Fall Ackermann:Die Moral der Manager

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Die Unternehmen verdienen blendend, die kleinen Leute immer weniger, und nichts ändert sich. Kein Wunder, dass nun wieder eine Debatte um die Moral der Manager ausgebrochen ist - angesichts der Neuauflage des Mannesmann-Prozesses, der Explosion der Strompreise und der immer neuen Berichte über den Abbau von Industriearbeitsplätzen.

Nikolaus Piper

Die Deutschen blicken besorgt und verstört auf ihre Wirtschaft. Auch nach Jahren des Reformierens und Debattierens über Reformen verschwinden die Arbeitsplätze. Die Unternehmen verdienen blendend, die kleinen Leute immer weniger, und nichts ändert sich.

Ackermann: nie verstanden, zwischen globalen Märkten und nationaler Öffentlichkeit zu vermitteln. (Foto: Foto: Reuters)

Kein Wunder, dass nun vor Weihnachten wieder eine Debatte um die Moral der Manager ausgebrochen ist - angesichts der Neuauflage des Mannesmann-Prozesses, der Explosion der Strompreise und der immer neuen Berichte über den Abbau von Industriearbeitsplätzen.

Ja, es geht um Moral bei dem Millionengeschenk von Mannesmann an Klaus Esser, es geht um Moral bei Managervergütungen, bei Gewinnen und Arbeitsplätzen. Nur darf man die Moralfrage nicht den schrecklichen Vereinfachern überlassen, die so tun, als wäre alles gut, wenn Unternehmer und Manager auf Gewinn und Gehalt verzichten würden.

Global und lokal

Konkret: Verdienen die Manager, was sie verdienen? Das Problem bei dieser Frage lässt sich gut an der Person Josef Ackermann festmachen. Der Chef der Deutschen Bank ist zweifelsohne ein moralischer Mensch, aber er hat nicht die geringsten Gewissenbisse wegen des Millionengeschenks, das er mit anderen Aufsichtsräten von Mannesmann dem scheidenden Chef Klaus Esser zukommen ließ.

Trotzdem ist er in Deutschland der Buhmann. Das kommt daher, dass Ackermann in zwei Welten lebt. In der Welt der globalisierten Investmentbanker hantiert man leicht mit Millionensummen, goldene Handschläge sind ebenso normal wie Gehälter in zweistelliger Millionenhöhe.

Bei der Deutschen Bank verdienen etliche Investmentbanker in London mehr als der Chef selbst - warum sollte er sich also wegen seines Gehalts Gedanken machen? Für eine besorgte deutsche Öffentlichkeit jedoch, die Verteilungsfragen nur in nationalem Rahmen erörtert, sind die ganzen Geldbeträge schlicht obszön.

Die Tragik von Josef Ackermann liegt darin, dass er es nie verstanden hat, zwischen globalen Märkten und nationaler Öffentlichkeit zu vermitteln.

Noch schwieriger wird es mit der Moral beim Thema Gewinne und Arbeitsplätze. Ist es wirklich moralisch, wenn Manager auf Gewinne verzichten? Sicher, es gibt Fälle, in denen Gewinnansprüche maßlos sind - maßlos insofern, als sie nur kurzfristig zu realisieren sind, und die Rendite letztlich auf Unterlassen von Investitionen, Bilanzkosmetik oder beidem beruht.

Aber viele deutsche Unternehmen haben früher eindeutig zu wenig verdient, weil das Management schlief oder sich nicht zu handeln traute. Man gab sich, wie es Amerikaner formulieren, der illusion of satisfactory underperformance hin, auf Deutsch: Man fand sich damit ab, mittelmäßig zu sein, und wurschtelte sich durch. So begann der Niedergang der deutschen Großbanken.

Auch zu niedrige Gewinne können also zerstörerisch sein. Und damit beantwortet sich auch die Frage, ob es moralisch sein kann, wenn ein Unternehmen, das (noch) Gewinne macht, Arbeitsplätze abbaut. Ja, das kann es, dann nämlich, wenn dadurch die verbliebenen Arbeitsplätze sicherer werden.

Ob dieses Kriterium zutrifft, lässt sich nur im Einzelfall beantworten. Aber auch eine Gewerkschaft handelt im übrigen nur dann moralisch, wenn sie genau hinsieht und das Arbeitsplatz- über das Organisationsinteresse stellt. Und da die meisten größeren Unternehmen heute international arbeiten, stehen auch hier globale gegen lokale Maßstäbe.

Es ist jedenfalls nicht unbedingt moralisch, zu erwarten, dass die Gewinne, die tschechische Arbeiter erwirtschaften, dazu verwendet werden, deutsche Arbeitsplätze zu subventionieren.

Aber welche Maßstäbe wären dann an die Moral der Manager im Spagat zwischen globalen Märkten und lokalen Wertesystemen zu legen? Zunächst das Offensichtliche: Manager sollen Werte schaffen. Erst auf diesem Umweg entstehen sichere Arbeitsplätze. Das unkonditionierte Versprechen, neue Jobs zu schaffen, ist dagegen meist von geringem Wert.

Doch das ist nicht alles. Manager brauchen tatsächlich Leitplanken. Nicht umsonst ist der Aufstieg des Kapitalismus immer mit moralischem Rigorismus einhergegangen. Adam Smith sah einen "unparteiischen Beobachter" in der Seele jedes zivilisierten Menschen, der dessen Handeln so leitet, dass er die Sympathie seiner Mitmenschen gewinnt.

Dieser unparteiische Beobachter verpflichtet einen zum Beispiel zur Ehrlichkeit. Auf dem Börsenparkett galt und gilt das gesprochene Wort, aber diese Ehrlichkeit muss auch den Arbeitnehmern gegenüber gelten. Wenn es denn so ist, dass betriebliche Bündnisse die Jobs nicht garantieren, sondern nur eine "Verschnaufpause" gewähren, wie Conti-Chef Manfred Wennemer dies formulierte, dann muss man dies den Arbeitnehmern auch sagen, und zwar ehe die Verhandlungen über ein Bündnis beginnen.

Was sich gehört

Und schließlich gibt es das weiche Element bei der Moral: Dinge, die nicht gerade verboten sind, die man aber einfach trotzdem nicht tut. Und bei diesen Dingen kann es für Manager durchaus angeraten sein, auf den unparteiischen Beobachter von Adam Smith zu hören und sich um die Sympathie derer zu bemühen, denen man beim Weg zur Arbeit in die Augen sehen muss.

Als sich Jürgen Weber an die Sanierung der Lufthansa machte, legte er Wert darauf, den fleckigen Teppichboden in seinem Büro nicht auszutauschen und sich einen kleineren Dienstwagen in den Hof zu stellen. Und Klaus Esser weiß vermutlich inzwischen selbst, dass man ein 30-Millionen-Geschenk unter den gegebenen Bedingungen besser nicht annimmt.

© SZ vom 24.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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