Fed-Vize geht:Druck auf Trump

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Stanley Fischer, stellvertretender Fed-Chef, gilt als „elder statesman“ des Weltfinanzsystems. (Foto: Jim Lo Scalzo/dpa)

Stanley Fischer ist nicht nur Vizechef der US-Notenbank Fed, sondern auch ein weltbekannter Ökonom. Sein Rücktritt zwingt das Weiße Haus nun zu handeln.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Wer im Laufe der vergangenen 40 Jahre Volkswirtschaftslehre studiert hat und ihm nicht begegnet ist, muss im Universitätshörsaal entweder selig geschlummert haben oder sonst wie abwesend gewesen sein: 1978 erschien ein Buch mit dem schlichten Titel "Makroökonomie", das Stanley Fischer gemeinsam mit dem aus Krefeld stammenden Kollegen Rüdiger Dornbusch verfasst hatte und das für den VWL-Nachwuchs bis heute zur Standardlektüre zählt. Nun gibt Fischer seine öffentlichen Ämter ab - zumindest das als Vizechef der US-Notenbank Fed. Eigentlich sollte er erst im Juni 2018 ausscheiden.

Spekulationen, sein vorzeitiger Amtsverzicht könnte so etwas wie ein stiller Protest gegen die Wirtschafts- und Finanzpolitik von Präsident Donald Trump sein, liegen nahe. Belege dafür gibt es jedoch keine, nicht einmal Indizien: In seinem knappen Rücktrittsschreiben an Trump spricht Fischer vielmehr von "persönlichen Gründen", die ihn zu seiner Entscheidung veranlasst hätten. Angesichts seines Alters von bald 74 Jahren erscheint die Begründung, die in der Tat gerne als Ausflucht für ganz andere Motive missbraucht wird, zumindest nicht völlig unplausibel.

Fischer, der im heutigen Sambia geboren wurde und sowohl die amerikanische als auch die israelische Staatsbürgerschaft besitzt, gehört zu den bedeutendsten und einflussreichsten Ökonomen der Nachkriegszeit. Er führte den Aufsichtsrat der Großbank Citigroup und lehrte an Spitzenuniversitäten wie dem MIT in der Nähe von Boston. Zu seinen Studenten gehörten unter anderem die späteren Notenbankpräsidenten Ben Bernanke und Mario Draghi. Seinen Ruf als eine Art "elder statesman" des Weltfinanzsystems aber verdankt Fischer vor allem der Arbeit als Top-Manager verschiedener Finanzinstitutionen: Er war Chefvolkswirt der Weltbank, Vize-Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Gouverneur der israelischen Notenbank. In seine Zeit beim IWF fielen allerdings auch die Finanzkrisen in Asien und Russland, in denen der Währungsfonds teils sehr unglücklich agierte.

Mit seinem jetzigen Rücktritt als Notenbank-Vize, den er Mitte Oktober vollziehen will, erhöht Fischer den Druck auf Trump, die Fed-Führung umzubauen. Von den sieben Vorstandsposten sind drei vakant - teilweise schon seit Jahren. Fischers Stelle kommt nun noch hinzu. Trump hat bisher lediglich Randal Quarles, unter Präsident George W. Bush führender Mitarbeiter im Finanzministerium, für eine der freien Positionen nominiert. Quarles ist aber noch nicht vom Senat bestätigt.

Auch die Frage, wer die Fed führen soll, wenn der Chef-Vertrag der amtierenden Vorsitzenden Janet Yellen im Februar kommenden Jahres ausläuft, ist noch offen. Als Favorit gilt Gary Cohn, der Chef-Wirtschaftsberater des Weißen Hauses. Trump hat aber auch schon zu erkennen gegeben, dass er sich eine erneute Berufung Yellens vorstellen kann. Beide Kandidaten - Cohn wie Yellen - müssten aber aus unterschiedlichen Gründen im Senat mit Widerstand rechnen. Deshalb ist denkbar, dass am Ende ein dritter Kandidat zum Zuge kommt.

Trump steht in der eigenen Partei unter Druck, die Führung der Notenbank einem Republikaner zu übertragen. Ihm ist aber zugleich daran gelegen, dass kein geldpolitischer Hardliner ins Amt kommt, der sein Ziel, das Wirtschaftswachstum durch Steuersenkungen und Bürokratieabbau signifikant zu steigern, durch allzu forsche Leitzinserhöhungen torpediert.

"Der Nebel, der über der Fed hängt, wird nun noch dichter."

Auch wenn es keine Hinweise auf politische Motive für Fischers Amtsverzicht gibt: Wer will, kann in sein Rücktrittsschreiben durchaus leise Kritik an Trump hineindeuten. Während seiner Zeit als Fed-Vize seien in den USA Millionen Jobs geschaffen worden, so Fischer in dem Brief, außerdem habe man das internationale Finanzsystem krisenfester gemacht. Trump hingegen hatte die Arbeitsmarktzahlen seines Vorgängers Barack Obama im Wahlkampf stets als "Desaster" bezeichnet und zudem angekündigt, die deutlich strikteren Finanzmarktregeln wieder zu lockern.

Michael Feroli, USA-Chefvolkswirt der Großbank JPMorgan Chase, bedauerte Fischers Entschluss. Angesichts seiner langen Laufbahn als Notenbanker und seines weltweit guten Rufs sei Fischer Fed-intern so etwas wie "die Stimme der Erfahrung" gewesen, erklärte Feroli. Dass er nun gehe, mache den Nebel, der angesichts der vielen Vakanzen und der unsicheren Wirtschaftsentwicklung über der Fed hänge, noch dichter.

© SZ vom 07.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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