mein Geld mit anderen Projekten". Viele öffentliche Einrichtungen wie die Fachhochschule sind auf das Expo-Gelände abkommandiert worden, um den Raum zu füllen.

Der grüne Landtagsabgeordnete Enno Hagenah bezeichnet das als "staatliche Urbarmachung" Hagenah findet jedoch nicht alles schlecht, was die Stadtpolitik in Hannover-Laatzen unternommen hat. "Wir haben der Versuchung widerstanden, alles mit Einzelhandel vollzustopfen."

Auch Stadtplaner Auffarth hofft, "dass das Gelände nur schläft und geweckt werden kann, wenn bessere Zeiten kommen". Um wenigstens ein bisschen Betrieb zu machen, darf BMW jetzt ein Autohaus in den französischen Pavillon platzieren, und am Rand des Geländes wächst ein IKEA-Haus in die Höhe - Neue Medien hin, "Weltverantwortung" her.

Wie sehr die Expo-Brache nervt, zeigen zwei Anrufe, zunächst bei der Bertelsmann AG. Ob es stimme, dass der "Planet m" demnächst abgerissen werde, weil keine Nutzung in Sicht sei? "Ist noch nicht entschieden", sagt der Sprecher kurz angebunden. Der Sprecher der Stadt Hannover dagegen ruft trotz mehrfacher Bitten gar nicht erst zurück.

Alle Kritiker der Nach-Expo räumen ein, dass die Idee, die Weltausstellung nach Hannover zu holen, in einer Zeit geboren wurde, in der Deutschland auf eine glänzende Zukunft zuzusteuern schien.

ie Vorstellung, das Gelände hinterher mit den Start-ups von Internetfreaks aufzufüllen, schien damals so unrealistisch nicht. Auffarth hat sich außerdem die Nachnutzung in Weltausstellungs-Städten wie Sevilla und Lissabon angeschaut. Ergebnis: Hannover-Laatzen ist überall. "In Sevilla wuchern Wildkräuter aus allen Ritzen", sagt er.

Keinen Anspruch haben die Expo-Macher so sehr für sich reklamiert wie den der Nachhaltigkeit. Weil es besser klingt, schwamm das Schlagwort gern als sustainable development durch die Konzepte.

Vereinfacht gesagt: Die Expo 2000 sollte nicht nur ein fröhliches Fest der Völker sein, sie sollte ein bisschen die Welt verändern - mindestens aber das Expo-Gelände in Hannover. Man wird sicher in zehn Jahren nochmal nachschauen müssen, aber 2006 heißt das Fazit: Was die Nachnutzung betrifft, war das Gerede von der Nachhaltigkeit die letzte Lebenslüge der Expo 2000.

© SZ vom 25.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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