Ex-Infineon-Chef Schumacher:Auf nach Schanghai

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Als einer der ersten westlichen Konzernchefs geht der ehemalige Infineon-Chef Ulrich Schumacher nach China. Er wird den chinesischen Halbleiter-Hersteller Grace Semiconductor führen.

Ulrich Schäfer

Das Unternehmen sitzt fernab von München, am Rande der chinesischen Millionen-Metropole Schanghai, und wer in den Archiven etwas über Grace Semiconductor sucht, findet wenig. Das mag daran liegen, dass Grace gerade einmal vier Jahre alt ist, aber auch daran, dass sich China bislang als Produzent von Halbleitern, also hochmodernen Computerteilen, nicht sonderlich hervorgetan hat. Die Volksrepublik galt bislang vor allem als Produzent von billiger Massenware, von T-Shirts, Kühlschränken und Spielzeug-Puppen, manche davon mit Blei verseucht. Aufwendige Hightech-Industrien suchte man anderswo.

Fast schon ein Pionier: Als einer der ersten westlichen Firmenchefs geht Ulrich Schumacher, ehemals Chef von Infinion, nach China. (Foto: Foto: AP)

Doch all das hat Ulrich Schumacher, den einstigen Chef von Infineon, nicht abgeschreckt. Als erster deutscher Spitzen-Manager überhaupt und als einer der ersten westlichen Konzernchefs übernimmt er die Führung eines großen chinesischen Unternehmens. Wochenlang hat Schumacher darüber mit seinem neuen Arbeitgeber verhandelt, einem Unternehmen, das rasant wächst und große Ziele hat. Mittlerweile hat er auch seinen bisherigen Arbeitgeber Francisco Partners, eine amerikanische Beteiligungsgesellschaft, über den Wechsel informiert.

Ordnungsgemäß abgemeldet

Schumacher, 49, stand in seiner Zeit bei Infineon wie kaum ein anderer für die Hoffnungen und Enttäuschungen der New Economy. Er hat das Unternehmen an die Frankfurter Börse gebracht, die letzten Meter legte er, den vielen Kameras zuliebe, in Rennfahrer-Montur am Steuer eines silbernen Porsche zurück - ein Bild, das ihn seither verfolgt und sein Image geprägt hat.

Schumacher hat damals einen Teil von Siemens verkauft, denn Infineon war eine Sparte des Weltkonzerns, bis sie irgendwann nicht mehr ins Portfolio passte. Schumacher, in der Sparte groß geworden, versprach den Anlegern das Himmelreich, doch die fanden sich bei Infineon und auch anderswo bald in der Hölle wieder, als der Börsenrausch plötzlich vorbei war.

Im Frühjahr 2004 stürzte dann auch Schumacher ab. Er trat als Chef von Infineon überraschend zurück. Über die wahren Gründe wird bis heute gerätselt. Klar ist nur: Einige seiner Vorstandskollegen hatten sich gegen ihn verschworen und den Aufsichtsrat für ihre Sicht der Dinge gewonnen. Später schwärzten Geschäftspartner ihn zudem bei der Staatsanwaltschaft an; die Ermittler eröffneten deshalb ein Verfahren gegen ihn wegen des Verdachts der Schmiergeldzahlung. Zudem entwickelte sich zwischen ihm und seinem ehemaligen Arbeitgeber eine Schlammschlacht ums Geld, vor Gericht stritten beide Seiten um eine millionenschwere Abfindung.

"Alles, was man in einem schlechten Film so sieht", habe er nach seinem Aus bei Infineon erlebt, hat Schumacher einmal gesagt. Alles - das heißt: Durchsuchungen der Ermittler, Verhöre der Staatsanwälte, Anschuldigungen, Verdächtigungen.

Branche den Rücken gekehrt

Mehr als drei Jahre später kehrt Schumacher nun in jene Branche zurück, in der er einst groß geworden war. Und das ausgerechnet in Schanghai. Grace Semiconductor wurde einst von einem der Söhne des ehemaligen Staatschefs Jiang Zemin gegründet, von Jiang Mianheng, außerdem von Winston Wang. Dieser ist der Sohn von Wang Yung-Ching, einem der mächtigsten und erfolgreichsten Unternehmer in Taiwan. In Schanghai schufen die beiden Söhne zwei Fabriken auf der grünen Wiese, insgesamt 1,6 Milliarden Dollar wurden investiert. Mittlerweile ist Grace Semiconductor mit 1400 Beschäftigten die Nummer zwei der chinesischen Halbleiterindustrie.

Es ist ein Unternehmen, wie geschaffen für Schumacher, den rastlosen, manchmal auch ungestümen Firmenlenker. Grace, so ist auf der Homepage des Konzerns zu lesen, "bietet ein breites Spektrum an Möglichkeiten, damit Sie Ihre Karriere neu erfinden können"'. Die Mitarbeiter des Unternehmens kämen, heißt es weiter, aus aller Welt. Gesucht würden Menschen, die über ein hohes Maß an "Selbst-Motivation und strategischem Denken verfügen". Wichtig sei die Fähigkeit, "einen Plan zu machen und diesen dann konsequent umzusetzen".

Schumacher hat seinen Plan gemacht. Schon Anfang Oktober wird er in Schanghai anfangen. Er wird seinen Hauptwohnsitz in München behalten, wo er mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebt, aber meist irgendwo anders auf der Welt unterwegs sein. Er hat sich deshalb ordnungsgemäß bei der Staatsanwaltschaft München abgemeldet.

Irgendwann auf seinen vielen Reisen um den Globus, die er als Berater von Francisco Partners gemacht hat, ist Schumacher auch auf den Konzern aus Schanghai gestoßen. Das Unternehmen, so befand Schumacher, sei doch womöglich auch etwas für die amerikanische Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Menlo Park (Kalifornien). Etwa zeitgleich begann Grace damit, einen neuen Vorstandsvorsitzenden zu suchen. Die Personalberater, die das Unternehmen beauftragt hatte, schauten sich auf der ganzen Welt um und stießen irgendwann auch auf Schumacher, jenen Mann, der aus anderem Grund bereits im Gespräch mit der Konzernleitung war.

© SZ vom 21.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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