Ewige Anleihe:Zahltag

Lesezeit: 2 min

Der Niederländer Van Hogenhouck lieh sich im Jahr 1648 Geld, um einen Deich auszubessern. Nun kassiert die Universität Yale Zinsen aus der Anleihe.

Von Jan Schmidbauer, München

Ziegenleder ist nicht nur geschmeidig, sondern auch langlebig. Heute wird es beispielsweise als Material für Handtaschen verwendet. Im Jahre 1648 benutzte der Niederländer Johan Van Hogenhouck ein Stück Ziegenleder für etwas ganz anderes: Er schrieb darauf eine Anleihe, um sich Geld zu leihen. Im Gegenzug verpflichtete er sich, Zinsen zu zahlen.

Wofür Van Hogenhouck Geld brauchte? Der Niederländer war für die Ausbesserung eines Deiches am Fluss Lek zuständig. Mit den Mitteln aus der Anleihe sollten die Baumaßnahmen finanziert werden. Und auf der ziegenledernen Urkunde wurde alles minutiös festgehalten: die Summe (1000 Gulden), der Zinssatz und der Zeichner. Nur eines fehlte: die Laufzeit. Es handelte sich damit um eine sogenannte ewige Anleihe, in der Schuldner und Gläubiger keinen Rückzahlungstermin vereinbaren. Das Geld gab damals ein gewisser Niclaes de Meijer, Van Hogenhouck konnte seine Arbeiter bezahlen, und die Bauarbeiten konnten weitergehen.

Es vergingen Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte. Europa erlebte die Französische Revolution, die Industrialisierung, zwei Weltkriege. Aber Van Hogenhoucks Anleihe ging nicht verloren. Es gibt sie immer noch. Bis 1943 wurden die Zinsbeträge auf der Ziegenhaut eingetragen, danach auf einem Begleitzettel.

An diesem Montag nun werden sie ihrem heutigen Besitzer ausgezahlt, 367 Jahre, nachdem van Hogenhouck und de Meijer die Schuldverschreibung auf der Ziegenhaut unterschrieben. Die Anleihe befindet sich im Besitz der amerikanischen Elite-Universität Yale. Sie hatte das Dokument 2003 ersteigert und bewahrt es seitdem als historisches Relikt auf. Denn Van Hogenhoucks Schuldverschreibung gehört zu den ältesten Anleihen der Welt, die noch Zinszahlungen leisten.

24 000 Euro bezahlte die Universität für das historische Stück Ziegenleder. Um erstmals die Zinsen zu kassieren, kontaktierte die Universität nun das niederländische Wasserwirtschaftsamt de Stichtse Rijnlanden, welches heute den Deich betreibt. Verglichen mit dem historischen Wert des Dokuments ist der monetäre Ertrag jedoch lächerlich gering: 136 Euro und 20 Cent. Mehr gibt es nicht. "Wir werden einen symbolischen Scheck aushändigen und den Rest überweisen", sagte die Pressesprecherin der Wasserbehörde der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Wirklich auf die Rendite angewiesen ist Yale allerdings nicht. Die Universität, die zu den renommiertesten der Welt zählt, hat keine finanziellen Sorgen: Die Stiftung verfügt über ein Vermögen von 23,9 Milliarden Dollar und erzielte mit diesem Kapital zuletzt eine Rendite von überaus beachtlichen 20,2 Prozent.

Der zusätzliche Zinsertrag aus den Niederlanden wird sich in der Bilanz der Bildungseinrichtung also kaum bemerkbar machen. Und in der hauseigenen Beinecke Library, dort wo auch die Urkunde aufbewahrt wird, lagern ohnehin noch wertvollere Dinge, eine Gutenberg-Bibel zum Beispiel. Die wird, anders als die alte Anleihe, in einer Vitrine aufbewahrt, damit ihr nichts passiert. Denn das Werk des Buchdruck-Erfinders ist auf Papier gedruckt. Und das ist sehr viel weniger robust als echtes Ziegenleder.

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: