EZB :Draghi macht weiter

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Vitor Constancio und Mario Draghi im EZB-Hochhaus in Frankfurt. (Foto: Ralph Orlowski/Reuters)

Europas Wirtschaft boomt, doch die EZB setzt ihre lockere Geldpolitik fort, sie hat auch Steinhoff-Anleihen gekauft.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Mario Draghi sieht Europas Wirtschaft auf gutem Kurs. "Die Wachstumsentwicklung ist sehr positiv", sagte der EZB-Präsident am Donnerstag nach der Sitzung des EZB-Rats. Die Notenbank erwartet für dieses Jahr eine Wachstumsrate von 2,4 Prozent. 2018 sollen es 2,3 Prozent, im Jahr darauf noch 1,9 Prozent werden, so die aktuelle Schätzung der EZB. Damit legt die Euro-Zone ökonomisch so stark zu wie seit 2007 nicht mehr. Draghi hält es für möglich, dass es "positive Überraschungen" geben, Europas Wirtschaft noch mehr zulegen könnte.

Dennoch setzt die EZB ihre lockere Geldpolitik fort. Der Leitzins liegt seit Jahren bei null Prozent. Banken müssen auf ihre Guthaben bei der Notenbank sogar einen Strafzins entrichten. Im Oktober hat die EZB zudem ihr zum Jahresende auslaufendes Anleihekaufprogramm bis September 2018 verlängert. Die Kosten für den Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen werden sich dann auf 2,7 Billionen Euro summiert haben. Draghi sagte, die EZB halte an der Option fest, das Programm auch noch einmal zu verlängern. Mit einer Leitzinserhöhung rechnen Experten erst 2019. Die EZB strebt eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an. Im November lag die Teuerungsrate bei 1,5 Prozent, an diesem Wert wird sich nach Einschätzung der Notenbank bis 2019 auch nicht viel ändern. Ein Grund für die niedrige Teuerung sind die Lohnzuwächse. "Die Gehälter wachsen deutlich langsamer als nach anderen Wirtschaftsaufschwüngen", sagte Draghi. "Den Leitzins zu erhöhen wäre eine gute Sache, aber wir sind da noch nicht."

Der Nullzins hat in Deutschland zu einem Boom geführt. "Die deutsche Wirtschaft brummt", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am Donnerstag. Das Münchner Institut hob die Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes 2018 von 2,0 auf 2,6 Prozent an. Das wäre das neunte Wachstumsjahr in Folge. Auch das Institut für Weltwirtschaft (IfW) setzte seine Vorhersage für 2018 von 2,2 auf 2,5 Prozent herauf. "Die deutsche Wirtschaft steht unter Volldampf", erklärten die Kieler Forscher. "Ein Boom mag sich gut anfühlen, er trägt aber den Keim der Krise in sich", warnte der Leiter des IfW-Prognosezentrums, Stefan Kooths.

Die EZB macht trotzdem weiter mit ihren Anleihekäufen, denn in anderen Euro-Staaten sind Wachstumsraten und Preisdruck weniger ausgeprägt. "Ein großes Ausmaß an geldpolitischer Hilfe ist daher weiterhin notwendig", so Draghi. Die Notenbank kauft im Rahmen des Programms auch Unternehmensanleihen - inzwischen im Wert von 129 Milliarden Euro. In ihrem Besitz ist auch eine Anleihe des kriselnden Möbelkonzerns Steinhoff, dessen Aktien- und Anleihekurs in der vergangenen Woche massiv gefallen ist. Das Unternehmen befindet sich seit Anfang Dezember in einer schweren Krise, nachdem wegen Bilanzunregelmäßigkeiten ermittelt wird. Die EZB muss mit einem Minus rechnen. "Es ist nicht ungewöhnlich, dass man auch Verluste macht", sagte Draghi. "Aber dieser Verlust ist wirklich sehr klein im Vergleich zu den Zinseinnahmen in Milliardenhöhe."

Die Steinhoff-Anleihe hat ein Volumen von 800 Millionen Euro bei einer Laufzeit bis ins Jahr 2025. Die EZB darf maximal 70 Prozent eines Schuldscheins kaufen. Das wären bei Steinhoff 560 Millionen Euro. Die EZB publiziert nicht, wie viel sie an der Anleihe hält. Aber es ist wohl deutlich weniger als der Maximalbetrag. Die öffentlich gehandelten Verlustzahlen seien "um den Faktor "zehn übertrieben", so Draghi. Die EZB habe die Käufe von Steinhoff-Anleihen gestoppt, als die Probleme des Konzerns bekannt wurden.

Steinhoff machte inzwischen einen personellen Schnitt. Hauptaktionär und Übergangschef Christo Wiese zieht sich aus dem obersten Führungszirkel zurück, wie am Donnerstagabend bekannt gegeben wurde. Die lockere Geldpolitik der EZB hat die Aktienmärkte in Deutschland und anderswo auf neue Höchststände getrieben. Manche Experten warnen auch am Immobilienmarkt vor einer Preisblase.

"So langsam könnte sich der EZB-Rat nach der Sinnhaftigkeit seiner Maßnahmen mit dem Dreiklang Assetkäufe, Nullzinspolitik und Liquiditätsschwemme fragen", sagt Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg. Die EZB laufe zunehmend Gefahr, die Basis für Übertreibungen an den Finanzmärkten zu legen.

Es wirkt verquer: Die EZB verfolgt jetzt, da Europas Wirtschaft wächst, eine lockerere Geldpolitik als zum Höhepunkt der Krise. "Die Botschaft, die Draghi aussendet, ist klar", meint Jan Holthusen, Volkswirt der DZ Bank. Ein Wachstum von deutlich über zwei Prozent bei einer Inflation um 1,5 Prozent sei nicht genug, um die Geldpolitik wirklich zu straffen. "Doch wann, wenn nicht jetzt, wäre der Zeitpunkt günstiger?"

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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