EU-Wettbewerbskommission:Sie schlägt wieder zu

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Nun trifft es Facebook und Whatsapp: EU-Kommissarin Vestager zwingt den Firmen 110 Millionen Euro Strafe auf, weil sie ein Versprechen gebrochen haben - zulasten der Nutzer.

Von C. BUSSE, A. Mühlauer und M. Strathmann

Margrethe Vestager hat eine gewisse Übung darin, sich mit großen US-Konzernen anzulegen. Die EU-Wettbewerbskommissarin ermittelte schon gegen Google, Apple und Amazon. Nun trifft es Facebook. Das soziale Netzwerk aus Kalifornien soll 110 Millionen Euro Strafe zahlen. Das Unternehmen hatte falsche Angaben bei der Übernahme des Kommunikationsdiensts Whatsapp gemacht. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Um was geht es?

19 Milliarden Dollar hat Facebook im Februar 2014 für Whatsapp ausgegeben. Damit hat der Datenkonzern nicht nur die Chat-Software übernommen, sondern auch Hunderte Millionen Telefonnummern, die mit Whatsapp verknüpft sind. Datenschützer befürchteten damals, dass Facebook die neuen Daten mit Informationen verbindet, die das Unternehmen bereits über sein soziales Netzwerk gesammelt hatte. Die EU-Kommission hatte viele Fragen an die beiden Unternehmen. Facebook behauptete damals, dass es überhaupt nicht in der Lage sei, die Nutzerkonten beim eigenen sozialen Netzwerk und dem Messenger abzugleichen. Das war aber falsch, fanden die Wettbewerbshüter der EU-Kommission heraus.

Was wurde damals versprochen?

Whatsapp legte sich nach der Übernahme eindeutig fest: "Und das wird sich für euch, unsere Benutzer, ändern: nichts", hieß es in einem Blogeintrag. Tatsächlich sind viele Befürchtungen nicht eingetreten, etwa dass Werbung zwischen Nachrichten eingeblendet wird. Stattdessen gab es positive Änderungen. Whatsapp hat die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung eingeführt und Abogebühren abgeschafft. Aber die positiven Meldungen endeten im Sommer 2016. Whatsapp änderte die Nutzungsbedingungen und erlaubte, dass Telefonnummern an Facebook übertragen werden können, zusammen mit Informationen, wann und wie häufig ein Nutzer die App verwendet. Sie sollten mit den Nutzerprofilen im sozialen Netzwerk Facebook verknüpft werden. Das Ziel: die Werbung auf Facebook verbessern, also dafür sorgen, dass die Werbung noch besser zu dem Nutzer passt, der sie sieht.

Was sagen Verbraucherschützer?

Nutzer und Datenschützer fühlten sich betrogen. "Verbraucher vertrauten darauf, dass ihre Daten allein bei Whatsapp bleiben und kein Datentransfer zu Facebook erfolgt. Ihr Vertrauen wurde enttäuscht", sagte Klaus Müller vom Bundesverband der Verbraucherzentralen damals. Es formierte sich Widerstand gegen die Weitergabe von Daten: Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar hat Facebook die Weitergabe von Handynummern verboten, Facebook wehrte sich vor Gericht und hat Ende April vorläufig verloren. Deutsche Nutzer sind also derzeit vor dem Datenaustausch geschützt. Allerdings hat das Unternehmen angekündigt, in Berufung zu gehen. Caspar begrüßt die Strafe durch die EU-Kommission: "Die Luft wird damit in der EU zusehends dünner für Unternehmen, die den Vorgaben des Datenschutzrechts nicht entsprechen", so der Datenschützer. "Unternehmen, die dies nicht erkennen, werden insbesondere auf dem EU-Markt keinen Erfolg haben." Auswirkungen auf die Übernahme hat die Strafzahlung an die EU nicht.

SZ-Grafik; Quelle: EU, eigene Recherchen (Foto: SZ-Grafik)

Warum fällt die Strafe so niedrig aus?

Die Geldbuße hätte mehr als doppelt so hoch ausfallen können. Die Kommission kann in solchen Fällen Strafen von bis zu ein Prozent des Jahresumsatzes verhängen. Das wären für 2016 etwa 248 Millionen Euro gewesen. Aber Facebook kooperiert und räumt die falschen Angaben ein. Das ist strafmildernd. Der Europaabgeordnete Markus Ferber sieht das kritisch. Der Vorgang zeige, mit welcher Naivität die Kommission an wettbewerbsrechtliche Fragen der Digitalwirtschaft herangehe, so der CSU-Politiker. "Vor allem auf kartellrechtliche Kennzahlen wie Umsatz und Gewinn zu schauen und die wichtige Rolle, die Daten für Unternehmen der Digitalwirtschaft spielen, zu ignorieren, wird der Komplexität des Problems nicht gerecht", sagt Ferber. Der FDP-Europaabgeordnete Michael Theurer fordert, dass "wir dringend neue kartellrechtliche Regeln für die Wettbewerbskontrolle benötigen, die sich nicht nur zuvorderst am Umsatz orientieren".

Wie ist die Lage in Deutschland?

Auch das Bundeskartellamt in Bonn geht gegen Monopole im Internet vor. So wurde den Hotelbuchungsportalen Booking.com und HRS beispielsweise die Bestpreis-Regelung untersagt. Danach mussten die Hotels den Plattformen immer den günstigsten Preis garantieren. Das behindere den Wettbewerb, so die Behörde. Auch gegen Amazon ist das Kartellamt schon vorgegangen. Bei Facebook wird derzeit geprüft, ob der US-Konzern seine Marktmacht missbraucht, indem er Daten zusammenträgt, ohne die Nutzer darüber genau zu informieren. Der Chef der Behörde, Andreas Mundt, kritisierte immer wieder, dass das bisherige Wettbewerbsrecht für die Digitalbranche nicht ausreiche. Zuletzt wurde eine Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verabschiedet. Die Behörde bekommt dadurch mehr Macht.

Warum treffen Vestagers Entscheidungen bevorzugt US-Konzerne?

Das liegt einerseits an der Marktmacht. In der Digitalwirtschaft sind Unternehmen aus den USA weltweit führend. Doch in Washington gab es schon unter US-Präsident Barack Obama scharfe Kritik an den Entscheidungen aus Brüssel. Besonders die Ermittlungen gegen die Steuertricks von Apple waren den US-Behörden ein Dorn im Auge. In einem Papier des US-Finanzministeriums vom August vergangenen Jahres wurde der Kommission vorgeworfen, sich wie eine "supranationale Steuerbehörde" aufzuspielen, die internationale Vereinbarungen zur Bekämpfung von Steuerflucht gefährde. In Brüssel nimmt man die Angriffe gelassen. "EU-Recht gilt gleichermaßen für alle in Europa tätigen Unternehmen - egal ob groß oder klein", lässt sich Vestager gerne zitieren.

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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